Tipps vom Klassikstar für IGG-Musiker
Beethoven und das Billy-Regal: Pianist Herbert Schuch gibt Gratis-Kurs an Rosenheimer Gymnasium
- VonRainer W. Jankaschließen
Diesen Gratiskurs werden die Schüler bestimmt nicht so schnell vergessen: Der weltbekannte Pianist Herbert Schuch hat Musikern des Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasiums jetzt wertvolle Tipps für das Klavierspiel gegeben. Und verraten, was Beethoven und ein Billy-Regal gemeinsam haben.
Rosenheim – „Du solltest ein bisschen mehr Gewicht auf den Spitzenton legen, insbesondere auf den vierten Finger, sonst wird der Klang ein bisschen mehlig!“ Geduldig, liebevoll und mit viel Einfühlungsvermögen gibt der weltbekannte Pianist Herbert Schuch in seiner ehemaligen Schule, dem Ignaz-Günther-Gymnasium, Klavierspiel-Tipps. Am Nachmittag vor und am Vormittag nach seinem Konzert in der Aula des Gymnasiums nahmen acht Schülerinnen und Schüler an dem Meisterkurs des Meisterpianisten teil. Und das gratis.
Julia Schachinger (16) spielt den Finalsatz der „Pathétique“ von Beethoven. Schuch zeigt ihr, wie man die Triller meistern kann: „Du musst den Impuls über die Schulter ansetzen, über den ganzen Körper“, sagt Schuch. Und er lobt, wo er kann: „Du hast einen schönen musikalischen Verlauf – aber du könntest die Linie entspannter führen.“ Genau erklärt er das dramatische Geheimnis einer Phrase, fragt, ob sie die als Steigerung oder als Insistieren verstehen möchte – und schon klingt diese Phrase lebendiger und innerlich bewegter.
„Wellenbewegungen in der Musik“
Dann lässt Schuch sie die linke Hand alleine spielen – eine Herausforderung, wenn man immer mit beiden Händen gleichzeitig geübt hat. „Links ist eine Wellenbewegung in der Musik“, begründet Schuch das. „Das Crescendo in der rechten Hand machst Du gut, versuche es auch in den Tönen der linken Hand, die nach oben wandern! Du musst mit der Linken aktiven Widerstand leisten gegen die Rechte“, sagt er und erklärt es dann mit Ikea: „Beethoven komponiert wie bei einem Billy-Regal: Es darf nicht nur schön ausschauen, es muss auch halten! Beethoven gibt in seiner Musik Verstrebungen.“
Dann gibt er noch den Tipp, die Triolen „mit kralligeren Händen“ zu üben. „Ich hab‘ mich super gefühlt“, sagt Julia danach, „sehr freundlich war Herr Schuch die ganze Zeit. Das Wichtigste ist, wie ich meine Hand bewegen muss.“
Carla Schmidhuber (15) spielt das As-Dur-Impromptu von Franz Schubert. Schuch bespricht mit ihr den Einsatz des linken Pedals, „um eine neue Farbe einzubringen“, lobt Carlas „schöne rollende Bewegung im Mittelteil“ und zeigt ihr, wie sie einen Akkord besser greift – und schon hört man die farbgebenden Zwischentöne.
„Musikalisch atmen“
„Zwischen den Akkorden musst Du musikalisch atmen – aber nicht so, dass es wie ein Schluckauf klingt!“, meint Schuch humorvoll. Mehr Leuchtkraft in der Oberstimme fordert er, dazu mehr Nachdruck: „Du bist immer noch in der lieblichen Stimmung.“ Dann stampft er rhythmisch auf, um ihr zu zeigen, wie wichtig der Aspekt des Tänzerischen beim Auftritt des Motivs ist. „Du musst das Kreiselnde in der Melodie zeigen!“ fordert er Carla auf und betont, wie wichtig die körperliche Energie beim Spielen sei. Und schon klingt Carlas Spiel voller, nachdrücklicher, energischer. „Die Tipps haben mir sehr geholfen“, meinte Carla hinterher, „am besten war sein Tipp, dass man die Musik mehr fühlen und dabei mit dem ganzen Körper arbeiten muss.“
Bei Severin Weidmann (18) muss Schuch länger überlegen, was er ihm noch beibringen kann. Denn der spielt „Mouvement“ aus „Images“ von Claude Debussy enorm gut und technisch hervorragend. „Eine Freude zuzuhören, alles hat guten Fluss“, lobt Schuch zunächst. Und findet dann: „Du könntest dir an manchen Stellen mehr Freiheit lassen. Debussys Musik lebt von durchlaufender Motorik und aber auch von ‚Souplesse‘, das heißt: Biegsamkeit.“ Schuch rät, den tänzerischen Impuls zu Beginn zu verstärken: „Das muss ein bisschen nach Tanzboden klingen!“
Manchmal steht er hinter Severin wie ein zum Sprung bereiter Panther, um die Bewegungen der Musik zu spüren. Severin solle die Triole eher als eine Art Schwungrad nehmen, alles klinge noch „zu deutsch“, habe zu viel Kantigkeit. Manche Phrasen singt Schuch vor, um das Kantable zu zeigen. „Bei Debussy ist alles wie von der Natur abgelauscht, da gibt es keinen 90-Grad-Winkel, nichts Architektonisches“, begründet Schuch seine Ratschläge.
„Fantasiestücke“ von Schumann
Und als Severin zum Abschluss noch eins der „Fantasiestücke“ von Robert Schumann vorträgt, meint Schuch: „Du solltest darauf achten, dass du die große Phrase nicht verlierst, da ist eine ,Kommt-lasst-uns-die-Zelte-abbrechen-und-nach-Hause-gehen-Mentalität‘ drin.“
Mit solchen Bildern hat Schuch viel Erfolg bei den jungen Pianisten: „Es war ein sehr besonderes Erlebnis“, meint Severin danach: „Am meisten gebracht hat mir die Arbeit am Klang, dass es nicht nur um Noten und um Präzision geht. Und überrascht hat mich, was alles möglich ist, wenn man an einer Phrase so genau arbeitet.“ Gearbeitet hat Herbert Schuch genug, sehr viel Konzentration hat er gebraucht, um sehr viel Musikalität und Interpretationsgenauigkeit zu ermöglichen. Mehr als nur die Verstrebung eines Billy-Regals.