Sozialpädagoginnen berichten im Ausschuss
Von Angst bis Aggression ist bei Schülern alles dabei - Schrecken im Gemeinderat Stephanskirchen
- VonSylvia Hampelschließen
ADHS, Aggression, Angstzustände, Depression, fehlende Deutschkenntnisse - all das war einem Lehrer an seinen Schülern einer Stephanskirchner Mittelschulklasse aufgefallen. Das sorgt für Aufregung bei den lokalen Entscheidungsträgern.
Stephanskirchen - Christine Resta und Ute Kundmüller, die Jugendsozialarbeiterinnen an der Otfried-Preußler-Schule (OPS), waren zu Gast im Hauptausschuss. Und sie hatten nicht viele gute Nachrichten dabei.
Ute Kundmüller, für die Mittelschule zuständig, verlas die Zusammensetzung einer Klasse, basierend auf den Notizen eines Lehrers. Die Liste wurde lang und länger, die Gesichter der Ausschussmitglieder wurden es auch. So gebündelt hatten sie Aggression und Depression, ADHS und Angstzustände nicht erwartet. Da fielen die Jugendlichen, die kein Wort Deutsch sprechen, weil sie gerade erst hier ankamen, kaum noch ins Gewicht. Bei mehr als 20 Kindern hatte der Lehrer entsprechende Anmerkungen gemacht. „Ich hätte das eine oder andere vermutlich anders formuliert“, so Ute Kundmüller, „aber inhaltlich kann ich dem Kollegen nicht wirklich widersprechen.“
Aufgaben von Beratung bis Krisenintervention
Seit knapp 20 Jahren gibt es an der Mittelschule der OPS Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), seit 2020 auch an der OPS-Grundschule. Christine Resta, zuständig für die Jahrgänge 1 bis 4, erklärte, dass die JaS verschiedene Aufgabengebiete habe. Die reichen von Beratung bis zur Krisenintervention, von der Hilfe bei den Übergängen von Kindergarten an Grundschule, Grundschule an Mittelschule und Mittelschule in die Ausbildung bis zum Konflikttraining, von der Verbesserung der Integration bis zur Verhinderung von Mobbing. Bei der Vernetzungsarbeit mit Vereinen und Verbänden in der Gemeinde sei man pandemiebedingt etwas in Verzug, im Präventionskonzept der Otfried-Preußler-Schule dafür sehr eingebunden.
Beide Sozialpädagoginnen hatten auch Einzelfallschilderungen mitgebracht. Einmal ging es um einen Bub, der so viel Angst vor der Schule hatte, dass er schon gar nicht aufstehen wollte. Die Eltern mussten ihn bis zum Klassenzimmer begleiten. Die ganze Familie litt unter der Situation, immer wieder suchte Ute Kundmüller das Gespräch. Irgendwann empfahl sie dann den Eltern, ihr Kind krankschreiben zu lassen und die Hilfe eine Kinder- und Jugendpsychiaters in Anspruch zu nehmen. „Er war kein Einzelfall, drei von 302 Jugendlichen ging es nach der Pandemie so.“
Auszeit bei den Sozialpädagoginnen
Christine Resta berichtete von einem Grundschüler, der an seiner vorherigen Schule wohl Mobbing-Opfer war. Seine Lehrkraft wandte sich schnell an Resta, als der Bub mal mit Wein- mal mit Wutanfällen auffiel. Den Ärger mit den Mitschülern begegnete Resta zum einen mit Streitschlichtung, zum anderen hat die Pausenaufsicht immer einen Blick darauf, wie der Bub und seine Mitschüler in der Pause miteinander umgehen. Es gab und gibt Gespräche mit dem Kind, mit Eltern und Lehrkraft. Für die Eltern zudem den Rat, sich an einen Kinder- und Jugendpsychologen zu wenden. Und wenn der kleine Kerl merkt, dass er kurz davor ist, die Fassung zu verlieren, dann kann er sich eine Auszeit im Büro der Jugendsozialarbeit nehmen.
Gemeinderat Gerhard Scheuerer (Parteifreie) berichtete, dass ihm sein Enkel - Grundschüler an der OPS, nicht den Namen seines Opas tragend - von einem Klassenkameraden erzählte, der sehr auffällig sei. Er sei erschüttert, dass ein Grundschüler einem anderen zehn Euro anbiete, wenn dieser einen Dritten verprügele. „Das darf nicht sein!“ Ein Fall, der laut Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie) an der Schule bekannt ist. „Es scheint, nach vielen Gesprächen, jetzt besser zu werden“, wusste Mair vom Schulleiter.
Janna Miller (Die Grünen), Sozialpädagogin und Mutter zweier Grundschüler, hielt fest, dass es heute in jeder Klasse mindestens ein Kind gebe, das völlig aus dem Ruder laufe. „Völlig unabhängig von geographischer Herkunft, Bildungsschicht oder Glaube.“
Mair gab zu, dass er einiges an Hoffnung auf die gerade im Bau befindliche neue Grundschule mit ihrem Lernhauskonzept setzte. Da gebe es Nebenräume und Rückzugsgebiete, die hoffentlich manches entschärften. Generell sehe man aber anhand des Berichts, wie nötig das Angebot der JaS heute sei, auch an Grundschulen. Es gebe deshalb bereits Überlegungen, die JaS auch an der Grundschule in Schloßberg einzuführen.
Der Bericht zur Jugendsozialarbeit an Schulen endete, bei aller Brisanz, doch mit einer heiteren Note. Sie kam von Ute Kundmüller: Sie sei oft ganz begeistert, wenn sie ehemalige Schüler ein oder zwei Jahre nach deren Schulabschluss treffe. Die Entwicklung während der Berufsausbildung sei oft großartig. „Da werden aus Chaoten ganz normale junge Leute.“