Es geht um Menschlichkeit

"Es geht um Menschlichkeit", so lautete der Titel der Informationsveranstaltung, die der Initiativkreis Migration Rosenheim im Pfarrsaal von St.Michael veranstaltete. Im Mittelpunkt standen drei syrische Flüchtlinge, die über ihr ganz persönliches Schicksal berichteten - wer sie sind, was sie zur Flucht bewegte, was sie während dabei erleben mussten und wie es ihnen in Rosenheim jetzt geht.
Rosenheim - "Ich hatte in Syrien ein perfektes Leben. Nach der Schule begann ich ein Medizinstudium in Aleppo, ich hatte große Träume, viele Pläne für meine Zukunft als Arzt. Am 11. April 2011, mit dem Beginn der Revolution in Syrien, wurden alle meine Träume und Pläne zerstört." Der große junge Mann, Anas, schildert, wie die Universität zerstört wurde. Viele Freunde starben bei den Angriffen. Der Geruch des Todes war überall, so der Medizinstudent. Er musste das Land verlassen, nachdem er sich einer Gruppe Medizinstudenten angeschlossen hatte, die für Menschenrechte kämpften und medizinische Hilfe leisteten. "Alle meine Freunde, wurden in Gefängnissen getötet, die Bedrohung durch den Geheimdienst wurde immer schlimmer, ich musste weg aus Aleppo und mich verstecken." Anas sagt, er sei nicht freiwillig in Deutschland aber dankbar, hier sein zu können. Am 13. Juli 2013 kam er im Auffanglager in Zirndorf an.
"Kein Mensch flieht grundlos aus seiner Heimat, Flucht geht immer einher mit hohem Leidensdruck und herben Verlusten der Menschen", ist auf der Internetseite des Initiativkreises Migration zu lesen. Dies schilderten die drei syrischen Flüchtlinge in bewegender Weise.
Mohammed war Rechtsanwalt in Homs. Er sprach über Massaker und Verbrechen in Syrien, über die Folter an Kindern, über den Kampf um Menschenrechte, der bereits 200000 Todesopfer forderte. "Wir wollen in Sicherheit, Frieden und Freiheit leben."
Carolin Pagel vom Initiativkreis ging kurz auf die derzeitige Lage in Syrien ein, zeigte Bilder von schwer verletzten Kindern, zerstörten Städten. "Man kann in Bezug auf Syrien nicht nichts tun", begründet die junge Gärtnerin ihr Engagement für den Initiativkreis.
Sie und der 16-jährige Schüler Daniel Müller lasen auf Deutsch vor, was die Flüchtlinge auf Arabisch vortrugen. Müllers Vater ist Dr. Thomas Nowotny. Dieser betonte als Hauptinitiator der Informationsveranstaltung, dass es den Flüchtlingen in Rosenheim vergleichsweise gut gehe, auch wenn Verbesserungen zum Beispiel in der medizinischen Versorgung dringend notwendig wären. "In Deutschland kommt auf 1000 Einwohner ein Flüchtling, das ist im Vergleich mit Ländern wie Schweden oder Malta relativ wenig." In Malta sind es fünf auf 1000, in Schweden ist der Anteil fast genau so groß.
Im Flüchtlingsboot nach Lampedusa
Ahmad kam mit einem Flüchtlingsboot nach Lampedusa. Für viele war es eine Todesfahrt nach einer langen Reise unter schrecklichen Bedingungen. Auf dem Boot waren 437 Menschen, zugelassen war es für 170. Der Agraringenieur hatte in dem immer noch belagerten Homs mit einem Freund humanitäre Hilfe geleistet. Als dieser verhaftet wurde, befürchtete Ahmad, der Freund würde unter Folter seinen Namen nennen. Deshalb beschloss Ahmad, Syrien zu verlassen. Er sei hier, weil er ein Mensch sei, weil er unter der Folter des Regimes leide, das die Träume unschuldiger Kinder zerstöre. Er habe seinen Beruf in der Landwirtschaft und sein Land geliebt und sei verzweifelt über seine Situation, aber auch glücklich, hier zu sein. "Ich habe mein ganzes Leben lang gerne gelernt und gearbeitet und jetzt bin ich zum Nichtstun verdammt, doch in wenigen Tagen beginne ich einen Deutschkurs."
Auch Mohammed beschreibt die Jahre der Flucht als Horror, er sehnt sich nach einem normalen Leben und möchte sich in der neuen Gesellschaft integrieren. In Syrien verteidigte er zusammen mit befreundeten Anwaltskollegen verschleppte Regimegegner und Inhaftierte, die furchtbaren Foltermethoden ausgesetzt waren. Auch Freunde und Verwandte waren darunter. Sein Haus und sein Büro in Homs wurden zerstört. Nach der Verhaftung eines Kollegen, der durch einen Geheimagenten verraten wurde, fürchtete er dasselbe Schicksal.
Ahmad, Anas und Mohammed, drei syrische gut ausgebildete Männer, drei Beispiele von vielen. Sie wirken bedrückt, aber nicht hoffnungslos, auch wenn sie im Moment nicht wissen, wie ihr Leben in Zukunft aussehen wird. Sie haben alles verloren: Heimat, Familie, Freunde, Beruf und dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Sie müssen eine neue Sprache lernen, Arbeit und Ausbildung finden. Der Initiativkreis Migration in Rosenheim ist eine Verbindungsstelle für den Dialog zwischen Flüchtlingen und Bürgern und leistet den Betroffenen Hilfestellung. "Mit einem solchen Andrang haben wir nicht gerechnet", freute sich Dr. Thomas Nowotny über den vollbesetzten Pfarrsaal St.Michael. "Erzählt unsere Geschichten weiter", appellierten Ahmad, Anas und Mohammed an die Zuhörer, und "Leute, gebt uns die Hand, im Namen der Kinder". Und sie baten darum, vorteilsfrei als Menschen wahrgenommen zu werden: "Nicht jeder mit schwarzem Haar und dunklen Augen ist ein Islamist."
Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, auch zum Thema Willkommenskultur. Menschen, die während einer vielleicht jahrelangen Flucht schlimme Erfahrungen gemacht haben, hätten Probleme, mit den Nachbarn von sich aus Kontakt aufzunehmen, so Nowotny. Vielmehr wäre es eine schöne Geste, wenn man von sich aus auf die Flüchtlinge zugehen würde. Es gebe dafür in Stadt und Landkreis positive Beispiele.