27-Jährigen mit Messer schwer verletzt
„Ohne Vorwarnung zugestochen“: 25-Jähriger muss nach Attacke bei Wasserburg vier Jahre in Haft
- VonMonika Kretzmer-Diepoldschließen
Es begann mit einem Streit um ein paar ausgeliehene CDs – und endete in einer lebensgefährlichen Messerattacke: Ein 25-jähriger Mann ist vor dem Landgericht Traunstein am Montag zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er bei Wasserburg auf einen 27-Jährigen eingestochen hatte.
Traunstein/Wasserburg – Ein hochgefährlicher Messerstich in den Bauch stand am Ende eines Streits unter langjährigen Freunden wegen nicht zurückgegebener CDs. Das 27-jährige Opfer überlebte den Angriff in Wasserburg. Den 25-jährigen Täter verurteilte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler am Montag (14. Februar) wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Haftstrafe von vier Jahren und Unterbringung in einer Entzugsklinik. Das Urteil wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage rechtskräftig.
Der 25-Jährige verließ am 11. August 2021 gegen 22 Uhr mit etwa 1,4 Promille eine Shisha-Bar in Wasserburg. Er griff das teure E-Bike seines Freunds, der draußen saß, und radelte etwa drei Kilometer zu einem Bekannten. Der 27-Jährige folgte ihm mit anderen per Pkw bis zu der Wohnung. Anlass für die ganze Aktion waren sechs oder sieben angeblich seltene CDs, die der Ausleiher weiterverliehen und trotz ständiger Mahnungen nie zurückerstattet hatte.
Seit der Tat in Untersuchungshaft
Als der 27-Jährige an dem Anwesen eintraf, entdeckte er am Zaun sein E-Bike und wollte es aus dem Garten schieben. Unmittelbar drauf stach der 25-Jährige zu. Dann entfernte er sich mit dem Rad Richtung Edling und wurde kurze Zeit später vorläufig festgenommen. Seither saß er in Untersuchungshaft.
Der 27-Jährige wurde damals ins Klinikum Wasserburg eingeliefert und notoperiert. Er hatte eine fünf bis sechs Zentimeter tiefe, zwei bis drei Zentimeter lange Stichwunde in den linken Oberbauch, einen Bluterguss im Brustraum und innere Blutungen davon getragen. Von den elf Tagen im Krankenhaus musste er fünf Tage auf der Intensivstation bleiben. Sechs Wochen war er nicht arbeitsfähig. In der Hauptverhandlung sahen sich die Prozessbeteiligten die großen Narben im Bauchbereich des außerdem von psychischen Folgen wie Schlafstörungen geplagten 27-Jährigen an.
Narben im Bauchbereich und psychische Folgen
In den Plädoyers und im Urteil spielte der ursprünglich angeklagte „besonders schwere Raub“ des E-Bikes keine Rolle mehr. Der Grund: Der 25-Jährige wollte sich das Rad nicht aneignen, sondern es nur als „Pfand“ für seine CDs verwenden. Übereinstimmung herrschte auch bezüglich einer Unterbringung zum Entzug.
Staatsanwalt Wolfgang Fiedler beantragte wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr durch die Radlfahrt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Vor der Unterbringung seien vorweg zwölf Monate im Gefängnis zu verbüßen. Der Staatsanwalt hob die Folgen für den Nebenkläger heraus. Die entstellende Narbe werde den 27-Jährigen ein Leben lang an jene Nacht erinnern. Der Bauchraum sei ein vulnerabler Bereich: „Es ist purer Zufall, ob das Opfer überlebt.“
Eine Minderung des Strafrahmens wegen der Alkoholisierung sei abzulehnen. Der Angeklagte habe gewusst, dass er unter Alkoholeinfluss zu Straftaten neige. Nebenklagevertreter Andreas Müller aus München schloss sich namens des Geschädigten an. Sein Mandant habe drei Dinge nicht verstanden: Den Anlass mit den CDs, die Eskalation mit dem Messerstich und die lange fehlende Entschuldigung des 25-Jährigen.
Kurz vor den Plädoyers hatte Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim über einen Täter-Opfer-Ausgleich informiert. Der 25-Jährige habe sich entschuldigt, der Geschädigte dies auch akzeptiert. Dazu seien, unberührt von weiteren künftigen Zahlungen, 5 500 Euro in bar als Wiedergutmachung übergeben worden.
Drogen- und Alkoholsucht
Im Schlussantrag gelangte Dr. Markus Frank im Gegensatz zum Staatsanwalt zu einer mehrfachen Minderung des Strafrahmens. Nicht mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe seien zu verhängen. Im „letzten Wort“ versicherte der Angeklagte, er werde seine Drogen- und Alkoholsucht bekämpfen – „damit sich solche Situationen nicht wiederholen“.
Im Urteil begründete Vorsitzender Richter Volker Ziegler, der Angeklagte habe „in trunkenem, nicht verkehrssicherem Zustand ein Fahrzeug geführt – auch wenn es nur ein Rad war“. Der 25-Jährige habe anlasslos und ohne Vorwarnung sofort zugestochen. Scharfe Worte fand Ziegler für die ausgeübte „Selbstjustiz“: „Wir sind stolz auf unseren Rechtsstaat. Jeder kann Hilfe bekommen.“
Zum Thema Unterbringung verwies der Vorsitzende Richter auf die erheblichen Alkohol- und Drogenprobleme des Angeklagten – „die wieder in einer Straftat gemündet haben“. Eine sogenannte „Hangtat“ liege vor. Der 25-Jährige sei therapiewillig und einsichtig. Einen Vorwegvollzug habe die Kammer nicht angeordnet, werde doch die Untersuchungshaft angerechnet.