Vor allem Energiekosten stark erhöht
Herbstfest in Zeiten explodierender Preise: Ist der Wiesn-Besuch noch bezahlbar?
- VonMichael Weiserschließen
Speisen, Energie, Personal - alles ist teurer geworden. Ukraine-Krieg, Lieferprobleme und Inflation schlagen sich auch beim Rosenheimer Herbstfest nieder. Deshalb fragen sich viele, ob sie sich einen Besuch überhaupt noch leisten können. Und auch, ob eine Wiesn in Zeiten der Energieknappheit noch zeitgemäß ist?
Rosenheim – Christian von Bentzel weiß ziemlich sicher, dass am 25. Juli der Kran anrücken wird. Denn dann beginnt der Aufbau der Fischbraterei Bierbichler für das Rosenheimer Herbstfest. Aber sonst? Ist einiges in Bewegung geraten. Die Macher beim Herbstfest 2022 stehen vor Herausforderungen. „Wir spüren, dass manche Sachen knapp geworden sind“, sagt er. Nahrungsmittel seien ein Thema, etwa Öl. Und überraschenderweise Semmelbrösel. „Ein rares Gut“, sagt der Rosenheimer Gastro-Unternehmer.
Am ärgsten setzt den Wiesn-Gastgebern allerdings der Energie-Engpass zu. Die Kosten fürs Gas steigen, bis 2023 sollen sich die Preise nach Schätzungen der Bundesnetzagentur verdreifachen.
Gas ist nur ein Teil im Energie-Mix, aber auch die Preise für Strom sind beträchtlich gestiegen. Küchen kommen ums Gas ohnehin nicht herum. „Das geht ans Eingemachte“, sagt von Bentzel. Man könne die Preise ja doch nur bedingt weitergeben, ohne den Charakter des Herbstfestes zu gefährden. „Und das Herbstfest ist nun einmal ein Volksfest und nicht nur ein Fest der Oberen Zehntausend.“
Die Wirte machen sich Sorgen
„Es wird sicher nicht einfach“, sagt auch Werner Heinrichsberger Junior. Der Herbstfest-Debütant – Heinrichsberger und seine Familie bespielen zum ersten Mal für Auerbräu die Inntalhalle – ist einerseits mit dem Personal gut vorangekommen: „Bedienungen und Service, da hätten wir noch Bedarf, insgesamt schaut’s gut aus.“ Andererseits machen auch ihm die gestiegenen Preise zu schaffen.
Kollege Sebastian Kirner im Zelt von Flötzinger macht sich „große Sorgen“. Nahezu alles koste mehr Geld, Fette und Öle seien 100 Prozent teurer, Fleisch und Gemüse kosteten 20 bis 30 Prozent mehr, auch die Löhne seien entsprechend gestiegen. Extrem teuer sei der Senf. Und wie sich alles entwickle, sei noch nicht ganz abzusehen. „Trotzdem müssen wir jetzt die Speisekarte und die Kalkulation langsam finishen.“ Und die Energie? Fällt schwer ins Gewicht. Auch wenn die Zelte schon auf LED umgestellt seien.
Erinnerungen an die Ölkrise werden wach
Die Energie ist teuer, weil sie knapp ist. So knapp wie vermutlich seit der Ölkrise vor bald 50 Jahren nicht mehr. Damals gab es autofreie Sonntage. Sollte es angesichts der Engpässe einen Herbstfestfreien Herbst geben?
Schließlich verbraucht so ein Großereignis viel Energie: Von drei Millionen Kilowattstunden gehen die Veranstalter der Münchner Wiesn aus, 1000 Haushalte wären damit ein Jahr lang versorgt. Fürs Rosenheimer Herbstfest mit einem Sechstel der Besucher wird man wohl von 500 000 Kilowattstunden ausgehen können. Eine genaue Zahl war von den Stadtwerken vorerst nicht zu erhalten.
Da solle man doch bitte die Kirche im Dorf und das Karussell auf dem Festgelände lassen, sagt Schausteller Max Fahrenschon aus Großkarolinenfeld. „Die höheren Preise treffen die sozial Schwächeren stärker als die Wohlhabenden“, sagt er. „Aber es ist nicht unsere Aufgabe, das auszugleichen. Den Leuten schöne Stunden zu bescheren, dafür sind wir zuständig.“
Taugt das Herbstfest als Sündenbock für versäumten Klimaschutz?
Schließlich werde auch mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen und mit dem Motorrad aus Gaudi herumgefahren. Warum solle man dann ausgerechnet Volksfeste pausieren lassen? Auch Klaus Hertreiter, Geschäftsführer vom Herbstfest-Ausrichter, dem Wirtschaftlichen Verband, versteht die Diskussion darum nicht. „Leben und leben lassen sind offenbar grad nicht mehr so angesagt.“
Lorenz Stiglauer, Geschäftsführer von Flötzinger, sieht das Herbstfest als falschen Adressaten für rigorose Energiespar-Forderungen. „Wenn ich zu Hause koche, brauche ich ja auch Strom“, von der Energie-Summe her mache ein Festzeltbesuch also keinen großen Unterschied. „Das mag bei den Fahrgeschäften anders sein“, sinniert er. „Aber macht das das Kraut fett?“
Man solle den Menschen doch ein paar schöne Stunden gönnen, sagt auch Christian von Bentzel. Dies um so mehr, da niemand wisse, wie sich der Herbst entwickle. Corona sei immer noch da, die Zahlen steigen, „das kann die kritische Infrastruktur lahmlegen“, schwant dem Gastro-Unternehmer. Kurz: „Das Gefühl vor dieser Wiesn ist anders als jemals zuvor.“
Man merkt es auch an den Reservierungsanfragen: Nach Berichten von Wirten und Brauereien drängen die Menschen zur Wiesn, als gebe es kein Morgen.