Beherbergungsverbot
Keine Urlaubsgäste aus Risikogebieten: In Rosenheim geht Angst vor „Stornierungswellen“ um
- VonMichael Weiserschließen
Keine Gäste mehr aus Risikogebieten, und das ab Donnerstag: So verkündete es Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwochnachmittag. Das Beherbergungsverbot schlägt in der Region hohe Wellen. Wegen des Aufwands, seiner abschreckenden Wirkung und der Ungewissheit. Denn: Was ist ein Risikogebiet?
Rosenheim/Rohrdorf – „Oh Gott“, entfährt es Martin Kupferschmied, als er von den OVB-Heimatzeitungen mit der jüngsten Entwicklung der Corona-Lage konfrontiert wird: ein Beherbergungsverbot für Gäste aus innerdeutschen Risikogebieten. „Also, das ist noch mal ein richtiger Hammer“, sagt der Chef des Happinger Hofs in Rosenheim. Und fürchtet um „die paar Gäste, die man grad noch hat“.
Ministerpräsident Markus Söder verkündete das Verbot gestern Nachmittag. Wer aus einem Risikogebiet kommt, darf demnach nicht in einem bayerischen Betrieb übernachten. Es sei denn, er kann einen negativen Corona-Test vorweisen. Was als Risikogebiet ausgewiesen wird, dürfte eine spannende Frage sein: Tirol zum Beispiel wurde zwar vom Auswärtigen Amt als Risikogebiet ausgewiesen. Doch taucht es im bayerischen Ministerialblatt nicht als solches auf – und gilt damit nicht als Risikogebiet nach bayerischer Satzung.
Was sagt das Ministerialblatt?
„Wir hoffen, dass es einen Vorlauf gibt“, sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, mit Blick auf diese Regelung. „Wir wollen mal sehen, wie das praktikabel umsetzbar ist.“ Allerdings richte schon die Ankündigung einer solchen Regelung Schaden an. Eine solchen Warnung, so sagte es der Bad Aiblinger auf Anfragen der OVB-Heimatzeitungen, ziehe „Stornierungswellen“ nach sich.
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Auch andere Gastronomen und Touristiker in der Region Rosenheim stellen die Fragen nach der Umsetzung. Christina Pfaffinger von der Chiemsee-Alpenland Tourismus GmbH will „erst mal die Verordnung abwarten“. Welche Gebiete genau auf welcher Grundlage genannt werden, ob zum Beispiel die tiefroten Stadtbezirke Berlin-Mitte und Neukölln oder gleich die gesamte Bundeshauptstadt als Risikogebiete zählen: Das war Stand Mittwochabend nicht klar.
Inzidenzzahl genügt als Maßstab nicht
Fraglich ist zum Beispiel auch, ob die Inzidenzzahl als Maßstab gelten kann. Die Stadt Rosenheim wurde auf der Deutschland-Karte immer mal wieder als Hotspot geführt. Doch schwankten die Zahlen der Sieben-Tage-Inzidenz, hochgerechnet auf 100.000 Einwohner, eben ganz gehörig. Geppert weist auf Kriterien wie Infektionsketten hin. Können diese Verläufe von Ansteckungen nachverfolgt werden, etwa wegen eines Massenausbruchs in einem Seniorenheim, sei die Seuche dennoch leichter unter Kontrolle zu halten, als wenn überall im Landkreis Infektionsherde aufflackerten. „Das ist im Alltag doch ein Wahnsinn“, sagt die Theresa Albrecht, Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands. „Das bewegt sich dauernd auf und ab.“
Eine Ankündigung, die viele vor den Kopf stößt
Das allgemeine Gefühl gestern Abend war wohl Überrumpelung. Thomas Bugl, Wirtschaftsdezernent der Stadt Rosenheim, will den genauen Wortlaut der Verordnung abwarten. Er ahnt schwierige Auseinandersetzungen: Gilt das Recht auf Gesundheit mehr als das Recht auf Freizügigkeit? „Ich möchte nicht in der Haut von Verfassungsrechtlern stecken.“
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Absehbar ist, dass das Gefühl der Überforderung wächst. „Ich hab‘ langsam die Nase voll, die Mitarbeiter auch“, sagt Martin Kupferschmied. „Da musst du ständig das Hygienekonzept anpassen, und kommt noch dies und jenes. Diesen Aufwand hat man langsam satt.“ Theresa Albrecht ist ebenfalls bestürzt: „Es gibt immer wieder Vorschriften, und das ist oft unüberlegt.“ Die Menschen werden der Regelungen müde und halten sich irgendwann nicht mehr dran, glaubt sie. Und gibt jeder Urlauber wahrheitsgetreu Auskunft? „Du kannst nicht von jedem Gast erfragen, wo er zuletzt gewesen ist.“