Wie soll die Gemeinde künftig aussehen?
Neue Ortsgestaltungssatzung für Neubeuern: Diese Schwerpunkte schlagen die Planer zur Abstimmung vor
Mit einer neuen Ortsgestaltungssatzung will sich die Gemeinde Neubeuern an die Bedürfnisse der Zeit anpassen. Jüngst stellten die Planer den Bürgern Neubeuerns ihre Ergebnisse vor. Mit ihrem Planwerk legten sie dabei ganz andere Schwerpunkte als die Urheber der alten Ortsgestaltungssatzung von 1981.
Von Edith Riedl
Neubeuern – „Die Marktgemeinde Neubeuern hat 1981 unter Bürgermeister Schmidl eine Verordnung über die örtlichen Bauvorschriften erlassen“, mit diesen Worten eröffnete Bürgermeister Christoph Schneider (Unabhängige Neubeurer) die Bürgerfragestunde zur Ortsgestaltungssatzung. Die Funktion dieser Satzung war, das Ortsbild zu erhalten und ist seither nicht mehr verändert worden. Die Regelungen in dieser Satzung entsprechen jedoch nicht mehr den Trends und Bedürfnissen der Einwohner, der Bauwilligen sowie der Gesellschaft und stehen nicht mehr mit den Lebensgewohnheiten im Einklang.
Umwelt und Nachverdichtung
Deshalb wurden im Ortsentwicklungsausschuss die Themen Nachverdichtung aufgrund teuren Baulands, Nachhaltigkeit und Ökologie, Mobilität und Homeoffice sowie die Wahrung der Identität des Ortsbilds besprochen. Es wurde versucht, über die Themenfelder Umwelt, Nachverdichtung und Ortsbild ein neues Planwerk zu schaffen, das bürgerfreundlich und zeitgemäß ist.
Dieser Prozess hat über ein Jahr gedauert. Der 2020 gegründete Dorfentwicklungsausschuss hat viele Workshops und Arbeitssitzungen hinter sicht. „Das Ergebnis, das wir heute präsentieren“, so Schneider, „kann sich wirklich sehen lassen. Aber wir wollen auch die Bürger fragen, ob man nicht vielleicht etwas übersehen hat oder ob wir noch etwas ändern oder verbessern müssen.“
Mit Kreisbaumeister ins Benehmen gesetzt
Architektin Christine Degenhart und der Architekt sowie Stadtplaner Johannes Dragomir haben im Auftrag der Marktgemeinde diesen Prozess begleitet und stellten das Ergebnis in einer Präsentation vor. Degenhart erläuterte, dass in der Satzung von 1981 die Baukultur und Ortsidentität im Vordergrund gestanden hätten. In der neuen Satzung gehe es auch um neue Baumaterialien, Barrierefreiheit, Klimaschutz, Artenschutz und Nachhaltigkeit.
Nach einer Ortsbegehung und Teilnahme an Sitzungen des Dorfentwicklungsausschusses hatten sich die beiden Architekten auch mit dem Kreisbaumeister des Landratsamtes Rosenheim auseinandergesetzt und ihren Entwurf anschließend im Gemeinderat vorgestellt.
Festgestellt wurde, dass die neue Satzung keine Abstandsflächen regeln und kein Baurecht schaffen darf. Gesprochen wurde über Baukörper, Fassadengliederung, Proportionen, Oberflächen und Farben. Auch die Starkregenereignisse der vergangenen Jahre müssten Eingang finden.
Ober sticht unter
Johannes Dragomir nahm mit der Feststellung „Ober sticht Unter“ den Faden auf und erklärte, dass Bundesrecht über dem Landesrecht stehe. Rechtsgrundlage für Bebauungspläne sei ein Bundesgesetz, die Gestaltungssatzung fuße auf der Bayerischen Bauordnung, also auf Landesrecht. Das bedeute: Wenn ein Bebauungsplan bestimmte Festsetzungen treffe, könne er nicht durch die Ortsgestaltungssatzung überspielt werden. Wenn aber ein Bebauungsplan keine Aussagen zu bestimmten Themen treffe, gelte die Ortsgestaltungssatzung.
Da in Bayern künftig nicht mehr als fünf Hektar pro Tag Fläche überplant werden sollten, soll ermöglicht werden, dass über Dachneigungen und Kniestöcke Dachgeschosse besser genutzt und ausgebaut werden können. So wurde im Ausschuss beschlossen, dass die Dachneigung von bisher 18 bis 23 Grad auf bis zu 30 Grad erhöht wird. Als Gauben sollen Giebel-, Schlepp-, Fledermaus- und Walmgauben zugelassen werden und Quergiebel sollen sich immer dem Hauptgebäude unterordnen.
Artenvielfalt und Barrierefreiheit
Christine Degenhart übernahm den Vortrag zum Thema Fotovoltaik. Es sollte so viel wie möglich Energie vor Ort generiert werden. Aber das sollte nicht unkontrolliert passieren, sondern sich harmonisch einordnen. Denn die Dachlandschaft präge das Bild einer Kommune. Auch Wärmepumpen sollten so angelegt werden, dass sie im Orts- und Straßenbild nicht allzu deutlich wahrnehmbar sind.
Ein weiteres wichtiges Thema sei die Artenvielfalt. „Sie ist gekoppelt, mit dem was wir mit guter Luft verbinden und mit dem Schutz vor Starkregenereignissen“, so Degenhart. Begrünungen an Fassaden und in einem Garten könnten Wasser speichern und ließen Artenvielfalt zu. Bäume im Ort seien auch raumbildend.
Barrierefreiheit ist ein Teil der Nachhaltigkeit und des Mehrwerts, damit die Nutzung der Gebäude in jeder Phase des Lebens möglich sei.
Gemeinderat muss final zustimmen
In den Schlussbestimmungen ist festgelegt, dass sich alle daran halten. Wer ohne Genehmigung von der Gestaltungssatzung abweicht, kann mit einer Geldbuße belegt werden. Um die Bürger an der Ausgestaltung der Satzung zu beteiligen, wurden drei Stationen aufgebaut, an denen viele Vorschläge und Anregungen aus der Bevölkerung eingingen.
Christine Degenhart und Johannes Dragomir werden die Vorschläge und Anregungen aus der Bevölkerung in die Ortsgestaltungssatzung aufnehmen und sie dann dem Gemeinderat Neubeuern zum endgültigen Beschluss vorlegen.