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Paralympics-Star Anna Schaffelhuber ist Referendarin: „Mit Wasserburg hatte ich Glück“

„Die Wasserburger Altstadt ist in Sachen Barrierefreiheit gar nicht mal so schlecht“, stellt Paralympics-Star Anna Schaffelhuber fest. Nach ihrem Rücktritt als Paraskifahrerin konzentriert sie sich auf ihr Referendariat an der Realschule Wasserburg. Unser Bild zeigt sie unter den Arkaden der Herrengasse.
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„Die Wasserburger Altstadt ist in Sachen Barrierefreiheit gar nicht mal so schlecht“, stellt Paralympics-Star Anna Schaffelhuber fest. Nach ihrem Rücktritt als Paraskifahrerin konzentriert sie sich auf ihr Referendariat an der Realschule Wasserburg. Unser Bild zeigt sie unter den Arkaden der Herrengasse.
  • Andrea Klemm
    VonAndrea Klemm
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Sie ist 26, angehende Lehrerin an der Realschule Wasserburg und siebenfache Olympiasiegerin im Paraskifahren: Anna Schaffelhuber. Nun zieht es sie beruflich nach Wasserburg, wo sie auch ihr familiäres Glück gefunden hat. Schaffelhuber wird außerdem eine hohe Auszeichnung zuteil.

Wasserburg – Anna Schaffelhuber hat ihre Karriere als Paraskifahrerin nach sieben Olympiasiegen, elf WM-Titel und sechs Gesamtweltcupsiegen sowie 84 Weltcuppodestplätzen beendet und jetzt viel Zeit, sich auf ihren Beruf zu konzentrieren. Die angehende Realschullehrerin absolviert ihr Referendariat an der Anton-Heilingbrunner-Schule in Wasserburg.

Ob es jetzt ganz viele Exen in Mathe und Wirtschaft gibt? „Nein, ich werde das ganz normal gestalten“, sagt die 26-Jährige im Gespräch mit der Wasserburger Zeitung und grinst. Aktuell unterrichtet sie zwei achte Klassen, eine Neunte kommt demnächst dazu.

Realschule Wasserburg wurde ihr zugeteilt

Sie ist im ersten Jahr und hatte Glück mit ihrem Einsatzort. Der kann für bayerische Lehrer nämlich im ganzen Bundesland sein. Doch in Wasserburg lebt die Familie ihres Mannes.

„Die Realschule Wasserburg wurde mir glücklicherweise zugeteilt. Sie war allerdings auch die Schule, die einigermaßen barrierefrei ist“, sagt die junge Frau, die mit einer inkompletten Querschnittslähmung zur Welt kam und seit 2009 komplett auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Das Handicap hat die zierliche Ex-Profi-Sportlerin noch nie aufgehalten. „Ich wusste, dass alles geht, nur anders“. So fuhr sie Monoski statt Ski, wie sie im Interview mit dem Münchner Merkur in dieser Woche erklärte und ihren Rücktritt bekannt gab.

Mittelalterpflaster ist „a bissl blöd“ mit dem Rolli

Nun unterrichtet sie Mathe sowie Wirtschaft und Recht – in der Wasserburger Altstadt. Das Kopfsteinpflaster stört sie nicht. Es gebe nur ein paar Ecken, an denen sie sich mit dem Rollstuhl etwas mehr anstrengen müsse. Das feine Pflaster sei kein Hindernis. „Das buckelige und holprige Mittelalterpflaster ist ein bissl blöd, da braucht man schon etwas mehr Kraft, aber das sind nur ein paar Teilstücke. An sich ist die Barrierefreiheit hier gar nicht so schlecht“, stellt sie fest.

Anna Schaffelhubers Goldlauf bei den Winterspielen 2018 in Pyeong Chang

Das gelte auch für ihre Schule. Interessanterweise ist der Altbau fast komplett barrierefrei – bis auf zwei Zimmer kann Anna Schaffelhuber alle Räume erreichen, dank Lift. Der Neubau fällt leider durch. „Als ich hörte, dass hier der Aufzug nie eingebaut wurde, dachte ich nur: Hä?“, erzählt sie.

Inklusion? Da muss noch einiges passieren, sagt Anna Schaffelhuber

Über verschlungene Umwege durch den alten Trakt komme sie auch im Neubau zurecht.

Als Betroffene sieht Anna Schaffelhuber das Thema Inklusion „auf einem guten Weg. Sie findet heute deutlich mehr statt, als noch vor einigen Jahren“. Auch werde mehr in der Gesellschaft darüber gesprochen, wie man Menschen mit Behinderung gleichberechtigt behandelt. „Aber am Ende des Tages fehlen die Taten, die den Worten folgen müssen. Dreh- und Angelpunkt ist die Barrierefreiheit“, sagt Schaffelhuber. Es fehle so sehr an Rathäusern, Theatern oder etwa Kinos, die baulich so gestaltet sind, dass sie uneingeschränkt nutzbar und zugänglich seien. „Da muss noch viel passieren und ich sehe davon einfach zu wenig“, so die 26-Jährige. Natürlich könne man nicht alle öffentlichen Einrichtungen von heute auf morgen umbauen und umrüsten, sei ihr klar.

Schaffelhuber veranstaltet "Grenzenlos-Camps" für Kinder mit Behinderung

Ihr Beitrag, den sie als Ex-Paralympics-Star leisten will, ist Kinder mit und ohne Behinderung in den „Schaffelhuber Grenzenlos Camps“ zusammenzubringen. Die fünftägigen Camps mit Erlebnischarakter richten sich an 14- bis 17-Jährige, die miteinander Sporteln und Neues ausprobieren, voneinander lernen. „Wir wollen ihr Selbstbewusstsein und ihre Persönlichkeit stärken.“ Wichtig sei ihr auch das Thema „Medien“. Die sportlichen Aktivitäten im Camp werden medial begleitet. Die jungen Leute können unter professioneller Anleitung fotografieren und filmen und auch dabei ihrer Kreativität freien Lauf lassen. „Sie merken dann schnell, dass man jemanden in Rollstuhl aus einer anderen Höhe filmt, als einen, der steht“, erklärt Schaffelhuber.

Der Super-G Lauf von Anna Schaffelhuber bei den Winter-Paralympics in Sotschi

Im kommenden Jahr finden wieder drei Grenzenlos-Camps statt. Die Jugendlichen können sich jetzt bewerben. Die Teilnahme ist kostenlos und wird über Sponsoren finanziert. Einzige Voraussetzung: „Sie müssen eine gewisse Grundselbstständigkeit mitbringen, um die Aktivitäten mitmachen zu können“, erklärt die Sportlerin.

Anna Schaffelhuber kennt Berührungsängste der Kommilitonen

Als Kind hätte sie so ein Angebot gut brauchen können. Ferienfreizeiten gab es nur für behinderte und nicht behinderte Kinder getrennt. Das Miteinander, der Brückenbau fehlte ihr. Als Kind ging sie in Niederbayern in die Regelschule. „Mir selbst fiel nicht so sehr auf, dass ich anders war. Erst später, als ich in München an der LMU studierte, bemerkte ich, dass die Kommilitonen Berührungsängste hatten“, erinnert sich die angehende Lehrerin.

Jetzt, nachdem sie ihre Sport-Karriere beendet hat, wird ihr sicher nicht langweilig. In Sachen Unterrichtsvorbereitung habe sie gut zu tun und baue sich einen Grundstock an Lehrmaterial für die Mathe- und Wirtschaftsstunden auf.

Zwar habe sie schon zahlreiche Vorträge gehalten – vor vielen Menschen. „Aber, dass ich nun an der Stelle bin, jemanden aufzurufen, Fragen zu stellen, das ist noch neu für mich.“

Ungewohnt für die Paralympics-Sportlerin, in dieser Jahreszeit daheim zu sein

Entschleunigen nach der Profikarriere war noch nicht möglich. „Ich hatte noch so viel rund um mein Karriereende zu tun.“ Jetzt muss sie erst einmal ankommen in einem neuen Rhythmus, der nicht vom Training bestimmt ist. Zwölf Jahre lang gab es für sie nicht viel anderes. Üblicherweise begannen die Saisonvorbereitungen Ende August. „Es ist total ungewohnt, diese Jahreszeit daheim zu verbringen und im November noch nicht im Schnee gewesen zu sein. Im Dezember kam ich am 23. heim, feierte den 24. mit der Familie und war spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag wieder weg“, erzählt sie.

Anna Schaffelhuber im Jahr 2016 über ihre sportliche Karriere

Nun kann sie sich auf das Fest mit der Familie vorbereiten, dass sie und ihr Mann bei ihren Eltern in der Nähe von Landshut verbringen wird. Im Januar ist der Einzug ins neue Eigenheim in Kolbermoor geplant. „Wir werden wohl schon in den Weihnachtsferien ein paar Sachen hinfahren, aber das meiste im neuen Jahr in Ruhe machen“.

Ab und zu Glühwein und Plätzerl

Zeit für andere Hobbies hatte die Paraskifahrerin bisher kaum. So freut sie sich, mit der Nähmaschine kreativ sein zu können. „Ich muss mich da erst wieder reinfuchsen. Meine Mama kann das sehr gut und hat mir das Nähen beigebracht, als ich jünger war“. Bisher habe sie kleinere Geschenke für Freunde genäht, etwa Babysachen.

„Nein, eigener Nachwuchs ist noch nicht im Anmarsch“, sagt sie lachend auf Nachfrage. Ja, sie will Familie, aber sich Zeit lassen. „Ich fühle mich da überhaupt nicht gestresst“, sagt sie augenzwinkernd.

Ab und zu wird sie sicherlich noch Monoski fahren und auch immer sportbegeistert bleiben, ist sie überzeugt. Und auch auf gesunde Ernährung achten. „Aber ab und an ein Glühwein und Plätzerl, das gehört dazu, man muss ja auch Mensch sein dürfen.“

Bayerischer Verdienstorden für Anna Schaffelhuber

Den Bayerischen Verdienstorden wird Ministerpräsident Markus Söder am 3. Dezember in München unter anderem an die Athletin Anna Schaffelhuber verleihen. Es ist eine hohe Auszeichnung für die Sportlerin, da die Zahl der lebenden Ordensträger auf 2000 begrenzt ist.

Gemeinsam mit Anna Schaffelhuber werden der Fußballprofil Thomas Müller, die Deggendorfer Ex-Oberbürgermeisterin Anna Eder und Landtagsvizepräsident Thomas Gering mit dem bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

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