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Panik im Kuhstall, Wasser im Keller - und Söchtenau lässt die Bürger im Regen stehen

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Von: Sylvia Hampel

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Da kommt das Wasser runter: Carmen Spohn und Philipp Wimmer werfen der Gemeinde Söchtenau vor, dass diese nichts gegen die Überschwemmungen ihres Hofes in Untershofen tut. Obwohl diese erst seit der Dorferneuerung vorkämen.
Da kommt das Wasser runter: Carmen Spohn und Philipp Wimmer werfen der Gemeinde Söchtenau vor, dass diese nichts gegen die Überschwemmungen ihres Hofes in Untershofen tut. Obwohl diese erst seit der Dorferneuerung vorkämen. © Peter Schlecker

Die Dorferneuerung ist Schuld. Da wurden beim Straßenbau Fehler gemacht. Deswegen läuft jetzt bei Starkregen das Wasser in Untershofen und Krottenmühl in Hof, Stall und Garten - sagen die Betroffenen, die Gemeinde sieht es anders.

Söchtenau - Fehler bei der Straßenneigung und beim Kanalbau im Rahmen der Dorferneuerung setzen ihre Grundstücke bei jedem Starkregen unter Wasser sind Philipp Wimmer, Carmen Spohn und Martin Blum überzeugt. Die Gemeinde ist es nicht. Die Straßen seien vor zwölf Jahren erneuert worden, Beschwerden gebe es erst in den letzten drei bis vier Jahren, sagt der Bürgermeister.

Bei Philipp Wimmer und Carmen Spohn läuft bei starken Regenfällen das Wasser gleich von mehreren Seiten in den Hof mitten in Untershofen. Sowohl von der Innthaler Straße als auch aus Richtung Campingplatz komme wegen der falschen Straßenneigung das Wasser, sagt Philipp Wimmer. Das Regenrückhaltebecken könne die Massen nicht aufnehmen, beziehungsweise es laufe jede Menge vorbei. 20 bis 30 Zentimeter stünden Hof und Stall dann innerhalb weniger Minuten unter Wasser.

Zwei Kühe habe er deswegen verloren, die bei einer Überschwemmung in der Nacht so panisch reagierten, sich dermaßen verletzten, dass sie getötet werden mussten. „Das ist in meinen Augen gelogen“, sagt Bürgermeister Bernhard Summerer. Er beruft sich auf einen Nachbarn Wimmers, der davon nichts wisse.

Wasser aus Untershofen läuft in Krottenmühl in die Siedlung

Ein paar hundert Meter weiter in Krottenmühl hat Martin Blum ein gleichgelagertes Problem. Das Wasser aus Untershofen kommt nun über Rohre hinab Richtung Krottenmühl und Simssee, „aber ab 50 Millimeter Niederschlag in 30 Minuten fassen die Kanäle das Wasser nicht mehr. Das Problem: Die Hauptstraße wird talseitig entwässert. Und das Wasser läuft in die Gärten und Einfahrten der Siedlung.“ Und in die Keller. „Bei uns steht es Dank zweier Pumpen ‚nur‘ 35 bis 40 Zentimeter“, sagt Blum. In einem Keller, in dem eine sehr hochwertige Heizungsanlage mit Pellets steht.

Nachbarschaft hat Regensensoren installiert

In der Siedlung haben die Nachbarn Wasserschotte aufgebaut, innerhalb der Grundstücke Hauptstraße 8 und Wiesenweg 2 ist eine dauerhafte Barriere errichtet, damit der bei Starkregen entstehende See nicht in Keller und Garagen abfließt. In der Nachbarschaft sind - auf eigenen Faust und Kosten - Regensensoren installiert, damit die Anwohner schnell reagieren und sich beim Sandsäcke-Aufbau unterstützen können.

Sowohl Wimmer wie Blum führen die immer häufiger auftretenden Überschwemmungen ihrer Grundstücke auf fachliche Fehler im Zuge der Dorferneuerung zurück. Da gehören versperrte Gräben, die das Oberflächenwasser aufnehmen und ableiten könnten dazu. Aber auch Straßen, die talseitig in Siedlungen entwässern statt hangseitig in Gräben und Rinnen.

Probleme und Lösungen auf 12 Seiten

Der Diplomingenieur Blum hat die Situation in Krottenmühl samt möglicher Lösungsmöglichkeiten auf zwölf bebilderten Seiten zusammengefasst und der Gemeinde geschickt. Eine Antwort hat er nicht erwartet. Ist ihm auch egal, denn: „Ich erwarte Baumaßnahmen und sonst nichts.“

Bei Landwirt Wimmer gab es einen Ortstermin des Gemeinderates auf dem Hof. Da habe er sich dann - auch vom Bürgermeister - anhören dürfen, dass er bei Regen halt Sandsackmauern aufbauen soll, ärgert sich Wimmer. Die Sandsäcke seien bis heute nicht vorhanden und zum anderen sei das nicht seine Aufgabe. „Andere Eigentümer machen das. Könnte Herr Wimmer doch auch“, sagt Summerer dazu. Und kündigt an, dass die Gemeinde in Untershofen einen zusätzlichen Gully setzen werde.

Gemeinden unterschätzen Haftungsrisiko

Das dürfte nach Ansicht von Rechtsanwalt Dr. Wolf Herkner nicht reichen. Gemeinden unterschätzten oft die Probleme mit dem Oberflächenwasser und redeten sich gerne heraus. Oder schöben Gegenmaßnahmen auf die Grundbesitzer ab. Er habe zur Zeit mehrere Verfahren wegen mangelhafter Niederschlagswasserentsorgung laufen, die Bilder glichen sich. „Ich stelle immer wieder fest, dass die Gemeinden ihr Haftungsrisiko unterschätzen“, sagt Herkner. Das wachse sich zu einem Riesenproblem aus, weil sich die Starkregenereignisse mehrten. „Die Gemeinden können sich aber nicht auf Mutter Natur herausreden.“ Wenn es von Seiten der Gemeinde heiße „Pech gehabt“, sei das eindeutig zu kurz gesprungen.

Noch nie gemeinsame Lösungsversuche erlebt

Herkner vertritt auch Philipp Wimmer. Er sieht reichlich Begutachtungsbedarf. Sollte mit der Gemeinde Söchtenau keine Einigung erreicht werden, könnte es zu einer Klage kommen. Und zu teuren Maßnahmen für die Gemeinde. Der Ersatz der verlorenen Tiere sei das Wenigste, es könnte auf einen Umbau der Entwässerungsanlagen hinaus laufen. Er habe es leider noch nie erlebt, so Herkner, dass eine Gemeinde mit ihrer Versicherung versuche, mit den Betroffenen eine vernünftige Lösung zu finden. Meist blockten das die Versicherungen ab, so die Erfahrung des Anwalts. Dann bleibe den Betroffenen nichts anderes, als den Klageweg zu beschreiten.

Bei einem ist sich Herkner mit Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt (WWA) Rosenheim einig: Die Starkregenereignisse mehren sich. „Das Thema Sturzfluten hatte bis vor wenigen Jahren keiner auf dem Schirm - weder Gemeinden noch Bürger“, so Roch. Mittlerweile werde das Sturzflutmanagement in den Gemeinden vom Freistaat gefördert.

Er sehe in Untershofen und Krottenmühl das Problem, dass das Wasser bei Starkregen nicht nur über die Straßen ablaufe, sondern über die gesamte Fläche der Felder. Beim Sturzflutmanagement, erläutert Roch, berechnen Computer, wo sich das Wasser seinen Weg sucht, wo es Probleme gibt. Auf der Basis lässt sich errechnen, wo welche Lösungsansätze sinnvoll sind. So weit er wisse, laufe der Prozess mittlerweile auch in Söchtenau.

Ingenieurbüro hat mit Messungen begonnen

Das bestätigen Bürgermeister Summerer und sein Geschäftsleiter Sebastian Schreider. Das Ingenieurbüro Aquasoli sei schon am vermessen, so Schreider. Die Sturzfluten müssten angeschaut werden, sagt Schreider, „und sie werden auch angeschaut - und zwar in Gänze.“ Die Gemeinde werde dann die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, sagt Summerer. Und schränkt sofort ein: „Solange das finanziell im Rahmen bleibt.“

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