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„Ich sehe jedes Jahr 15 Tote“ - Rosenheimer Wasserwachtler warnt vor Kurzschlussreaktionen

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Von: Paula L. Trautmann

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Die Feuerwehr musste Hund und Herrchen aus dem Becken des Kraftwerks in Ebbs retten. Nach Angaben von Andreas Kunert, Einsatzleiter der Kreiswasserwacht Rosenheim, passiert so etwas immer wieder.
Die Feuerwehr musste Hund und Herrchen aus dem Becken des Kraftwerks in Ebbs retten. Nach Angaben von Andreas Kunert, Einsatzleiter der Kreiswasserwacht Rosenheim, passiert so etwas immer wieder. © Roland Schmidt/Kreiswasserwacht Rosenheim

Bei dem Versuch, seinen Hund aus dem Inn auf Höhe Ebbs zu retten, geriet ein 71-Jähriger selbst in Not. Wie gefährlich und teuer solche Aktionen werden können, weiß Andreas Kunert (48), Einsatzleiter des Wasserrettungsdienstes Rosenheim. Der Experte gibt Tipps, was in der Not zu tun ist.

Ebbs/Rosenheim – Der Spaziergang eines 71-jährigen Niederndorfers wurde am Dienstag, 20. September, zum Albtraum. Sein Golden Retriever stürzte in das Becken des Kraftwerks in Ebbs. Der Mann alarmierte die Feuerwehr Ebbs und seilte sich nach Angaben der Polizei mit einer Leine ab, um seinen Hund aus dem eiskalten Innwasser zu retten. Das ist ihm aufgrund der glitschigen und steilen Böschung nicht gelungen. Der Mann konnte sich selbst nicht mehr retten. Die Feuerwehr Ebbs war mit 15 Mann und drei Fahrzeugen im Einsatz und übernahm die Bergung von Hund und Herrchen. Beide erlitten eine Unterkühlung.

Todesopfer vor drei Jahren in Vagen

Nach Angaben von Andreas Kunert, Einsatzleiter der Kreiswasserwacht Rosenheim, kommen solche Fälle ein- bis zweimal pro Jahr im Landkreis Rosenheim vor. „Besonders Hunde springen schnell irgendwo rein“, sagt er. In Vagen sei ein Mann vor drei Jahren im Stauweiher gestorben, weil er seinen Hund hatte retten wollen. Dem Tier habe die Kreiswasserwacht noch helfen können, es habe sich am Uferbereich festgehalten. Das Herrchen sei untergegangen.

„Die Leute unterschätzen die Wassertemperatur“, sagt Kunert. Vor allem an Flüssen oder auch in dem Fall am Inn-Kraftwerk in Ebbs sei das ein Problem. Aktuell betrage die Wassertemperatur am Kraftwerkt nur acht bis zehn Grad. Im Winter werde das Wasser noch kälter. „Der Körper kühlt im Wasser extrem schnell aus und die Muskeln ziehen sich zusammen. Der Mensch ist dadurch bewegungsunfähig.“

Die Tiere sind wie Kinder für die Besitzer

Oft gerieten ältere Personen in solche Notsituationen - das sei auch der Fall am Stauweiher in Vagen, an der Mangfall in Bad Aibling und nun am Kraftwerk in Ebbs gewesen. „Sie springen ihren Kindern nach“, sagt Kunert. Die Tiere seien oft wie ein Kind für die Besitzer. Doch solche Aktionen sind gefährlich. Denn die meisten Menschen vergessen dem Einsatzleiter zufolge, einen Notruf abzusetzen. „Die Hilfe ist in kürzester Zeit da - sei es Feuerwehr, Polizei oder Wasserrettung“, betont Kunert. Sein Tipp: sofort den Notruf wählen, nicht selbst handeln und dem Tier wenn dann einen Stock reichen oder etwas, an dem es sich festhalten kann. Fehlverhalten führe im schlimmsten Fall zum Tod.

„Auf keinen Fall den Tieren nachspringen“, sagt Kunert. Er habe nur zweimal mitbekommen, dass ein Hund nicht überlebt hat. Einer sei unter eine Eisplatte gekommen und dann gestorben. Aber unter normalen Verhältnissen kämen die Tiere immer aus dem Wasser oder könnten sich festhalten, bis die Feuerwehr oder Wasserwacht kommt. „Die Hunde können sich meistens selbst retten, die Personen eher weniger“, weiß der Einsatzleiter aus Erfahrung.

30 Jahre Erfahrung durch Einsätze

Andreas Kunert ist seit 30 Jahren bei der Wasserwacht, seit 20 Jahren Einsatzleiter und zudem im Katastrophenschutz Bayern tätig. „Ich sehe jedes Jahr 15 Tote“, sagt er. Die Menschen zu bergen, das sei seine Aufgabe. Er versuche, das nicht an sich heranzulassen. Durch die Erfahrung im Beruf sei das kein großes Problem mehr, dennoch seien solche Vorfälle tragisch.

Spaziergänger meiden die Kraftwerke Kunert zufolge aber ohnehin meist, sowohl in Vagen, als auch am Mangfallkanal oder an anderen Flüssen. Doch wie gefährlich ist es, wenn jemand in das Becken springt? „Das kommt darauf an, wie weit die Person von dem Kraftwerk entfernt ist“, erklärt der Experte. Bei dem Rosenheimer Kraftwerk am Inn staue sich das Wasser ab der Autobahn zurück und werde langsamer. 20 Meter vor dem Werk könne ein Mensch aufgrund der Unterströmungen aber schnell eingesogen werden. Es komme auch darauf an, ob die Schleusen halboffen, vollständig geöffnet oder geschlossen sind. „Aber wenn Personen ums Leben gekommen sind, landen sie natürlich irgendwann im Kraftwerk.“

„Wenn der Hubschrauber kommt, wird es teuer“

Wer sich bewusst in Gefahr begibt und in einer Notsituation gerettet werden müsse, müsse die Rechnung manchmal sogar selbst bezahlen. Zwischen 500 und 1000 Euro koste ein Einsatz wie am Kraftwerk Ebbs. „Wenn der Hubschrauber kommt, wird es teuer“, sagt Kunert. Im Landkreis Rosenheim sei sofort der Hubschrauber vor Ort, aus der Vogelperspektive habe der Pilot eine bessere Übersicht und das Opfer könne schneller gefunden werden.

Wer grob fahrlässig handelt, muss zahlen

Zahlen müssen die Personen Kunert zufolge aber nur, wenn sie grob fahrlässig handeln. „Etwa wenn jemand betrunken in ein Gewässer fährt und die Wasserwacht die Person und das Auto bergen muss.“ Oder wenn es eine Sturmwarnung gibt und jemand dennoch mit dem Stand-Up-Paddle auf den See fährt.

Dem 71-Jährigen, der seinen Hund retten wollte, hätte Kunert allerdings, wenn es in seinem Bereich vorgefallen wäre, keine Rechnung geschickt.

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