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Energiewende in einer historischen Stadt wie Wasserburg: Schluss mit „geht nicht“

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Von: Heike Duczek

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Hauseigentümer in einer historischen Altstadt wie Wasserburg tun sich nach wie vor schwer bei Anträgen auf Photovoltaik- und Solaranlagen. Doch Wasserburg geht das Genehmigungsproblem an.
Hauseigentümer in einer historischen Altstadt wie Wasserburg tun sich nach wie vor schwer bei Anträgen auf Photovoltaik- und Solaranlagen. Doch Wasserburg geht das Genehmigungsproblem an. © John Cater

Wasserburger Hauseigentümer wie Markus Pöhmerer lassen sich nicht unterkriegen in ihrem Bemühen, auch in einer historischen Altstadt Photovoltaik auf Gebäuden zu installieren. Jetzt gibt es neue Hoffnung.

Wasserburg – Er hat sich vorgenommen, die Energiewende zu beschleunigen: Am Dienstag stellte der neue Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) seine ehrgeizigen Pläne vor. Im Fokus neben dem Ausbau der Windkraft: Photovoltaikanlagen, im Idealfall auf jedes Haus. Das ist in einer historischen Stadt wie Wasserburg einfacher gesagt als getan.

Ziel: „nicht nur reden, sondern machen“

Markus Pöhmerer blickt mit Spannung Richtung Berlin: Wird es gelingen, den Turbo einzuschalten bei der Energiewende? Der Wasserburger hat da so seine Erfahrungen gemacht – eher negative.

2019 drückte Markus Pöhmerer (links) gemeinsam mit Bürgermeister Michael Kölbl den Startknopf für das erste Wärmecontracting, ein „Leuchtturmprojekt“ einer Eigentümergesellschaft mit den Stadtwerken.
2019 drückte Markus Pöhmerer (links) gemeinsam mit Bürgermeister Michael Kölbl den Startknopf für das erste Wärmecontracting, ein „Leuchtturmprojekt“ einer Eigentümergesellschaft mit den Stadtwerken. © Klemm

Denn der Hauseigentümer ist bisher oft gescheitert mit seinen Plänen für Photovoltaikanlagen auf Dächern in der Stadt. Dabei hatte er die Eigentümergemeinschaft für ein Anwesen am Knoppermühlweg/Neustraße hinter sich: Einstimmig unterstützten die 55 Eigentümer Pöhmerers Vorhaben, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Doch der Antrag wurde nicht genehmigt, obwohl die Anlage nur von der Rampe aus zu sehen gewesen sei, wie Pöhmerer betont. Die Photovoltaik auf dem Dach störe das Bild der unter Ensembleschutz stehenden Altstadt und widerspreche der Gestaltungssatzung, hieß es zur Begründung der Genehmigungsbehörden.

Trotzdem lässt sich Pöhmerer, der für den Wasserburger Block im Stadtrat sitzt, nicht unterkriegen.

Denn er hat auch schon Erfolge verbucht: Auf dem evangelischen Gemeindehaus konnte er als Vorsitzender des Fördervereins der Kirchengemeinde eine Photovoltaik- und Solaranlage installieren lassen. Für ein Haus am Weberzipfel will seine Familie es erneut probieren mit einer Photovoltaikanlage in der Altstadt. Außerdem hat Pöhmerer gemeinsam mit den Stadtwerken ein Blockheizkraftwerk in einem 54-Parteiengebäude realisiert.

Kritik an Bürokratie

„Nicht reden – machen“ lautet sein Motto. Doch Pöhmerer stößt immer wieder an seine Grenzen, wenn er die Energiewende privat als Immobilienbesitzer umsetzen möchte. Das liegt nicht nur an der besonderen Lage der Gebäude in oder am Rande einer historischen Altstadt, betont er. Zu umständlich seien die Antragswege, zu bürokratisch und aufwendig die Abrechnungsformalitäten, stellt Pöhmerer immer wieder fest. Aufgabe der neuen Bundesregierung sei es deshalb, die Bürokratie rund um die Energiewende abzubauen.

Mut macht Pöhmerer die Tatsache, dass der Stadtrat beschlossen hat, den Spagat zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz anzugehen. Wasserburg ist, wie berichtet, Modellstadt in Bayern im Bemühen, aufzuzeigen, dass es geht. Dafür sollen Musterhäuser ausgesucht werden, auf denen Eigentümer, Stadtverwaltung und Denkmalbehörde zeigen, wie es klappen kann.

Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann freut sich, dass die Resonanz in der Bevölkerung bereits jetzt groß ist. Die ersten sieben Bürgerinen und Bürger haben sich schon gemeldet und ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet. Derzeit erarbeitet die Stadt nach Herrmanns Angaben gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege eine Vereinbarung, die Aussagen zu den Förderkriterien machen. Es gehe darum, festzulegen, welche Gebäude sich unter welchen Bedingungen eignen würden, so Herrmann.

Grundsätzlich steht fest: In Frage kommen Häuser und Objekte in der Altstadt, die unter Ensembleschutz steht. Hier sollen Musteranlagen für erneuerbare Energien entstehen – Photovoltaik, Solar, kleine Blockheizkraftwerke. Als Beweis dafür, dass sich solche Anlagen auch in einer Stadt mit Bausubstanz aus dem Mittelalter harmonisch integrieren lassen.

Großes Interesse an Musterobjekten

Bayernweit gilt dieses Vorhaben in Wasserburg als Modell mit Vorbildcharakter. Wasserburg könnte Schule machen, wenn es darum geht, die Energiewende mit dem Denkmalschutz zu vereinen. Das galt bisher oft als unmöglich, als „Spagat mit großem Konfliktpotenzial“, wie die Stadtbaumeisterin betont. Doch auch sie will nicht nachgeben im Bemühen, die Ziele Klima- und Denkmalschutz zusammenzubringen. „Es muss möglich sein, beidem gerecht zu werden“, findet Herrmann. „Geht nicht, das geht nicht“, sagt sie – eine Aussage, die auch Pöhmerer teilt, ebenso wie der ganze Stadtrat.

Er hatte sich auf Antrag der Grünen der Frage gewidmet, wie die Gestaltungssatzung geändert werden kann, um mehr Photovoltaikanlagen auf den Dächern in der Altstadt zu realisieren. Der Bauausschuss hatte sich dazu umfangreich beraten, sogar der Chef des Landesamts für Denkmalpflege war nach Wasserburg gereist, um Stellung zu nehmen. Es gab Workshops mit Bürgern, aus denen heraus die Entscheidung des Stadtrates fiel, sich als Modellstadt anzubieten – mit Erfolg. Jetzt soll es bald in die konkrete Umsetzung mit Bewerbungsmöglichkeit für Hauseigentümer gehen.

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