Theater in Wasserburg
Skandaldrama wird zum Theatererlebnis
So begeistert Annett Segerer mit ihrer Neuinszenierung von Werner Schwabs „Fäkaldrama“ „Die Präsidentinnen“ das Publikum im Wasserburger Theater.
Wasserburg – Mit einer Welle der Begeisterung endete die Premiere des Stücks „Die Präsidentinnen“ am Theater Wasserburg. Annett Segerer s Neuinszenierung des „Fäkaldramas“ von Werner Schwab bot die gesamte Palette zwischen Faszination und Grauen menschlicher Regungen und Triebe auf.
Zu Lebzeiten galt Werner Schwab als der personifizierte Skandal. Der Grazer Autor schockierte in den frühen 1990er-Jahren sein Publikum mit einer Sprache voll von Tabubrüchen und Fäkalausdrücken. Die Literaturkritik und die etablierten Bühnen aber rissen sich um ihn. Heute wird sein literarisches Vermächtnis entspannter wahrgenommen. Schwab gilt als Gesamtkunstwerk.
Zu modernen Klassikern avanciert
Seine Stücke sind zu modernen Klassikern avanciert. Gerade bei den „Präsidentinnen“ kommt seine wuchtige, expressionistische Sprachkunst jenseits aller Konventionen in geballter Form daher.
Grete, Erna und Mariedl blicken enttäuscht auf ihr bisheriges Leben zurück. Alle drei sind Präsidentinnen ihres verkorksten Daseins voller Frustration und unerfüllter Sehnsüchte. Wie Kinder sitzen die Frauen an Tischen, eingesperrt in einem Gitterkäfig, der sich nach und nach als Gefängnis ihrer eigenen Obsessionen erweisen sollte. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist das Kochen von Kaffee, abgefüllt in viele kleine Becher. Doch anstatt daraus zu trinken, werden diese von Grete immer wieder mit einer Hebelvorrichtung, die Assoziationen an einen Klospülkasten weckt, auf den Bühnenboden gekippt.
Klopapier als Kaffeefilter
Erna verwendet aus Sparsamkeit Klopapier als Kaffeefilter. Mehr noch aber sorgt sie sich um ihren Sohn Hermann, der lieber säuft, als ihr ein Enkelkind zu schenken.
Die Pensionistin Grete schwärmt entweder von ihrem Dackel Lydi, oder sie verlustiert sich in derb-erotische Fantasien. Kurti, ihr Mann hat sie wegen einer jungen Asiatin verlassen, wofür sie weit weniger Verständnis zeigt als für Kurtis Missbrauch der gemeinsamen Tochter Hannelore im Ehebett. Die dritte im Bunde ist die junge Mariedl, die sich als Klofrau in göttlicher Mission empfindet.
Während Erna und Grete über ihre Liebesbedürfnisse schwadronieren, findet Mariedl Erfüllung im Säubern verstopfter Aborte. „Ja, die Mariedl macht´s ohne Handschuhe“, wie sogar der Herr Pfarrer anerkennend lobt. Schwabs Drama über religiösen Wahn, Lebenslügen und sexuelle Anzüglichkeiten ist nicht immer konsistent. Umso mehr waren deshalb Regie und Schauspiel gefordert, das Publikum bei Laune zu halten und die verbale Orgie um Verdauung und Fäkalien erträglich und auch verständlich zu machen.
Bemerkenswert kreativ
Der Regisseurin Annett Segerer ist dies dank einer bemerkenswert kreativen Inszenierung vollumfänglich gelungen. So kam keine Langeweile auf. Und für Susan Hecker als Grete, Amelie Heiler als Erna und Rosalie Schlagheck, die Mariedl spielte, war die Premiere ohnehin ein Fest: Drei grandiose Darstellerinnen im Zenit der Schauspielkunst machten Schwabs Fäkaldrama zum Theatererlebnis, ein bitterböse Groteske, eigentlich tieftraurig und dabei paradoxerweise überaus unterhaltsam und vollgespickt mit Situationskomik.
Traurig wie das Leben seiner „Präsidentinnen“ verlief auch Schwabs Leben selbst. Schwer krank an Leib und Seele verstarb der österreichische Dramatiker am Neujahrstag des Jahres 1994 an einer Alkoholvergiftung.
16 außergewöhnliche Theaterstücke
Über vier Promille im Blut hatten einen Atemstillstand ausgelöst. Werner Schwab wurde nur 35 Jahre alt. Er hatte sich in kurzer Zeit buchstäblich zu Tode gesoffen.
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Unvergessen aber bleiben 16 außergewöhnliche Theaterstücke, voller Tragik und Humor, voller Ekel und von faszinierender Hässlichkeit. Zu seinen besten Dramen zählen unstrittig „Die Präsidentinnen“, deren Neuinszenierung beim Theater Wasserburg in den allerbesten Händen lag.Wolfgang Janeczka