Christine von Wartburg wurde 98 Jahre alt
Trauer in Rosenheim: Die Inhaberin des ehemaligen Kerzenfachhandels Ruedorffer ist tot
- VonAnna Heiseschließen
75 Jahre lang hat Christine von Wartburg eines der ältesten Geschäfte Rosenheims geführt. Jetzt ist die Inhaberin des Kerzenfachgeschäfts Ruedorffer im Alter von 98 Jahren gestorben. Ein Nachruf über eine Frau, die das Leben von vielen Menschen berührt hat.
Rosenheim - Immer, wenn Petra Brückner auf die Berge schaut, denkt sie an ihre Oma. „Sie hat die Berge geliebt“, sagt sie am Telefon. Jeden Sonntag sei sie mit der Familie auf Bergtouren gegangen. Erst mit den Kindern, später mit den Enkeln und Urenkeln. Es ist eine Tradition, die die Familie weiterführen wird. Allerdings ohne Christine von Wartburg. Denn die 98-Jährige ist am Sonntag, 15. Januar, an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.
„Sie hat eine große Lücke hinterlassen“, sagt Petra Brückner. Auch, weil es in den vergangenen Jahren kaum einen Tag gab, den sie nicht mit ihrer Oma verbracht hat. „Sie war immer im Schoß der Familie“, fügt die Enkelin hinzu.
Familie seit Mitte des 16. Jahrhunderts in Rosenheim ansässig
Christine von Wartburg wurde am 20. April 1924 in Rosenheim geboren. Sie gehörte der Familie Ruedorffer an, Rosenheims wohl bekanntester Lebzelter- und Wachszieherdynastie. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts ist die Familie in Rosenheim ansässig, bewohnte schon damals das Haus in der Kaiserstraße 1. Als der langjährige Landtagsabgeordnete Sebastian Ruedorffer, der letzte männliche Spross der Rosenheimer Linie, im Jahr 1926 starb, starb auch das Geschlecht aus.
Mit 16 Jahren in das Familiengeschäft eingestiegen
Das Geschäft übernahm nach Ruedoffers Tod – so geht es aus den Unterlagen des Rosenheimer Stadtarchivs hervor – sein Schwiegersohn Caspar Hart, der Vater von Christine von Wartburg. Die spätere Erbin des Geschäfts war damals gerade einmal zwei Jahre alt. Mit 16 stieg Christine von Wartburg selbst ins Geschäft ein und kümmerte sich seitdem um den Verkauf der Waren. Für jeden Anlass hatte die gelernte Einzelhandelskauffrau eine passende Kerze - egal ob Kommunions,- Oster- oder Brautkerzen. Zudem gab es Holzschnitzereien und bunte Bonbons für fünf Cent in Geschmacksrichtungen wie Pfefferminz, Lakritze oder Himbeere.
Für Christine von Wartburg sei es vor allem der Umgang mit den Kunden gewesen, der ihr am meisten gefallen habe und sie dazu animierte, auch mit 97 Jahren noch hinter der Kasse zu stehen. „Ich habe mein Geschäft noch nie zugemacht“, sagt sie während eines Interviews im Jahr 2020. Und das, obwohl die Rosenheimerin viel und vor allem gerne reiste. Sie war in Brasilien, Dubai und Mexiko. Sonnte sich auf Hawaii und schaute sich Sehenswürdigkeiten in Amerika an.
Doch in das grüne Haus an der Kaiserstraße 1 zog es Christine von Wartburg immer wieder zurück. Hier unterhielt sie sich stundenlang mit ihren Stammkunden, verriet Touristen die Geheimnisse der Stadt und verkaufte hunderte von Kerzen.
Neueröffnung in der Kaiserstraße 1
Und doch gab sie im August 2021 die Schließung ihres Geschäfts bekannt. Eben auch, weil es innerhalb der Familie keinen Nachfolger gab. „Wir haben alle etwas anderes gelernt“, sagt Petra Brückner. Umso größer sei die Freude darüber gewesen, als im vergangenen Jahr das Lokal „Die Lebzelterei by Ruedorffer – Genuss- und Aufenthaltsraum“ eröffnete - betrieben von Sascha und Doris Weber sowie Rudolph Fischer. „Das ist ein Gewinn für Rosenheim“, ist sich Petra Brückner sicher. Und auch ihrer Oma hätte der Laden gut gefallen. Hin und wieder habe sie vorbeigeschaut und sich daran erfreut, dass ihr Geschäft weiterlebt. Wenn auch mit Kaffee und Kuchen, statt mit Kerzen und Holzschnitzereien.
Das vergangene Jahr habe Christine von Wartburg genutzt, um zu entspannen und Zeit mit der Familie zu verbringen. Bis sie Anfang Januar ins Krankenhaus musste - und nicht mehr nach Hause zurückkehrte.
„In unserer Erinnerung lebt sie weiter“
„Jetzt ist alles anders. Wir vermissen sie sehr“, sagt Petra Brückner. Wenn der Schmerz besonders schlimm wird, schaut sie auf die Berge und erinnert sich an ihre Oma. An die gemeinsamen Erlebnisse, die Tage, an denen sie von früh bis Abends in ihrem Geschäft stand und die zahlreichen Touren, die sie als Familie unternommen haben. „In unserer Erinnerung lebt sie weiter“, sagt die Enkelin - und spricht damit wohl vielen Rosenheimern aus dem Herzen.