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Literarische Erinnerungen

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Lasen aus dem Briefwechselzwischen Hugo von Hofmannsthal und Ottonie Gräfin Degenfeld vor: Kathi Leitner und Josef Trost.  Riedl
Lasen aus dem Briefwechselzwischen Hugo von Hofmannsthal und Ottonie Gräfin Degenfeld vor: Kathi Leitner und Josef Trost. Riedl

Neubeuern – Im Rahmen der Neubeurer Kulturtage lasen Kathi Leitner und Josef Trost aus den Gästebüchern von Schloss Neubeuern vor.

Eingehend berichteten sie über die Biografien von Ottonie Gräfin Degenfeld und Hugo von Hofmannsthal.

Hofmannsthal war zusammen mit Max Reinhardt Begründer der Salzburger Festspiele. 1920 hatte der „Jedermann“ auf dem Domplatz Premiere. Josef Trost erinnerte daran, dass der „Neubeurer Jedermann“ 1988 zum ersten Mal auf dem Schloss Neubeuern gespielt wurde. Nach der Aufführung kam die Komtess Marie-Theres auf ihn zu und gratulierte der Theatergemeinschaft Neubeuern.

Kein Tagebuch geführt

Hugo von Hofmannsthal führte kein Tagebuch und so bildeten seine Briefe an Ottonie einen Einblick in seine Arbeit und seine Inte ressen. Aus diesem berühmten Briefwechsel trugen Kathi Leitner in der Rolle der Ottonie und Josef Trost als Hugo von Hofmannsthal Ausschnitte vor.

Am 1. Dezember 1906 trug sich Hugo von Hoffmanns thal zum ersten Mal in das Gästebuch von Schloss Neubeuern ein, während der Briefwechsel erst 1909 begann. Am 25. August 1911 schrieb Ottonie aus Hinterhör eine Antwort an Hoffmannsthal: „Mir kommt vor, er (der Brief) hat Waldluft mitgebracht. Ich habe keine Sehnsucht nach Ihnen, obgleich es wundervoll wäre Sie hier zu haben. Aber es ist beinahe so schön Briefe zu bekommen.“ „Wenn man die Briefe liest“, so Leitner, „spürt man die gegenseitige Anziehungskraft.“ Zwei Tage nach dem Selbstmord seines Sohnes und zwei Tage vor seinem Tod am 15. Juli 1929 erhielt Ottonie die letzte Postkarte von Hofmannthal.

„Die ersten Einträge in die Gästebücher von Schloss Neubeuern stammen aus dem Jahr 1882“, mit diesen Worten begann Josef Trost nach der Pause den Programmteil der Lesung aus den Gästebüchern. Einer der ersten Einträge wurde am 17. September 1882 in München geschrieben, denn das Gästebuch wurde dem Gast nachgeschickt. „Bis hierher in die Künstlerstadt dies Buch man mir geschicket hat. Drum mir die Pflicht noch liegend ob, zu kündigen Neubeuerns Lob.“ Phi-lipp von Eulenburg, ein Freund von Jan Wendelstadt, schreibt 1894 ins Gästebuch: „Lebt wohl ihr lieben Leute, du Paradies am Inn, ich bin so traurig heute, weil’s wieder geht dahin.“

Auch ein Baron von Glöden, Pionier der Aktfotografie, trug sich ins Gästebuch ein. Eine Freifrau von Plotho schreibt am 2. September 1904 ein Gedicht auf Hinterhör, Max Kleiber, Professor an der Kunstakademie in München, verewigte sich im August 1906, Annette und Max Kolb schreiben sich im August 1912 ein und Eugen Roth am 28. Februar 1946: „Ein Mensch fühlt oft sich wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt.“

Silvester 1908 findet sich ein Eintrag von Eberhard von Bodenhausen, Vorstandsmitglied bei der Friedrich-Krupp AG, Gästebuch: „Dichter war ich, Kaufmann bin ich, sollt‘ mich nie und nimmer richten, wenn ich heut nicht kann mehr dichten.“

Silvester 1912 wurde vom illustren Kreis der Neubeu rer Wochen der Wendelstein besucht. Der Dichter Rudolf Alexander Schröder verfasste dazu ein Gedicht mit dem Titel „Der Abstieg vom Wendelstein“. „Wendelstein, Wendelstein, leuchtest mir ins Herz hi nein, mit den kraftbewegten Waden sich nach oben fühlt getragen“. Warm gekleidet und frohgemut, fährt die Gesellschaft mit der Bahn den Berg hinauf und genießt die Aussicht. Und angeregt vom Weingenuss fühlten sie sich prächtig und beschlossen „selig munter, steigen wir den Berg hinunter“.

Eine Entscheidung, die von den anderen Gästen ob der unzureichenden Ausrüstung spöttisch belächelt wurde. Der Abstieg entwickelte sich dementsprechend auch zum Fiasko. Hugo von Hofmannsthal jammerte: „Liebe Gerti, ach ich rutsch, liebe Gerti ich bin schon futsch.“ Doch am Ende kamen sie mit blauen Flecken und Schrammen doch noch gut nach Hause und wünschten sich „ein Prost Neujahr nach bestandener Gefahr“.

Reinhard Käsinger bat Rose-Marie Gräfin von Degenfeld-Schonburg und Fritz von Schwartz, noch etwas von ihren Erlebnissen zu berichten. Fritz von Schwartz, Großneffe von Gräfin Ottonie, erlebte im Alter von elf Jahren das Literatentreffen in Hinterhör. Er erzählte, dass Hans Werner Richter, der Begründer der Gruppe 47, im Eichendorffhaus wohnte.

Apfelbäume abgeerntet

Dort gab es viele Apfelbäume, die abgeerntet werden sollten. Man hat sich eine Leiter ausgeliehen und alle haben mitgeholfen. Nur Richter lag in seinem Liegestuhl, las und machte keine Anstalten zu helfen. Als er sich nach mehreren Beschwerden doch dazu genötigt sah, stieg er ganz langsam die Leiter hoch, pflückte einen Apfel, stieg langsam wieder herunter, legte den Apfel auf den Tisch, sagte „Pause“ und legte sich wieder hin.

„Meine schönsten Erinnerungen“, so Gräfin von Degenfeld-Schonburg, „sind Erlebnisse, zusammen mit Marie-Theres. Sie kam jeden Sommer nach Hinterhör. Immer wenn sie aus Amerika nach Deutschland kam, wollte ich ihr etwas Interessantes bieten und habe sie zu literarischen Zielen geschleppt. Und alle Literaturprofessoren dachten, ich wäre ihre Tochter. Das hat mich sehr gefreut.“

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