W-Hoch-Drei zeichnet Wissensträger
„Ich kann meine Meinung sagen“ – Wie junge Migranten für eine gerechte Gesellschaft einstehen
- VonKatharina Koppetschschließen
Wie lauten die ersten fünf Artikel des Grundgesetzes? Vielleicht kriegt man noch die ersten zwei zusammen, doch dann wird es schon schwieriger. Nicht jedoch für zehn junge Migranten die sich im Zuge des Projekts W-Hoch-Drei zu sogenannten Wissensträgern haben ausbilden lassen. Sie setzen sich in Deutschland gegen Rassismus und für Gleichberechtigung einsetzen.
Bad Endorf – Weiße runde Kreise liegen als Stolpersteine im Eingangsbereich von Marias Kino in Bad Endorf. Auf den Stolpersteinen steht Gleichberechtigung, Grundrechte, aber auch Rassismus, Hass Vergewaltigung – als Mahnung was passiert, wenn Ersteres vernachlässigt wird.
Das Projekt W-Hoch-Drei – Wissen, Werte, Wir – das eine Initiative der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration Alpenvorland ist, hat zum Ziel einen verantwortungsbewussten Umgang miteinander unter Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte in Deutschland zu fördern. Zehn junge Menschen mit Migrationshintergrund haben sich zu sogenannten Wissensträgern ausbilden lassen. Nun war die offizielle Zertifizierungsfeier.
Ausflüge und Treffen
Was bedeutet Gleichberechtigung? Was bedeutet gewaltfreies Zusammenleben auf Augenhöhe? Und wie kann die demokratische Gesellschaft gestaltet werden? Mit diesen Fragen haben sich die zehn jungen Menschen im vergangenen Jahr beschäftigt. Sie sind in der Region Rosenheim bereits die zweite Generation von Wissensträgern.
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Die engagierten Jugendlichen haben an wöchentlichen Treffen und Ausflügen teilgenommen, unter anderem in das ehemalige Konzentrationslager Dachau, das heute eine Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes ist. Mit Rollenspielen wurde die Gruppe an schwierige Themen wie Radikalisierung, Extremismus, Flucht und Migration, Gewalt und Selbstvertrauen herangeführt und haben personale, interkulturelle und soziale Kompetenz aufgebaut.
Alltagsrassismus in Deutschland
Wissensträgerin Ethar Al-Maflehi, die aus dem Jemen stammt und seit drei Jahren in der Region wohnt, weiß wie es sich anfühlt in einem Land zu leben, indem Frauen unterdrückt werden. „Hier kann jeder seine Meinung sagen, egal welche Religion er hat“, betont die 19-jährige Frau.
Doch obwohl das deutsche Grundgesetz in Artikel vier besagt, dass die Freiheit des Glaubens unverletzlich ist, fügt Ethars Schwester Khulood hinzu, dass es in Deutschland nach wie vor Alltagsrassismus gäbe. „Menschen mit einem Kopftuch werden zum Teil wie andere Menschen behandelt“, beschreibt sie das Misstrauen, dass ihr zum Teil entgegengebracht wird.
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Genau deswegen wurde das Projekt Wissen-Hoch-Drei von Cornelia Graf, der Projektkoordinatorin ins Leben gerufen. „Ich weiß nicht, wie es ist, Schwarz zu sein. Ich weiß nicht, wie es ist irgendwo zu leben, wo ich eine ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheit bin“, so Graf in ihrer Rede. In Deutschland gebe es nach wie vor Rassismus, Diskriminierung und Vorurteile zum Beispiel beim Arbeits- und Wohnungsmark. „Wir dürfen nicht schweigen und müssen unsere Privilegien infrage stellen“, appelliert die Koordinatorin.
Diesem Appelle sind zehn jungen Menschen gefolgt. Mit der jetzigen Zertifizierung sollen die Ausgezeichneten nun ihr Wissen weiter verbreiten. Sie dürfen an Schulen, in Jugendgruppen und -treffs gehen, um das Erlernte weiterzugeben.
Denn – so ist das Schlusswort der Veranstaltung ein Zitat von Mahatma Gandhi: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“