„Solange nichts entschieden ist, ist es ein Thema“
In Obing sitzt der Schock noch tief - Mutmaßlicher Vergewaltiger steht bald vor Gericht
- VonMichael Weiserschließen
Eine Woche lang befand sich Obing in Schockstarre, die Polizei sprach von einem „extremen Fall“: Ein Dreivierteljahr nach der Untat soll sich der mutmaßliche Vergewaltiger von Obing vor Gericht verantworten. Wann die Verhandlung beginnt.
Obing/Traunstein - Der Rosenheimer Harald Baumgärtl ist in diesen Tagen vermutlich einer der meistbeschäftigten Anwälte des Freistaats. Er vertritt den Tatverdächtigen im Fall Hanna, er wird in wenigen Wochen auch die wegen versuchten Mordes an ihrem Vater angeklagte Frau aus Kiefersfelden verteidigen, deren Festnahme auf Mallorca bundesweit für Aufsehen sorgte.
Und schon in Kürze wird Baumgärtl jenen Mann vor dem Landgericht in Traunstein vertreten, den der Staatsanwalt für ein weiteres besonders schlimmes Verbrechen verantwortlich macht: Der Beschuldigte soll im April in Obing eine 54-jährige Frau vergewaltigt haben.
Soll, wohlgemerkt. Denn bis zum Abschluss des Verfahrens gilt der Mann natürlich nicht als schuldig. „Wir haben die Hauptverhandlung im Januar. Dann beginnt die Geschichte“, sagt Baumgärtl. Erster Verhandlungstag ist nach Auskunft des Landgerichts in Traunstein der 11. Januar, weitere Verhandlungen sind für 23., 25. und 27. Januar angesetzt.
Polizei sprach von einem „sehr extremen“ Fall
Die Straftat sorgte über die Landkreisgrenzen hinaus für Abscheu und Empörung. In der Nacht auf den 2. April war die 54-Jährige von einem Unbekannten brutal überfallen und mehrfach vergewaltigt worden. Die Polizei ermittelte mit Hochdruck in dem schrecklichen Fall. Polizeisprecher Stefan Sonntag nannte diesen seinerzeit „sehr extrem“.
Eine derart brutale Vergewaltigung im öffentlichen Raum habe es „seit Jahren nicht mehr gegeben“, sagte Sonntag. Der Unbekannte hatte die Frau am 2. April gegen 0.30 Uhr überfallen, als sie sich auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstätte in einer Gaststätte befand. Er sprang die Frau von hinten an, überwältigte sie und zerrte sie in ein nahegelegenes Feld westlich der Kienberger Straße. Eine Stunde lang soll er sich an ihr vergangen haben.
Polizeireiter patrouillierten in Obing
Die Frau hatte sich dann in ihr nur 100 Meter entferntes Zuhause schleppen können. Ein Angehöriger verständigte die Polizei. Die hatte in den kommenden Tagen nicht nur mit den Ermittlungen zu tun, sondern war auch verstärkt in Obing unterwegs. Die Einwohner des Ortes reagierten verängstigt auf die Gewalttat, zumal bekannt wurde, dass bereits wenige Wochen zuvor eine Frau mit einem Messer bedroht worden war.
So bemühte sich die Polizei, auch mit berittenen Sicherheitskräften Präsenz zu zeigen. Bürgermeister Josef Huber sprach seinerzeit von einer „großen Verunsicherung“ in der Bevölkerung, die Stimmung sei „sehr bedrückt“. Noch im Sommer herrschte unter der Oberfläche Unruhe. „Bei Festen und dergleichen war das schon immer wieder ein Thema“, sagt Huber.
Polizei hatte Verdächtigen nach einer Woche ermittelt
Eine Woche nach der Tat trugen die Ermittlungen Früchte. Zumindest präsentierte die Polizei einen dringend tatverdächtigen 31-jährigen Rumänen. Er soll sich demnächst verantworten.
Bringt den Obingern die Verhandlung vor dem Landgericht in Traunstein den Frieden zurück? Josef Huber hofft es, will aber dem Gericht nicht vorgreifen. „Es herrscht immer noch die Unschuldsvermutung“, sagt er. „Solange da keine Entscheidung gefallen ist, bleibt es in Obing auch ein Thema.“
Rechtsanwalt Baumgärtl äußert sich zurückhaltend
Rechtsanwalt Baumgärtl hat sich wie in den anderen Fällen tief in die Akten vergraben. Die Aufarbeitung sei in solchen Phasen besonders wichtig: „Beim ersten Lesen kennzeichnet man schon, was wichtig ist und was nicht. Wenn man das Geschäft 30 Jahre lang macht, weiß man, worauf es ankommt.“
In diesem Fall wertete Baumgärtl aus, was die Polizei ermittelte - den offiziellen Bericht der Polizei, DNS-Gutachten, Zeugenaussagen. „Eine Fülle von Material“, sagt Baumgärtl. Und doch keine Prognose: „Ein Strafverfahren lebt“, sagt er, „man weiß nie, wie es ausgeht“.