Holzvergasung
„Lava“ im Versuchsreaktor: Wie die Rosenheimer Stadtwerke Strom und Wärme erzeugen
- VonJens Kirschnerschließen
Seit dem Jahr 2006 experimentieren die Rosenheimer Stadtwerke mit neuen Wegen zur Wärme- und Stromgewinnung. Mit diesem Forschungsvorhaben ist der Versorger zwar nicht er erste, konnte seine Erkenntnisse aber schon an anderer Stelle einbringen.
Rosenheim – Wer in den Versuchsreaktor schaut, dem wabert eine orangefarbene Masse entgegen, fast wie Lava. Erst ein paar Sekunden später sind einzelne glimmende Späne zu sehen, die sich aus dem großen Haufen lösen. Rund 1000 Grad herrschen in jener Kammer, in der die Stadtwerke Rosenheim aus Holz Biogas herstellen.
Zwei Versuchsanlagen
Zwei Versuchsanlagen betreiben die Stadtwerke derzeit auf ihrem Gelände am Stadtbach, eine davon ist derzeit in Betrieb. Eine Schnecke hievt das gehäckselte Holz in die Reaktorkammer, den Vergaser. Dort wird das Biomaterial aber nicht wie im heimischen Kamin verbrannt. Eigentlich verbrennt Holz sowieso nicht, sondern lediglich Gase im Holz, die bei erhöhten Temperaturen austreten. Zusammen mit Sauerstoff sorgen diese Gase dann für das wohlige Knistern im Kamin.
Zurück bleibt nur Asche
In einer Holzvergasungsanlage wird das Holz zwar erhitzt, aber die Sauerstoffzufuhr wird gedrosselt. Dadurch treten die Gase zwar aus, verbrennen aber nicht, sondern werden abgeleitet und in einem Motor dann entzündet. Vom Holz selbst bleibt nur – wie im heimischen Ofen – Asche zurück.
Seit die Stadt als Eigentümerin den Stadtwerken 2006 grünes Licht für die Versuche gegeben hat, gehört die Holzvergasung zum Repertoire der Stadtwerke. Aus anderen Biomasseprojekten, darunter mit Gülle, hat sich der Rosenheimer Energieversorger inzwischen wieder verabschiedet.
Abschied von anderen Biogasprojekten
Der logistische Aufwand, die Gülle zu sammeln, war letztlich zu groß. Stattdessen entdeckten die Stadtwerke Holz als Biomasse für sich. Auch, weil sich der Stoff an einigen Stellen in Rosenheim sammelt: auf dem Wertstoffhof genauso wie in Rosenheimer Fließgewässern als Schwemmholz.
Die Anlage wird als ausnahmslos mit bereits totem Holz gefüttert. Bäume werden für die Energiegewinnung nicht gefällt. Hier liegt auch der Vorteil gegenüber anderen biologischen Energielieferanten wie Mais. Für die Holzvergasung benötigt man keine landwirtschaftlichen Flächen.
Technik kein neues Konzept
Bevor das Material vergast werden kann, muss es zunächst gereinigt und getrocknet werden. Dabei ist das Verfahren der Holzvergasung kein neues Konzept. In Kriegszeiten taugte die Holzvergasung mangels anderer Energieträger als Grundlage, um Autos anzutreiben. Selbst in den Nachkriegsjahren waren noch Fahrzeuge mit Holzvergasern unterwegs. Aber das günstige Erdöl verdrängte diese Technologie.
Das Umdenken erfolgte erst, nachdem der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid durch Zertifikate bepreist wurde. Und selbst zu dieser Zeit, hätten in der Politik die Zweifel überwogen, die Holzvergasungstechnik zu fördern, wie Stadtwerkschef Dr. Götz Brühl schildert.
Weg vom Fokus auf Stromerzeugung
Der Fokus habe vor allem auf Verfahren gelegen, die möglichst viel elektrische Energie produzierten, darunter Solaranlagen. Auch, wenn die Energieproduktion von Solaranlagen nicht so gut gesteuert werden kann wie im Fall der Holzvergasung. Und gerade in Sachen Holz habe es in der Politik Zweifel darüber gegeben, ob das Material überhaupt in ausreichenden Mengen verfügbar ist, um es zur Energieerzeugung zu nutzen.
Aber: „Wir reden ja nicht darüber, dass wir das ganze Energiesystem Deutschlands mit Holz befeuern wollen“, erinnert Stadtwerkeschef Brühl daran, dass es einen Mix aus verschieden erneuerbaren Energien benötige, um die Energiewende zu bewältigen. Aber fünf bis zehn Prozent des Bedarfs ließen sich mit Energie aus Holz durchaus bedienen, und zwar viel günstiger als mit anderen bekannten Brennstoffen, wie der promovierte Ingenieur findet.
Forschung mit messbarem Ergebnis
Am Ende der Holzvergasung stehen zwei Produkte: Strom und Wärme. Letztere greifen die Stadtwerke sowohl über einen Abgaswärmetauscher wie auch an einem Motorblock ab, der mit dem gewonnenen Holzgas Storm erzeugt, wie Projektleiter Philipp Mend schildert, die Versuchsanlagen präsentiert. Auf rund 100 Quadratmetern erstreckt sich das Konstrukt.
Ihr Verfahren haben die Rosenheimer Stadtwerke inzwischen auch nach Südtirol exportiert. In der Südtiroler Stadt Brixen läuft eine solche Anlage der Stadtwerke Rosenheim inzwischen unter Realbedingen und versorgt das dortige Nahwärmenetz mit Energie.