„Vo Ort zu Ort“
So kommt der „Gasteig“ zu seinem Namen
In München thront das Kulturzentrum Gasteig prominent über der Isar. Aber auch in der Region findet sich mehrfach diese Adresse. Was aber bedeutet Gasteig?
Quot capita, tot sententiae = Wie viele Köpfe, so viele Meinungen: Wohl für kaum einen der Ortsnamen unserer Region trifft diese Sentenz besser zu als für die Aussprache und Worterklärung des Namens „Gasteig“. Abgesehen vom Münchner Kulturzentrum Gasteig, das am rechten Isarhochufer oberhalb der Ludwigsbrücke förmlich „thront“, gibt es dutzende Gasteig-Örtlichkeiten im Salzburger Land, aber oftmals auch in unserer Region, so etwa im Raum Neubeuern und Ramerberg, aber auch bei Trostberg und Grafing bei München. Eine kurze Umfrage unter sprachlich interessierten Personen zeigt die folgenden Ergebnisse. Zuerst ein paar Münchner Gewährspersonen: Bankerin Sonja sagt „der Gas-teich“, wobei sie das (vermeintliche?) Grundwort „Teich“ betont und das A hell und kurz ausspricht. Was der Name bedeutet, weiß sie nicht, aber darüber kann auch Bedienung Nena – sie sagt „das Gasteig“ – keine Auskunft geben. Über so viel Unkenntnis kann ein Neubeurer Bürger, der gerade den Garten seines Hauses, das an der Straße „Am Gasteig“ liegt, auf Vordermann bringt, nur lachen. „Mei, die Münchner haan schoo a spezielle Rass! Dawei is dees doo ganz oafach zun versteh: Der Gasteig, auf boarisch da Gaschdeig, is da gaache Steig!“
Ortstermin in Neubeuern
Der Hausbesitzer präzisiert die Örtlichkeit, indem er den Straßenabschnitt zwischen Innstraße und dem Münchner Tor, dem westlichen Eingangstor in den historischen Markt Neubeuern, als „Am Gasteig“ bezeichnet. Er erwähnt zudem noch einen zweiten Gasteig, der sich im Bereich von Altenbeuern erhob. „Friaras warn Nei- und Oidnbeian zwoa eingne Gmeindn. A jede hod an Gaschdeig ghobd.“
Aber: Stimmt die Auskunft „gaacher Steig“ überhaupt? Die Realprobe zeigt sowohl für den Münchner als auch für den Neubeurer Gasteig einen steilen Anstieg. Aber was meint die Sprachwissenschaft? Im Bayerischen Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller aus dem 19. Jahrhundert liest man „das Gastaig (…) ist sicher Gaiß-staig“. Zugleich wird neben dem steilen Weg für Geißen (Ziegen) auch auf den Begriff „das Gesteig“ (früher: „Ga-steig“) verwiesen.
In der Zeitschrift für Ortsnamenforschung (ZONF) Nr. 2 von 1922 plädiert Remigius Vollmann für die Gesteig-Erklärung. 1925 aber gibt ihm Georg Weitzenböck kontra. Dieser argumentiert mit der Betonung der ersten Silbe von Ga-steig; bei Ge-steig werde jedoch die 2. Silbe betont. Außerdem wurde aus Ge-steig das (sächliche) Gsteig; ein solches sei im Ortsnamen „Gstaig“ – mundartlich „Gschdoag“ – in Oberösterreich erhalten. Der (männliche) Gasteig sei dagegen die Zusammensetzung aus bairisch „gaach“, standarddeutsch „jäh“, und „Steig“. Dem (möglichen) Einwand, gaach habe helles a, Gasteig aber normales a, begegnet der Forscher überzeugend: Mittelhochdeutsch „gâch, gâ“ (langes, normales a) sei im sonstigen Sprachgebrauch durch die umgelautete Form „gaehe“ (langes, helles a) verdrängt worden, beim „Gâsteig“ sei es aber als normal-dunkles a erhalten geblieben. Bassd schoo!
Armin Höfer