Erinnerungen an manch verwegene Geschichte
„De wuidn Weiba“ von Ramerberg: „Man nannte uns das Bermuda-Dreieck“
- VonPetra Maierschließen
Was haben Flascherlsuppen und Regenschirme mit der Gründungszeit des SV Ramerberg vor 70 Jahren zu tun? Eine illustre Damenrunde im Gasthaus Bichler kennt die Antwort.
Ramerberg – Jeden Montagnachmittag treffen sich die neun Damen zum Kaffeetrinken bei ihrem Vereinswirt: Mucki Hackenberg, Christa Brummer, Lina Schwedler, Hildegard Dasch, Fanny Dasch, Rosemarie Maier, Rosa Scherfler, Inge Wegerbauer und Hildegard Süßmaier. Emma Follner, Nelli Dorfmeister und Gunda Deutsch fehlen in der Kaffeerunde. Sie sind bereits verstorben, sollen aber auf Wunsch der Anwesenden an dieser Stelle mit aufgezählt werden, weil sie in ihren Herzen immer dabei sind.
Die meisten der Damen, die heute im Alter zwischen 90 und 74 Jahren sind, begleiten den SV Ramerberg bereits seit vielen Jahrzehnten. Mucki Hackenberg ist seit 60 Jahren dabei. Sie schildert die Anfänge: „Ich war ja noch gar nicht verheiratet, da bin ich schon mit dem Motorrad zum Platz gefahren“, erinnert sie sich.
Heiße Diskussionen am Spielfeldrand
Am Spielfeldrand war sie nicht allein. Auch die meisten anderen der Damen, die sich an ihrem „Heiligen Montag“ beim Bichler treffen, versammelten sich regelmäßig an der Seitenlinie, um die Fußballer anzufeuern. „Was hätten wir sonst auch sonntags tun sollen“, lachen sie. So aber packten sie ihre Kinder in die großen Kinderwagen und vergaßen dabei auch den Regenschirm nicht. „Bei einigen Diskussionen am Spielfeldrand konnte so ein Knauf vom Regenschirm schon mal die Argumente gegenüber dem Schiedsrichter oder den Fans der gegnerischen Mannschaft verdeutlichen“, lachen die Frauen an der Kaffeetafel. Die Mucki halte übrigens den Rekord, verrät eine ihrer Mitstreiterinnen: „Sie wurde zweimal vom Platz gestellt.“
Mucki Hackenberg fügt sofort an: „Wir haben wirklich alles gemacht, aber nie jemandem einen Schaden zugefügt“ und erntet dafür eifriges Kopfnicken in der Runde.
Spaß wird bei den Damen seit jeher großgeschrieben. Seit mehr als 40 Jahren treffen sie sich nun, schätzen die Freundschaft ihrer Mitstreiterinnen von damals und kennen inzwischen auch all ihre Macken. Doch die sind in dieser Runde an diesem Tisch nicht wichtig. Hier zählen vor allem die Stichworte aus der Vergangenheit, die mal die eine, mal die andere zwischen zwei Kuchenbissen ganz unvermittelt in den Mund nimmt und damit bei all den anderen Frauen ein „Ja, genau, so war das, ich erinner mich gut“ hervorruft – immer verbunden mit einem herzhaften Lachen.
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Als wäre es gestern gewesen, wissen sie noch genau, wer wann und wo einen Rausch hatte und wer als Letzte vom Fest heimgegangen ist. Die gemeinsame Erinnerung an manch verwegene Geschichte, schweißt die neun Damen bis heute fest zusammen.
Unvergessen sind dabei auch die Nachfeiern der unzähligen Fußballspiele. Bei einem Sieg kehrten die Frauen gern mit ihren Männern beim Bichler ein. Für die Kinder wurden dann in der Gasthausküche Flascherlsuppen aufgewärmt, im Saal wurde ausgiebig gefeiert. „Und wenn der Wind recht gegangen ist, konnten wir einfach noch nicht heimgehen“, erinnert sich eine der Damen und gluckst vor Lachen. Hatten die Männer jedoch verloren, dann gingen die Frauen gleich heim und überließen sie ihrem Kummer, den sie dann ganz allein beim Wirt bekämpfen mussten.
Theatergruppe und Gaudibalett
Doch nicht nur neben dem Fußballfeld waren die Ramerberger Frauen aktiv. Auch die Theatergruppe des SV Ramerberg wurde von Mucki Hackenberg gegründet. „Der Münchner im Himmel“ mit dem „boanigen Engerl“, dem Hans Peter Kleiner, genannt Jessy, und die Bettelhochzeit mit Adi Kurzmaier als Braut und Georg Dasch als Bräutigam sind den Damen noch gut in Erinnerung. Die Ideen gingen ihnen scheinbar nie aus und die Lust am Feiern auch nicht. „Dabei war auch Maria Niggl immer eine treibende Kraft“, erinnert sich Mucki Hackenberg.
Weihnachten, Fasching, all die schönen Feste im Saal im ersten Stock rufen sich die Frauen am Kaffeetisch in Erinnerung. Ihr Enkel, so erinnert sich Rosa Scherfler habe mal zu ihr gesagt: „Oma, was ihr früher alles gemacht habt, das macht heute keine mehr.“
Vom Sportlerball sei man nie vor fünf/sechs Uhr in der Früh heimgekommen“, beschwören die neun Damen am Kaffetisch weiter. Der Wirt sei dann oft schon ins Bett gegangen, hätte aber freundlicherweise ein kleines Fenster als Notausstieg stets offen gelassen.
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Inzwischen klettert da keine der nach wie vor aktiven Damen mehr durch, aber in Gedanken sind sie zumindest jeden Montag wieder mitten drin. Ihre gemeinsamen Aktivitäten aus vergangenen Tagen wirken bis heute nach, sind ein festes Bindeglied geworden. Wenn eine einen Rat oder Hilfe braucht, dann sind die anderen zur Stelle. „Rosa ist unser Taxi. Wenn eine zum Arzt muss, dann fährt Rosa sie dorthin. Und wenn sie nicht kann, dann springen Mucki oder Hildegard ein.“ Darauf ist Verlass, das wissen hier alle.
Manches Schöne wurde mit dem Auto transportiert
Ein Auto war zur Gründungszeit des SV Ramerberg noch etwas besonderes – umso mehr, wenn es eine besondere Fuhre transportierte. Christa Brummer zauberte in den 80-er Jahren aus dem Kofferraum ihres Autos heißen Kaffee und schmackhafte Semmeln hervor. Fast 15 Jahre versorgte sie Sportler und Zuschauer mit ihrer hausgemachten Stärkung.
Etwas anderes kutschierte Hildegard Süßmaier: Eine Weile gab es in Ramerberg unter ihrer Leitung eine Damenmannschaft im Fußball. „Ich habe damals viele Mädels in meinem kleinen ‚Prinz‘, zu den Spielen gefahren. Da konnten sich bis zu acht Spielerinnen reinzwängen, aber am Berg mussten immer einige aussteigen und den ‚Prinz‘ anschieben,“ beschreibt sie.