Zu Gast in Rosenheim
Wie relevant ist die Kirche zukünftig? Der Landesbischof hat eine klare Antwort
- VonJohannes Thomaeschließen
„Ich traue mich zu sagen: Die Kirche hat eine große Zukunft.“ Das war das Schlusswort einer Predigt, die der evangelische Landesbischof Professor Heinrich Bedford-Strohm am Mittwoch, 8. März, in der Rosenheimer Erlöserkirche gehalten hatte. Warum er diese Aussage ganz bewusst traf.
Rosenheim – Im vergangenen Jahr haben 48. 542 Menschen die evangelische Kirche verlassen, so Bedford-Strohm in seiner Predigt. Von einem zeigt er sich überzeugt: „An dem, was Kirche und christliches Denken im ureigentlichen Sinn ausmacht, besteht heute mehr Bedarf denn je." Für ihn besteht diese „christliche DNA“, wie er es nannte, in dem Bemühen um Offenheit gegenüber den Mitmenschen, die Bereitschaft sich um andere zu kümmern und sie damit anzunehmen. Deshalb sagt er ganz bewusst, dass die Kirche Zukunft hat.
Zuhören und helfen ist wichtig
„Es geht beim Kümmern nicht zuletzt um jene, denen es gerade nicht gut geht: Sich nicht genervt zu zeigen, wenn jemand nicht optimal funktioniert, weil er Probleme oder auch nur eine andere Meinung hat, sondern ihm zuzuhören und dort, wo es geht, zu helfen.“ So ein Verhalten ist nach Ansicht des Landesbischofs entscheidend für die Zukunft der Gesellschaft. Ob es praktiziert werde, sei dann eigentlich keine Frage der bloßen Zahl der Kirchenangehörigen. Wesentlich sei vor allem, dass dieses Denken im gesellschaftlichen Diskurs, aber auch im alltäglichen Miteinander noch eine Rolle spiele.
Genau um diese Frage, die Frage nach der Rolle, der Bedeutung und der Aufgabe der Kirche in der heutigen Gesellschaft ging es auf einer Podiumsdiskussion im Anschluss an den Gottesdienst. Diskussionsteilnehmer waren neben dem Landesbischof, Alexandra Burgmeier als SPD-Kreisfraktionsvorsitzende, Antonia Heil als Sprecherin der Grünen Jugend, Andreas Nickl von Radio Charivari als Vertreter der Medien und Landrat Otto Lederer, moderiert wurde das Gespräch von Dekanin Dagmar Häfner-Becker.
Für Bedford-Strohm muss die Frage nach der Relevanz der Kirchen differenziert beantwortet werden. Wenn es ans Eingemachte gehe, um grundlegende Fragen des Umgangs miteinander, dann gäbe es in unserer Gesellschaft wenig andere Institutionen, die die Fahne der Ethik ähnlich hochhielten, wie die Kirchen. Ein Problem sei aber, dass ihre Stimme zu einer von vielen werde im immer größer werdenden Chor der sozialen Medien.
„Erschreckend und fatal“
Landrat Otto Lederer fasste diese Aussage noch weiter und brachte sie schärfer auf den Punkt: „Es ist erschreckend und fatal, wenn ganz allgemein Stimmen von Experten, von ausgewiesenen Fachleuten in ihrer Wertigkeit gleichgesetzt werden mit jedem x-beliebigen Post in den sozialen Medien.“
Für den Landesbischof ist das der Ausdruck eines geradezu epochalen Wandels, in dem sich unsere Informationsgesellschaft befinde. Über lange Zeit - seit dem Beginn des Zeitalters der Aufklärung vor dreihundert Jahren - sei Diskurs, sei Diskussion miteinander als der Königsweg zum Konsens, zu dem was man gemeinschaftlich als Wahrheit erachte, empfunden worden. Heute aber werde der Diskurs von Algorithmen bestimmt und die seien rein wirtschaftlich orientiert. Auf die Bildschirme käme, was Klicks verspräche, und hier gelte, je abstruser, je provokativer, je radikaler, desto bessern. Es sei dringend notwendig, dass sich unsere Gesellschaft dieser Tatsache bewusst werde und sich möglichst eine Gegenbewegung formiere, mit dem Ziel Wahrheit und Ausgewogenheit als Grundlage aller Information zu stärken.
Der Weg dahin, da waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, ist nicht einfach. Andreas Nickl etwa sah hier verstärkt die öffentlich-rechtlichen Medien in der Pflicht. Sie seien in ihrer Finanzierung von Werbeeinnahmen weitgehend unabhängig, ihre Aufgabe sei es, diese Premiumposition auch zu nutzen. Antonia Heil sah eine Chance in einer verstärkten Bildung, mit der, so ihre Hoffnung, die Reflexionsbereitschaft aller gefördert werden könnte. Es gehe auch um Diskussionskultur, wie Dagmar Häfner-Becker betonte, denn „es wollen immer mehr reden, aber immer weniger zuhören“.
Sicherheit in komplizierter Welt
Ein Problem sah dabei Landrat Otto Lederer: Echte Diskussion sei anstrengend, anstrengender jedenfalls, als sich in seiner eigenen Informationsblase von den dazu passenden Meinungen bestätigen zu lassen: „Das schafft zugegebenermaßen Behaglichkeit und auch Sicherheit, etwas, das viele Menschen in unserer, immer komplizierter werdenden Welt suchen“.
Andrea Burgmeier sah bei dem Bemühen um echte Diskussion aber auch eine Grenze: „Mit Leuten, die sexistische, rassistische und antisemitische Thesen verbreiten, will ich überhaupt nicht ins Gespräch kommen. Jenen, die solche Thesen vertreten, muss mit klarer Kante begegnet werden – sie dürfen in unseren gesellschaftlichen Diskussionen keinen Platz erhalten“.
Für den Landesbischof gibt es für die Kirche der Zukunft genügend zu tun. Und auch für alle, die sich der „christlichen DNA“ noch in irgendeiner Weise verbunden fühlen, egal ober gerade Kirchenmitglied oder nicht.