Seele baumeln lassen im Bilderbuch-Idyll
Eintauchen in die Kulturlandschaft Streuobstwiese
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Wo hat der Wiedehopf Schmetterlinge im Bauch und wo summen Bienen und andere Insekten scheinbar besonders fröhlich umher? Wo ist die Natur noch in Ordnung und lädt zum Verweilen ein? Es sind die Streuobstwiesen, die nicht nur Tieren ein wertvolles Wohlfühl-Refugium bieten.
München– Auch auf Menschen haben die traditionellen Kulturlandschaften einen positiven Effekt. Bäume verschiedenster Obstsorten wachsen einvernehmlich in unregelmäßigen Abständen. Die hohen Stämme lassen am Boden ausreichend Raum für Tiere aller Art – ebenso wie für Spaziergänger und Ausflügler, die Ruhe und Erdung suchen.
Denn hier baumeln nicht nur Äpfel und Birnen, sondern auch die Seele. Doch die Bilderbuch-Idylle ist bedroht: Die ökologisch wertvollen Kulturlandschaften zählen heutzutage zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas. Sie stehen vielerorts der maschinengerechten Bewirtschaftung oder etwa Bauvorhaben im Wege.
Zudem können ihre Eigentümer sie wegen aufwändiger Pflege oft nicht am Leben erhalten. Heute gibt es nur knapp sechs Millionen Bäume, während es 1965 noch 20 Millionen waren. Je mehr das Bewusstsein für die Kulturlandschaft wächst, desto besser ist die Perspektive. Denn nur, wer Streuobstwiesen kennt, weiß oder lernt sie auch zu schätzen.
Wer der Streuobstwiese im wahrsten Sinne auf den Grund gehen möchte, findet in vielen Regionen Bayerns malerische Genusswanderwege, Erlebnis- und Lehrpfade. Ein entspannter Ausflug in die Natur lässt sich gerade im Spätsommer und Herbst mit einem Besuch eines regionalen Markts oder Fests verbinden.
Ein kulinarischer Ausflug auf Bayerns Streuobstwiesen
Der Pfannkuchen- und der Prinzenapfel, die Ananas- oder Champagnerrenette, der Rote Bellefleur und der Charlamowsky haben etwas gemeinsam: Die Äpfel mit den klangvollen Namen wachsen auf Bayerns Streuobstwiesen und versprechen nicht nur ein außergewöhnlich aromatisches Geschmackserlebnis – sie halten es auch.
Da entfalten sich im Mund feine Zimtaromen oder eine zarte Muskatwürze, oder es schmeckt gar nach Himbeere oder Rose. Jede der etwa 2.000 alten Obstsorten, die im Biotop Streuobstwiese wachsen, hat ihre ganz eigene Genussformel – und deutlich mehr Nährstoffe als ein Plantagenapfel.
Das liegt zum einen daran, dass die hochstämmigen Bäume der Streuobstwiese dank der größeren Kronen über eine größere Blattfläche verfügen. Außerdem regulieren die alten Sorten die Zahl ihrer Früchte selbstständig.
Je mehr Ressourcen also zur Verfügung stehen, desto mehr Äpfel hängen am Baum – Überbehang ausgeschlossen. Dadurch gelangen mehr wertvolle Inhaltsstoffe in die einzelne Frucht, unter anderem die für die gesundheitsfördernde Wirkung der Äpfel wichtigen Polyphenole.
„An apple a day keeps the doctor away“ – frisch vom Baum ist der Streuobst-Apfel ein gesunder Genuss. Aber auch als direkt und schonend gepresster Saft, als Saftschorle, Secco, Sekt oder Edelbrand schmeckt der ungespritzte, erntefrische Apfel hervorragend.
Weitere Informationen zu Streuobst in Bayern auf www.streuobst-blueht.de.
Fruchtgenuss am Bodensee
Die vier bayerischen Gemeinden Lindau, Wasserburg, Nonnenhorn und Bodolz bilden gemeinsam den LINDAUER BODENSEE. Auf einer Strecke von elf Kilometern kommen Radelnde an allerhand Genussstationen vorbei. Malerische Streuobstwiesen säumen den Weg, wo Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen gedeihen.
In zahlreichen Hofläden warten die geschmacksintensiven Früchte in Form von Most, Wein, Bränden, Likören, Marmeladen und Gelees auf ihre Abnehmer.
Am See finden sich außerdem die sogenannten „Rädle“ oder „Besenwirtschaften“, in denen der eigene Most und Wein ausgeschenkt werden.
Von Bad Feilnbach über Rohrdorf ins obere Isental: per Fahrrad durchs Apfelland
Bad Feilnbach am Fuße des Wendelsteins ist das einzige Obstanbaugebiet Deutschlands mit rein ökologischem Hintergrund. Die rund 25.000 Obstbäume, größtenteils Äpfel, wachsen auf weitläufigen Streuobstwiesen. Auf Bayerns größtem Apfelmarkt werden von 7. bis 9. Oktober 2022 über 200 Apfelsorten präsentiert, außerdem gibt es allerhand heimische Spezialitäten wie Brände, Liköre, Marmeladen oder Essig zu probieren.
Auch in Rohrdorf dreht sich die Welt um den Streuobst-Apfel. Die Hofbrennerei beim Graz’n produziert edle Produkte wie den „Geiginger Apfelbrand“ oder den „Geiginger Stadllikör“. Finales Idyll der 76 Kilometer langen Fahrradtour ist das Obere Isental. Neben einer Vielzahl traditionsbewusster Gasthöfe laden die Verkostungspavillons der beiden ortsansässigen Brennereien Pointner und Franzl zur Einkehr ein.
Die Hofbrennerei Oberkorb ist für ihre Destillate sogar weltbekannt („Destille of the Year“ 2015). Um die „Edition Toxique“ herzustellen, werden seltene Früchte wie Attich, Hirschholunder oder Gemeiner Schneeball in Wildsammlung geerntet und verarbeitet.
So ein Saftladen
Wer sich durch die Vielfalt der fruchtigen Aromen probieren möchte, findet im Folgenden sommerliche Ideen:
- Kirsche triff Apfel – Brombachseer KirschSpritz & KirschCider
Der Brombachseer KirschSpritz ist das erste alkoholfreie Erfrischungsgetränk, das unter der Marke „Echt Brombachseer“ vertrieben wird. Die leckere Apfel-Kirsch-Schorle besteht aus Äpfeln und Süßkirschen der Streuobstwiesen am Brombachsee.
- Spritziger Apfel mit einem Hauch Süden – POMME200 aus dem Nürnberger Land
Auf Abwechslung und Bio-Qualität aus dem Nürnberger Land setzt die Streuobstinitiative Hersbrucker Alb e.V. Immer auf der Suche nach neuen, interessanten Kombinationen, produziert sie unter dem Label POMME200 prickelnde Früchtekompositionen, wie beispielsweise die Bio-Apfelsaftschorle mit einem Hauch Bergamotte. Auch hier wird auf hundertprozentige Nachhaltigkeit geachtet – genau wie die Äpfel kommt das „Grüne Gold“ der traditionsreichen Zitrusfrucht Bergamotte bei POMME200 aus 100 % biologischem Anbau
- DIY-Kräuter-Drink – Gierschlimonade vom fränkischen Hesselberg
Die saftigen Erzeugnisse von hesselberger reichen hier von Direktsäften über Schorlen bis hin zu Cider oder Seccos. Hingucker ist sicher die selbst gemachte Gierschlimonade: Einfach einen Kräuterstrauß in einen Liter Apfel-Direktsaft hängen, kräftig drücken und kühl stellen. Drei Stunden ziehen lassen, Strauß herausnehmen, den Saft einer Zitrone zugeben und mit einem halben Liter Mineralwasser aufspritzen. Für den Strauß zum Beispiel zehn Blätter von Giersch, eine Ranke Gundermann und ein Stängel Pfefferminze verwenden.
- Jetzt wird es wild – Apfel-Holunderlimonade von Schlaraffenburger
Der Schlaraffenburger Apfelsaft aus der Region Bayerischer Untermain schmeckt nicht nur pur und als Schorle, sondern eignet sich auch hervorragend für eine Wildkräuter-Limonade. Durch die Zugabe von Holunder und etwas Orangenminze oder Waldmeister verwandelt sich der Apfelsaft nach kurzer Zeit in eine sommerliche Erfrischung. So einfach geht’s: Kräuter nach Wahl hinzugeben, zwei Stunden ziehen lassen, abseihen und mit Sprudel anreichern. Der Clou: Bei der leckeren DIY-Limonade spart man sich den Zucker herkömmlicher Limonaden.