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„Medizin darf kein Gewinnbringer sein“: Warum ein Isener Arzt für die Gesundheitspolitik schwarz sieht

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Von: Uta Künkler

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Dr. Wolfgang Krombholz: „Private Investoren wollen Gewinne sehen, das führt immer weiter weg von dem, was Medizin ausmacht.“
Der Isener Arzt und Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Dr. Wolfgang Krombholz. © kvb

Dr. Wolfgang Krombholz aus Isen war zwölf Jahre Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Im Interview erklärt er, warum er die hausärztliche Versorgung gefährdet sieht und was seine jungen Kollegen dagegen tun können.

Isen – Er arbeitete mit Hingabe als Landarzt, praktizierte viele Jahre als Allgemeinmediziner in Isen. Doch über die Behandlung von Patienten hinaus brennt Dr. Wolfgang Krombholz ist seit langem für die Gesundheitspolitik. Er engagierte sich in zahlreichen Gremien auf Landes- und Bundesebene, war unter anderem im Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbands und der Landesärztekammer sowie Delegierter des Deutschen Ärztetags.

Die vergangenen zwölf Jahre stand er hauptberuflich der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vor. Jetzt hat er sich im Alter von 72 Jahren von diesem Amt zurückgezogen. Wir sprachen mit dem Isener über die ärztliche Versorgung im Landkreis Erding, die Zukunft des Gesundheitswesens und seine Pläne für den längst überfälligen Ruhestand.

Herr Dr. Krombholz, Sie hören wirklich schon auf?

Dr. Wolfgang Krombholz: (lacht) Ja, immer wieder höre ich, dass Adenauer mit 87 Jahren noch Bundeskanzler war. Das mag sein, aber für mich langt es jetzt. Ich bin schon weit übers Rentenalter hinaus, und das Leben darf nicht nur aus Pflichten bestehen. Es war immer mein Plan, nach zwölf Jahren aufzuhören. Jetzt ist es Zeit für die nächste Generation, die mit ihren neuen Ideen und Impulsen nachrückt. Für die möchte ich Platz machen.

Sie waren zwölf Jahre lang KVB-Chef: Was verbuchen Sie rückblickend als größte Meilensteine?

Krombholz: Es war für mich von Anfang an ein großes Ziel, den ärztlichen Bereitschaftsdienst umzuorganisieren. Früher galt im Freistaat das Gewohnheitsrecht, dass verschiedene Fachrichtungen dazu nicht herangezogen wurden. Ich habe mich für eine Reform des Systems eingesetzt, und sie ist gelungen. Jetzt ist der Pool an freiwilligen Medizinern, die sich die Bereitschaft teilen, deutlich größer, der Dienst verteilt sich auf mehr Schultern und ist leichter sicherzustellen. Außerdem bewerte ich die Wirkstoffvereinbarung als wichtigen Erfolg. Dadurch, dass Ärztinnen und Ärzte die Wirkstoffe verordnen können und Apotheker Arzneimittel von verschiedenen Pharmafirmen mit demselben Wirkstoff anbieten dürfen, ist die Transparenz gestiegen, und die verschreibenden Ärzte sind nicht mehr der Regressgefahr ausgesetzt.

Wo sehen Sie die Kernaufgaben der KVB?

Krombholz: Sie ist als Vertretung der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in erster Linie für den Erhalt der Praxen im Sinne einer dezentralen Gesundheitsversorgung zuständig. Die KVB kann als echte Vereinigung von Kassenärzten und nicht als Überregulierungsbehörde einen wertvollen Beitrag für eine wohnortnahe ambulante Versorgung leisten. In diesen Zeiten des stetigen Wandels wird es immer wichtiger, dass Entscheidungen und Reformen von denjenigen in Gang gebracht werden, die das System wirklich kennen – und nicht von selbst ernannten Patientenvertretern oder Ähnlichem.

Wie bewerten Sie die medizinische Versorgung im Landkreis Erding?

Krombholz: Wir sind zwar eine ländliche Region – ich habe mich in meiner Praxis in Isen immer als Landarzt gesehen und bezeichnet. Aber dadurch, dass wir uns im Münchner Speckgürtel befinden und verkehrstechnisch gut angebunden sind, ist der Landkreis Erding medizinisch nicht schlecht aufgestellt. Selbstverständlich gibt es stark spezialisierte Ärzte, die ihre Leistungen nur in einem großstädtischen Umfeld anbieten können. Aber die Zusammenarbeit der hiesigen Ärztinnen und Ärzte auch mit den Münchner Praxen und Kliniken ist gut und wird sich weiterhin positiv entwickeln.

In vielen ländlichen Regionen Deutschlands fehlen Hausärzte. Steuert Erding auch darauf zu?

Krombholz: Noch haben wir mit der hausärztlichen Versorgung eine gute Quote. Aber uns drohen Gefahren, die jeden Landkreis betreffen, insbesondere die ländlicheren. Probleme kommen hauptsächlich auf, wenn Medizin als Gewinnbringer gesehen wird. Ich spreche zum Beispiel von investorengetragenen medizinischen Versorgungszentren, kurz iMVZ, oder Praxen, die aufgekauft und von Ketten übernommen werden.

Private Investoren wollen Gewinne sehen, und das führt immer weiter weg von dem, was Medizin ausmacht, nämlich Menschen Hilfe zu leisten wenn auch selbstverständlich mit Blick auf Ökonomie und Zweckmäßigkeit. Aber eine reine Beurteilung von medizinischen Betrieben im Kontext der Rentabilität wird der Verantwortung gegenüber den Patienten nicht gerecht. Und wenn junge Kollegen gegen diese investorengetragenen medizinischen Zentren oder Praxisketten antreten, haben sie keine Perspektive für die Zukunft ihrer eigenen Praxis. Dem müssen wir Einhalt gebieten!

Da hören Sie sich aber nicht gerade nach einem Ruheständler an...

Krombholz: Auch wenn ich mich bei der KVB zurückgezogen habe, verfolge ich natürlich dennoch weiter die Themen, die mir am Herzen liegen. Das treibt mich weiterhin um.

Trotzdem bleibt Ihnen jetzt deutlich mehr Zeit für anderes – wofür zum Beispiel?

Krombholz: Meine Frau freut sich natürlich über meinen Rückzug. Und darüber, dass wir vielleicht mal etwas größere und längere Reisen miteinander unternehmen können als nur übers Wochenende. Außerdem sind in den arbeitsreichen Jahren einige Sachen liegen geblieben, die ich jetzt aufarbeiten möchte. Und dann gehe ich gerne segeln, und wir haben einen großen Garten, in dem ich aktiv bin. Langeweile werde ich sicher nicht bekommen.

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