125 Jahre ohne Chronik
Arbeiterkrankenunterstützungsverein Haag arbeitet erstmals seine Geschichte auf
- VonLudwig Meindlschließen
Lücken in der Chronologie beschäftigen die Verantwortlichen des Arbeiterkrankenunterstützungsvereins Haag. Das soll sich nun ändern: Zum ersten Mal arbeitet der Verein seine Geschichte auf. So sieht die Chronik aus.
Haag – Die im Herbst geplante Jubiläumsfeier des Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Vereins (AKUV) zu 125 Jahren gab Anlass, erstmals eine Chronik zu erstellen. Sie lässt eine lange Spanne deutscher Historie und Haager Lokalgeschichte vor dem Hintergrund gegenseitiger Unterstützung plastisch nacherleben.
Nach letzten Korrekturen durch die Vorstandschaft geht die neue Chronik jetzt in Druck, um ab dem Jubiläumssonntag am 25. September verkauft zu werden. Eine „Herzensangelegenheit“ habe es bedeutet, unterstreicht AKUV-Vorsitzender Josef Hederer, die Geschichte des Haager Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Vereins einmal in Schrift und Bild zu dokumentieren. Der Verein habe nun 125 Jahre „ohne Chronik gelebt“ und weise dadurch schon einige Lücken in der Chronologie auf.
Aufzeichnung für die Nachwelt
Umso mehr, prognostiziert Josef Hederer, werde die Nachwelt „diese AKUV-Geschichte“ schätzen: „Sie tun sich dann nicht so schwer wie wir, aus alten Zeitungsartikeln und Protokollen eine historische Aufzeichnung zusammenzustellen.“
Der Dank des Vorsitzenden zur Vorstellung der Druckvorlage galt dem Verfasser Ludwig Meindl, Schriftführer des AKUV, Elizabeth Hederer für die Gestaltung und Theresia Schmid für die Sponsorenverwaltung. Mitgeholfen hatten Willi Bittner und Peter Schmid von der Vorstandschaft. Die 48 Seiten in DIN A4 gestaltete Elizabeth Hederer mit einem ockerfarbenen Titelbild, das im historischen AKUV-Stempel den Haager Schimmel zeigt und mit einem handschriftlichen Protokoll aus dem Jahr 1900 hinterlegt ist. Die wechselreiche Geschichte des AKUV lockern Porträts von Vorsitzenden, Szenen aus dem Vereinsleben und historische Dokumente auf.
Josef Hederer stellte fest, dass ihm die „historische Dimension des Jubiläums“ erst bei den Vorbereitungen aufgegangen sei: „Unser Verein erlebte vom Kaiserreich, Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik, Zweitem Weltkrieg und Drittem Reich bis zur Bundesrepublik Deutschland höchst unterschiedliche Staatsformen und damit verbundene Ansichten.“
Gleich zur Einleitung fasste Chronist Ludwig Meindl die Anlässe zur Gründung zusammen: „Der AKUV wurde aus der Not geboren. Die Zeiten 1897 waren schwer, das Geld knapp, die Not groß. Gerade da rückten die Menschen wieder zusammen, um sich gegenseitig zu helfen. Der AKUV setzte sich zum Ziel, „seine Mitglieder in Krankheitsfällen mit Geld zu unterstützen“, wie Paragraf 2a besagt, und „den sittlichen Gesellschafts- und Gemeinsinn unter den Vereinsmitgliedern zu fördern“, so Paragraf 2b. Drei Jahre nach seiner Gründung gliederte man die Sterbekasse an: Die Mitglieder sammelten, wenn einer aus ihren Reihen gestorben war, um den Hinterbliebenen bei den Kosten der Beerdigung finanziell zu helfen.“
Der Verein erfreute sich von Anfang an großer Beliebtheit und brachte eine rege Mitgliederresonanz von 39 Gründungsmitgliedern, über 1.700 im Jahr 1984, 1.200 Mitgliedern zum 100-Jährigen 1997 und aktuell 600 Mitgliedern. In der Bevölkerung war die Idee angesehen und respektiert.
Der einzige Feind, der dem AKUV in 125 Jahren erwuchs, war die Regierung, die den „kleinen Versicherungsverein“ gerne hinwegrationalisiert hätte. So wollte 1951 ein Oberregierungsrat aus München das „Beitrags-Fünfzigerl“ verbieten. 150 Mitglieder im Hofgarten-Saal widersprachen vehement und verhinderten es. 2016 brauchte es ein Gutachten zu 3.000 Euro, um der Auflösung zu entgehen.
Die Namen der Mitglieder und Vereinslokale atmen Lokalkolorit. „43 Mann“ ließen sich zur Gründung im „Hölzl‘-schem Gasthause“ aufnehmen. Der Startschuss des AKUV fand also in der „Alten Post“ statt, heute Modehaus Eberl und „Valentino“, das einst die Wechselkutschen und Pferde unterbrachte. Als die „Alte Post“ schloss, traf man sich beim „Schwinghammer“, heute Sparkasse Mühldorf. Die Quartalsversammlungen wurden auch beim Neumairwirt abgehalten, einem heute nicht mehr erkennbaren Gasthaus in der Bräuhauskurve, Vorstandssitzungen beim „Schmidberger“, heute Wohnhaus.
4000 Mark fielen der Inflation zum Opfer
Als großes Unglück erfuhr man die Geldentwertung. Die Chronik notiert: „4.000 Mark, gutes Geld, zusammengespart aus Arbeiterpfennigen im Laufe der Jahre, fielen der Inflation zum Opfer.“ Das Vereinsvermögen wuchs auf die gewaltige Summe von 100 Milliarden, was einem Wert von zehn Pfennigen entsprach. Der Verein war den Gewohnheiten der Gründerzeit entsprechend reine Männersache, erst 1934 wurden auch „ledige Frauenspersonen“ in die Sterbekasse aufgenommen. Ein roter Faden zieht sich neben vielen Nöten und Freuden durch die Vereinsgeschichte: Beim AKUV wurde oft gefeiert, so Familienabende im „Hofgarten“ mit der Kapelle Kierner, Vereinsabende mit Gstanzln, Komikereinlagen und Zithermusik im alten „Kefer“ und zahlreiche Jubiläen, die nur zu Kriegszeiten ausnahmsweise „im kleinen Maßstab“ gefeiert wurden.
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Das 125-Jährige am 25. September soll wieder „im großen Maßstab“ begangen werden.