41-Jähriger verurteilt
Schuldig des versuchten Mordes
- VonMonika Kretzmer-Diepoldschließen
Traunstein/Tuntenhausen – In Lebensgefahr mitten in der Nacht brachte ein 41-jähriger Rumäne, den das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler gestern zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und Unterbringung zum Alkoholentzug verurteilte, die 20 Bewohner einer Unterkunft für osteuropäische Staatsbürger in der Ortsmitte von Tuntenhausen.
Er verschüttete in Zimmer Nummer 13 eine brennbare Flüssigkeit und entzündete sie. Bei der Flucht aus dem Raum erlitten zwei Männer schwere Brandverletzungen.
An der Tankstelle Benzin gekauft
In den ersten Stunden des 20. Juni 2021 gegen 1.40 Uhr war der betrunkene 41-Jährige gemäß Anklageschrift der Staatsanwaltschaft in das Zimmer der beiden Männer gegangen. Einer der Schlafenden wurde wach und fragte, was los sei. Der Eindringling rief mehrmals: „Ich bring euch um, ich fackel euch ab.“ Er vergoss den 2,5-Liter-Kanister mit Benzin, den er zuvor auf der Fahrt mit einem Freund von München nach Tuntenhausen an einer Tankstelle gekauft hatte, und steckte das hochgefährliche Benzin-Luft-Gemisch mit einem Feuerzeug in Brand.
Millionenschaden durch das Feuer
Die Flammen griffen über auf den Raum und letztlich auf das ganze Wohnheim. Die Integrierte Leitstelle alarmierte gegen 1.50 Uhr die Feuerwehren Tuntenhausen, Bad Aibling, Beyharting und Ostermünchen zur Bekämpfung des Großbrands. Kräfte der Kreisbrandinspektion sowie Rettungsdienste aus den Landkreisen Rosenheim und Ebersberg leisteten Unterstützung, ebenso die Polizei. Beim Eintreffen der Helfer stand das Mehrparteienhaus schon in Vollbrand. Trotz des schnellen Löscheinsatzes brannte die Immobilie aus. Den Gebäudeschaden bezifferten Fachleute später mit knapp einer Million Euro, den Hausratschaden mit weiteren rund 200.000 Euro.
Alle Bewohner konnten letztlich gerettet werden, der größte Teil unverletzt, wenige mit leichten Blessuren. Die zwei Männer aus Zimmer 13 allerdings hatten schlimme Folgen erlitten. Einer musste mit lebensgefährlichen Verletzungen mit dem Rettungshubschrauber in die Unfallklinik Murnau geflogen werden. Er wies an 60 Prozent seiner Körperoberfläche Verbrennungen zweiten Grades auf.
Eine Rechtsmedizinerin berichtete in dem dreitägigen Prozess, sie habe noch nie vorher derartige Brandwunden gesehen. Der Geschädigte musste vier Operationen einschließlich mehrerer Hauttransplantationen durchmachen und bis 9. August 2021 stationär im Krankenhaus bleiben. Der Mitbewohner kam ins Klinikum Rosenheim – mit Verbrennungen zweiten Grades an beiden Unterschenkeln und am rechten Oberkörper sowie einem Inhalationstrauma.
Den Großbrand im Zen trum von Tuntenhausen konnten die Feuerwehren gegen 3 Uhr morgens weitgehend löschen. Danach waren nur mehr kleinere Nachlöscharbeiten erforderlich. Der Kriminaldauerdienst und das Fachkommissariat 1 der Kripo Rosenheim nahmen umgehend die Ermittlungen auf, zunächst in alle Richtungen. Aufgrund der Sprachbar riere wurde eine Dolmetscherin hinzugezogen. Die ersten Erkenntnisse der Kripo führten auf die Spur des 41-jährigen Bewohners, der nach der Tat geflüchtet war. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Bereits am Sonntagmorgen klickten am Bahnhof Ostermünchen die Handschellen. Seither saß der 41-Jährige in Untersuchungshaft.
In der Hauptverhandlung wurde das Motiv des geständigen Angeklagten nicht recht klar. Der 41-Jährige gab fehlende Erinnerung an. Gleichzeitig schloss er die Täterschaft nicht aus. Er habe sehr viel getrunken gehabt, meinte er. Weitere Angaben machte er nicht. Brandstifter und Opfer kannten sich seit der Kindheit aus ihrem Heimatdorf in Rumänien und hatten seit Jahren immer wieder Streit.
Bewohner hatten „großes Glück“
Der Staatsanwalt warf dem Angeklagten im Schlussantrag 20-fachen versuchten Mord und weitere Delikte vor, unter anderem „schwere Körperverletzung“ ob der bleibenden Narben und gefährliche Körperverletzung. Entgegen der Anklage ging der Staatsanwalt davon aus, der 41-Jährige habe den Mann wohl nicht direkt mit Benzin bespritzt. Die Männer in dem Zimmer, wie die im übrigen Haus zumeist schlafenden Bewohner, hätten „großes Glück“ gehabt, zu überleben. Der Staatsanwalt forderte 13 Jahre Gefängnis und Unterbringung in einer Entzugsanstalt.
Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim betonte, insgesamt habe die Brandstiftung noch relativ glimpflich geendet. Eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren und die Unterbringung wegen der Alkoholabhängigkeit seines Mandanten seien ausreichend.
Das Schwurgericht hielt neben der Unterbringung jedoch eine deutlich höhere Freiheitsstrafe für unumgänglich – wegen versuchten Mordes, versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, schwerer Brandstiftung, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung. Vorsitzender Richter Volker Ziegler verkündete im Urteil, vor Antritt der Alkoholtherapie in geschlossener Unterbringung müsse der 41-Jährige viereinhalb Jahre der Strafe in einer Justizvollzugsanstalt verbüßen.