Nach Dammrutsch: Fahrgastverband Pro Bahn warnt eindringlich
„Katastrophe für den Bahnverkehr“: Wird die Sperrung bei Ramerberg zum Endlos-Zustand?
- VonHeike Duczekschließen
Brennende Züge, krasse Verspätungen: In diese Krisenzeit der Südostbayernbahn passt der Dammrutsch bei Ramerberg wie die Faust aufs Auge. Die Wiederinbetriebnahme zwischen Wasserburg und Rott ist erneut verschoben worden. Warum Pro-Bahn-Sprecher Norbert Moy vor gravierenden Folgen warnt.
Ramerberg/Rott/Wasserburg/Mühldorf - Mit großer Sorge beobachtet Norbert Moy, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn in Oberbayern, die Lage an der Bahnstrecke zwischen Wasserburg und Rott. Wenn eine Stilllegung mehr als einige Wochen dauere - hier sind es nun seit dem 26. September schon über vier Monate -, „dann besteht die Gefahr, dass wir viele Menschen für die Eisenbahn verlieren“. Will heißen: Die genervten Kunden steigen um aufs Auto und gewöhnen sich so sehr daran, dass der Zug für den Zug für sie lange Zeit oder gar für immer abgefahren ist. „Das können wir den Betroffenen nicht verdenken“, sagt Moy, auch deshalb sei der Dammrutsch bei Anger (Ramerberg) ein in Bezug auf das Streckennetz in Deutschland zwar kleines Ereignis - aber mit großer Negativwirkung. „Eine Katastrophe für den Bahnverkehr, eine fatale Geschichte“, nimmt der Pro-Bahn-Sprecher kein Blatt vor den Mund.
Ihn wundern die Verzögerungen bei den Sanierungen nicht, die die Bahn mit umfangreichen Bodenuntersuchungen und schwierigen Arbeiten am Damm begründet. „Wir beobachten seit Jahren, dass es auch auf sekundären Strecken oft zu Reparaturen kommt, die auf den ersten Blick betrachtet in wenigen Tagen erledigt sein sollten, sich dann aber extrem hinziehen.“ Das hat nach Meinung von Moy mehrere Gründe: Die Strecke Mühldorf-Rosenheim ist 150 Jahre alt. Da könne es in der Tat zu Problemen kommen - eine Folge der Zeit, die an den Anlagen genagt habe. Die Prioritäten der Bahn bei Sanierungen lägen außerdem klar auf den Haupt- und nicht auf Nebenstrecken, auch deshalb könne es dauern. Außerdem habe auch die DB mit Baufirmen zu kämpfen, die aufgrund von Personal- und Materialmangel nicht zeitnah arbeiten könnten.
„Ein Stück Salami-Taktik“
„Wir stellen immer wieder fest, dass die DB Netz nicht in der Lage ist, kurzfristig Reparaturen in Angriff zunehmen. Wir würden uns mehr Leitungsfähigkeit wünschen“, sagt Moy. „Wenn es um Straßen gehen würde, ginge es schneller“, ist er überzeugt. Die Tatsache, dass die Bahn mehrfach die Wiederinbetriebnahme der Strecke zwischen Wasserburg und Rott terminlich nach hinten geschoben hat - aktueller Zeitpunkt: 26. Mai - ist für ihn ein „Stück Salami-Taktik“. Der Pro-Bahn-Vorsitzende von Oberbayern findet: „Wir brauchen dringend eine präventive Instandhaltung bei den Bahnstrecken, damit nicht immer nur dann reagiert wird, wenn es schon zu spät ist.“
Moy: Bahn hängt im Notfallmanagement fest
Derzeit stelle er fest, auch angesichts weiterer ähnlicher Fälle, dass die Bahn vor allem im Notfallmanagement festhänge, es fehle eine Langfristplanung. Dies sei auch eine Folge der Mehdorn-Zeit. Der frühere Bahn-Chef habe diese auf die Börse hin getrimmt. Viele Streckenmeistereien seien in dessen Vorstandszeit eingedampft worden, damals sei lange Zeit wenig gemacht worden in punkto Sanierungen. Das habe sich jetzt zwar geändert, trotzdem müssten die Folgen nach wie vor ausgebadet werden.
Die Route zwischen Mühldorf und Rosenheim hat in den Augen von Moy eine große Bedeutung für die Region, auch wenn sie nur eingleisig ist. „Aus unserer Sicht wäre es sogar eine potenzielle Strecke für den Brennerbasis-Nordzulauf.“ Die Verbindung habe große Radien, nur wenige Steigungen, sie sei deshalb durchaus geeignet für mehr als nur den Personennahverkehr, so Moy. Er warnt außerdem ausdrücklich, die Situation mit der Streckenstilllegung auf die leichte Schulter zu nehmen. Schließlich habe ein Dammrutsch vor 35 Jahren auch der Altstadtbahn Wasserburg den Garaus gemacht. Die Stilllegung sei nie wieder aufgehoben worden, einziger Trost: keine Entwidmung.
Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl: „Wichtiger Knotenpunkt“
„Wasserburg ist ein kleiner, aber wichtiger Knotenpunkt beim Bahnverkehr Richtung München und Mühldorf“, findet auch Bürgermeister Michael Kölbl. Derzeit sei die Stadt für viele Fahrgäste abgeschnitten, vor allem für jene, die beispielsweise Behördengänge in Rosenheim zu erledigen hätten. Trotzdem hat Kölbl die erneute Verzögerung bei den Plänen für die Wiederaufnahme des Betriebs auf der Strecke nicht gewundert: „Als Bürgermeister mit viel Bauerfahrung habe ich es erwartet“, sagt er seufzend. Nun heiße es hoffen, dass es bis zum 26. Mai wirklich klappe.
Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl: wichtige Bahnverbindung
Auch die vielen Fahrgäste, die von Mühldorf und Waldkraiburg aus Richtung Wasserburg und Rosenheim pendeln, weil sie dort ihren Arbeitsplatz haben, müssen sich weiter gedulden. Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl betont, generell sei es für Mühldorf als Linienstern wichtig, dass die Bahnverbindungen in die vielen hier zusammenlaufenden Richtungen allesamt befahrbar seien und die Vernetzung bestmöglich funktioniere. „Darauf dringen wir auch konsequent, wenn es um Ausbau und Instandhaltung unserer Verkehrsinfrastruktur geht. Dabei ist uns selbstverständlich bewusst, dass im Schienennetz um uns herum immer wieder Bauarbeiten nötig sind und mit temporären Einschränkungen einhergehen“, räumt Hetzl ein. Die technischen Zusammenhänge müsse in diesem Fall die Bahn beurteilen. „Dass es ab und zu länger dauert als gedacht, lässt sich letztlich nicht vermeiden. Wir in Mühldorf haben uns inzwischen daran gewöhnt“, sagt er mit einem Schuss Resignation.
Ramerbergs Bürgermeister: „Situation erschwert den Alltag“
„Die betreffende Bahnstrecke ist außerordentlich wichtig für unsere Ramerberger Bürgerinnen und Bürger. Viele davon sind unmittelbar auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die Situation ist für alle Beteiligten nicht erfreulich und erschwert den Alltag“, ärgert sich auch Ramerbergs Bürgermeister Manfred Reithmeier. Im Ortsteil Anger hatte sich der Hangrutsch ereignet, der Auslöser der umfangreichen Bauarbeiten war. „Die Gemeinde Ramerberg unterstützt die Bahn in jeglicher Hinsicht, damit die Bahnstrecke möglichst zügig und ohne weitere Verzögerungen wieder in Betrieb genommen werden kann“, verspricht Reithmeier.
Doch die Arbeiten gestalten sich viel schwieriger als ursprünglich gedacht. Grund sind extrem schwierige Bodenverhältnisse. Die Bahn muss nach eigenen Angaben nicht nur Massen von Erdreich bewegen, sondern auch zur Befestigung des Hangs Bohrpfähle einbringen. Vor Ort ist davon bisher wenig zu sehen: Eine Baustraße wurde erstellt, Bäume sind gefällt und die Gleise an der Stelle, an der der Damm weggebrochen war, sind entfernt worden.