Fall von 1942 - Akte Cäzilie Bauer aufgerollt
Mord in Bachmehring: Warum nichts war, wie es schien
- VonKarlheinz Riegerschließen
Eine verdächtige junge Frau, ein älterer verliebter Mann, ein Toter und eine Waffe: Das ist der Stoff, aus dem das Drehbuch für einen Tatort geschrieben werden könnte. Doch der Mord an Leonhard Eder geschah 1942. Der Heimatverein ließ ihn aufklären - mit den Akten von damals und den Methoden von heute.
Wasserburg – Wurde im Februar 1942 die ledige Magd Cäzilie Bauer zur Mörderin oder hatte sich das Opfer Leonhard Eder, Fuhrknecht und ebenfalls im Dienst am Stemmer-Hof in Bachmehring, doch selbst getötet? Und wer war am Ende wirklich an allem schuld? Das alles sollte in der jüngsten Veranstaltung des Heimatvereins unter Vorsitz Peter Rink anlässlich einer Autorenlesung von Dr. Ulrike Hofmann geklärt werden. Die Historikerin hat ein Buch zur Akte Cäzilie Bauer geschrieben. Auf sie stieß sie bei ihrer Arbeit im bayerischen Staatsarchiv in München.
Verwandte des Opfers zu Gast
Im vollbesetzten Gimplkeller, untermauert von aktuellen und historischen Erklärungen zur Polizeiarbeit von Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger, gab es dann auch die erwarteten Antworten. Akribisch rollte Hofmann den gesamten Fall über zwei Stunden hinweg auf und bot so Gelegenheit, emotional und sachlich gleichermaßen in die Welt des Verbrechens und in das damalige Umfeld aller Beteiligten einzutauchen. Überraschungen gab es aber auch für die Buchautorin selbst. Anwesend waren nämlich sowohl Verwandte des Opfers, die neues Bildmaterial mitgebracht hatten, als auch die Nichte eines der Anwesenden bei der Hinrichtung der Cäzilie Bauer.
Selbstmord? Mord? Eine oder zwei Täterinnen?
Es war der 2. Februar 1942, als um 13.15 Uhr die Meldung am Wasserburger Gendarmerie-Posten einlief, dass eine Bluttat am Stemmer-Hof geschehen sei, berichtete die Autorin. Mit offenen Pulsadern und tiefem Stich am Kehlkopf sowie weiteren Schnitten, auch an den Händen, lag der taubstumme Knecht Leonhard Eder, genannt „Stummerl“, vor seinem Bett, spärlich mit Hemd, Unterhose und Socken bekleidet, die Beine in eine Decke eingewickelt, auf dem Bett sein künstliches Gebiss und ein Taschenmesser. Zuvor war er nicht zum Essen erschienen, sodass man nach ihm schauen ließ. Den ersten Aussagen der Dienstmagd Cäzilie nach musste dann zunächst der Eindruck entstehen, es handele sich um einen Selbstmord. Kriminaltechnische Untersuchungen gab es keine und es blieb zunächst bei einer oberflächlichen Beschreibung des Sachverhaltes durch die Gendarmerie, so die Ausführungen der Autorin. Was sich allerdings in der Folge aus dem Fall entwickeln sollte, würde auch heute sicher einem Tatort-Krimi genügend Stoff liefern, denn immer schneller wurde klar, dass eigentlich nichts klar war.
Hofmann enthüllte deshalb zum besseren Verständnis die weiteren Ermittlungen scheibchenweise, berichtete vom Verdacht des Bauern, der misstrauisch geworden war und auch von fehlendem Geld sprach, ebenso von dem Liebes-Verhältnis zwischen Knecht und Magd. Die Frage, wo das fehlende Geld geblieben sei, beschäftigte in der Folge die Ermittler, auch eine Leichenschau fand vier Tage später statt. Ergebnis: zumindest keine Vergiftung und die Feststellung, dass sich die Verletzungen eigentlich nur ein Linkshänder so selbst zugefügt haben hätte können. „Stummerl“ war aber Rechtshänder.
Durch die Schwester verpfiffen
Weitere Spuren am Tatort waren aber nicht gesichert worden. So dauerte es bis zum 10. Mai, bis eine überraschende Wende im Fall eintrat. Ausgerechnet Cäzilies Schwester Regine Brandl, bei der sie zu der Zeit wohnte, zeigte in München auf Drängen ihres Mannes ihre Schwester wegen Mordes an, weiß Hofmann aus den Akten. Den Ehemann hatte gestört, dass seine Schwägerin nichts zum Haushaltsgeld beitrug.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Zunächst gestand Cäzilie Bauer den Mord, auch dies, dass sie schon vorher versucht habe, den Knecht mehrfach, zuletzt mit Schlaftabletten, zu vergiften. Grund: Er habe sie körperlich bedrängt, als sie ein Heiratsversprechen nicht hatte halten wollen. Einen Selbstmord habe sie nach der Tat vorzutäuschen versucht. Die Anklage lautete deshalb auf Mord, begleitet zudem von zwei Anklagen wegen Betrugs. Denn nicht nur dem Opfer, so ergaben die weiteren Ermittlungen, sondern auch einem Müller am Hof hatte sie die Heirat versprochen und von ihm Geld erhalten. Allerdings wurde dieses Mord-Geständnis in der Folge von ihr widerrufen.
Schwestern bezichtigen sich gegenseitig
Es stellte sich aber schließlich heraus, dass ihre Schwester Regine Brandl mehr gewusst hatte und sie in die Vorbereitung der Bluttat verstrickt gewesen war, hatte sie doch ihrer Schwester die Schlaftabletten besorgt und lange vorher Tipps gegeben, wie das „‚Problem“ zu lösen sei. Ja, sie wurde schließlich sogar von Cäzilie der Anstiftung zur Tat bezichtigt, was Regine allerdings vehement bestritt, berichtete die Autorin weiter.
Dass während der Untersuchungshaft in Stadelheim ausgerechnet auch noch die Schwägerin wegen Diebstahls für vier Wochen einsaß und sie diese für heimliche Botschaften zu nutzen versuchte, welche allerdings abgefangen wurden, verminderte weiter Cäzilies Glaubwürdigkeit. So kam es, nach erneutem Geständnis und dessen erneutem Widerruf, vor dem Sondergericht in München zur Verhandlung. Diese endete schließlich mit dem Todesurteil. Ein Gnadengesuch blieb erfolglos. Alle Hilfen aus dem Bereich der Familie, die Urteile abzuwenden, waren umsonst gewesen. Und auch die Schwester wurde letztlich wegen Verschweigens einer Mordabsicht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, berichtete die Autorin des Buches über die Tat weiter.
Das Messer, eine gefährliche Waffe
Warum ein solches Familiendrama heutzutage mit den vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr in vergleichbares Dunkel gehüllte bleiben würde, erläuterte zwischendurch Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger anschaulich mit Quellen von damals und heute. Aber auch wann ein Messer zur Waffe wird und unter welchen Umständen man sich schon beim Besitz bestimmter Schneidewerkzeuge strafbar machen könne, stellte Waldinger durch diverse vorgezeigte Musterexemplare anschaulich heraus. Er dürfte damit wohl so machen Zuhörer nachdenklich gemacht haben.