Wasserburger Theatertage
Kein Prosecco-Schlückchen ohne Folter-Opfer: Theater-Experiment bringt Zuschauer ins moralische Dilemma
Die Zuschauer werden in den Theaterraum gebeten, der in eine Wohlfühloase umgebaut ist mit einem Büffet voller Häppchen und Prosecco und mit gemütlichen Sitzgelegenheiten. Aber sie dürfen den Raum erst betreten, wenn sich innerhalb von drei Minuten jemand findet, der sich opfert oder geopfert wird.
Wasserburg – : Derjenige wird durch eine Stahltür in einen Nebenraum geführt, niemand weiß, was dort passiert: „Spank for Spa“ heißt diese „immersive Performance“ des Theaters Megaplot (Martin Fürbringer und Claudia Schulz) aus Nürnberg bei den Wasserburger Theatertagen, wörtlich übersetzt: „Verprügelt werden fürs Wohlfühlen“.
Die Zuschauer diskutieren, einige protestieren gegen jeglichen Zwang – dann „opfert“ sich eine Zuschauerin und wird abgeführt. Wenn sie die „Folterung“ nicht mehr aushalten sollte, kann sie einen Panikknopf drücken, ansonsten ertönen nach 20 Minuten Kirchenglocken und alles ist vorbei. Die Performance wird zweimal gespielt, jedes Mal wird sich die Aktion je nach Zuschauerreaktion verändern.
Die Zuschauer fläzen sich, schnabulieren, trinken Prosecco zu säuselnder Bach-Musik, man beschließt, dem „Opfer“ Häppchen bringen zu lassen, die Regisseurin Claudia Schulz sitzt dabei und beobachtet.
Weitere aktuelle Berichte zur Kultur in der Region lesen Sie hier!
Endlich ertönen die Kirchenglocken, das „Opfer“ wird von zwei rotgekleideten und vermummten „Folterknechten“ herausgeführt und erzählt: Sie wurde in einen Rollstuhl gefesselt, musste vorbeiflimmernde Zahlenreihen wiederholen und sehr verstörende Bilder anschauen. Alle Zuschauer bekommen eine Tasche geschenkt, beschriftet mit dem Zitat aus dem Johannes-Evangelium: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“
Es ist ein Theaterexperiment, bei dem die Rollen vertauscht sind, die Zuschauer zu Akteuren werden, die sich fragen müssen: Kann man unbeschwert genießen, während oder weil jemand anders leidet? Politisch aktuell: Kann man feiern und auf den Bänken tanzen, während wenige Kilometer entfernt Ukrainer beschossen und getötet werden? Das alles ist eine gute Frage für den Ethikunterricht – aber zu dünn für einen ganzen Theaterabend.