Bürokratie und Regelwahn in Rosenheim
Trotz vieler Spenden: Warum Flüchtlinge aus der Ukraine nicht ans Nötigste zum Leben kommen
- VonJens Kirschnerschließen
Die Hilfsbereitschaft für ukrainische Flüchtlinge in der Region ist groß. Auch Private nehmen spontan Menschen aus der Kriegsregion auf, scheitern jedoch oft dann, wenn es darum geht, Hilfe für ihre neuen Mieter zu bekommen.
Rosenheim – Eine Familie aus der Ukraine hat Martin Simeth bei sich in Fürstätt untergebracht. Genauer gesagt, in seinem Elternhaus. Und Simeth steckt mittendrin in Sachen Integration, organisiert, tut und macht.
Bei Behörden auf Granit gebissen
Er stellt einen Deutschkurs für seine Familie aus der Ukraine auf die Beine. Das nicht ohne Grund. In zwei bis drei Monaten will er sie auch in Lohn und Arbeit gebracht haben. Auch sonst versucht der Fürstätter, die traumatisierten Menschen ein wenig von den Geschehnissen in ihrer Heimat abzulenken.
Schwierigkeiten hatte der Rosenheimer hingegen damit, die erste Alltagsausrüstung für seine neuen Mieter zu organisieren, die sich nur mit dem Allernötigsten ihr Land verlassen haben. Kleidung, aber auch Fahrräder, damit die Familie mobil ist und Arztbesuche genauso wahrnehmen kann wie Amtsgänge. Doch bei den zuständigen Stellen der Stadt Rosenheim habe Simeth hier mehr oder minder auf Granit gebissen, wenn er nach Hilfsgütern gefragt habe.
Geld für Kleidung
Auch Andreas Buchmann aus Stephanskirchen hat privat Flüchtlinge untergebracht und sieht sich mit der Situation konfrontiert, dass diese ohne Geld derzeit nur schwer an Dinge wie Kleidung kommen. Dem einstigen Kämmerer der Stadt Rosenheim erschließt sich dieser Umstand nicht. Schließlich werden überall für die Ukraine Spenden gesammelt, darunter auch Kleidung und Schuhe.
Gleichzeitig finde sich in der Region Rosenheim nach seiner Ansicht jedoch keine soziale Ausgabestelle, bei der Flüchtlinge kostenfrei solche Sachspenden entgegennehmen können. Auch die Kleiderläden der einschlägigen Hilfsorganisationen verlangten Geld, wenn auch nur kleine Beträge.
Kein Umtausch ukrainischer Währung
Selbst wenn Ukrainer Bargeld in ihrer Landeswährung mitbringen: Derzeit tauschen die Banken die ukrainischen Hrywnja nicht in Euro um. Denn in diesen Kriegstagen drohe, dass die Kreditinstitute auf den Banknoten sitzen blieben, wie Andreas Lindner, Abteilungsleiter des internen Bereichs bei der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling erläutert. Durch den Krieg seien auch die Zahlungswege in die Ukraine abgeschnitten und es besteht keine Möglichkeit, die Währung in deren Ursprungsland zurückzutauschen. „Im Zweifel machen wir Verlust“, sagt Lindner, verweist aber ebenso darauf, dass die Deutsche Kreditwirtschaft – Dachverband der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände – derzeit an einer Lösung arbeite.
Vorschuss auf Leistungen
Auf der anderen Seite: Sozialleistungen stehen Flüchtlingen erst dann zu, wenn der Staat von ihnen offiziell weiß, sprich: Bevor sie sich registrieren lassen, fließt kein Geld vom Staat. Auch krankenversichert sind die Flüchtlinge erst dann, wenn die Registrierung erfolgt ist.
Die OVB-Heimatzeitungen haben sowohl die Stadt als auch den Landkreis Rosenheim und hiesige Hilfsorganisationen mit diesem Problem konfrontiert. Die Stadt verweist darauf, dass sie in Notlagen auf Antrag einen Vorschuss auf das Geld zahlen kann, was den Flüchtlingen nach der Registrierung zusteht. „Eine pauschale Zahlung an alle ankommenden Menschen ohne Antrag ist nach geltendem Recht nicht möglich.“
Der Landkreis Rosenheim beruft sich ebenso darauf, dass er keine Hilfen gewähren könne, die über jene Leistungen hinausgehen, welche das Asylbewerberleistungsgesetz vorgibt. „Das heißt nicht, der Landkreis würde sich nicht engagieren“, entgegnet Kreissprecher Michael Fischer und verweist auf die „vielen Angebote ehrenamtlichen Engagements“, welche das Landratsamt erreichten. Diese Angebote würden geordnet und bei Bedarf vermittelt.
Strukturierte, nachhaltige Hilfen
Merklich diffuser fallen die Antworten der Hilfsorganisationen aus. „Der BRK-Kreisverband Rosenheim sammelt keine zweckgebunden Geld- oder Sachspenden für den Ukrainekonflikt“, sagt Matthias Baumann-von Kramer, verantwortlich für die Pressearbeit beim Krisenstab des Rosenheimer Bayerischen Roten Kreuzes.
„Aktuell versorgen wir im Rahmen unseres Regelangebotes und kooperieren mit allen relevanten Stellen. Die Hilfsbereitschaft ist sehr, sehr groß. Wir bemühen uns aktuell, die konkreten Bedarfslagen zu identifizieren und zielgerichtet und kanalisiert zu leisten“, heißt es vonseiten der Rosenheimer Diakonie.
Alle gleich behanden
Konkreter wird die Vorsitzende des Diakonischen Rats der Rosenheimer Diakonie, Beatrix Frank-Baur. Sie verweist darauf, dass die Sozialkaufhäuser der Diakonie allen Bedürftigen offen stehen und diese von den Mitarbeitenden gleich behandelt würden.
Und die Caritas findet: „Wichtig ist, dass die Hilfen strukturiert werden, nur dann ist es nachhaltig.“
Dass es auch unkompliziert geht, zeigen sowohl der Staatskonzern Deutsche Bahn, wie auch die Münchener Verkehrsbetriebe. Hier dürfen Menschen, welche die Ukraine kriegsbedingt verlassen mussten, bis auf Weiteres Bus und Bahn kostenfrei nutzen.