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Rosenheimer Lehrer Georg Hermansdorfer entdeckt verschollene Oper

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Von: Rainer W. Janka

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Musiklehrer Georg Hermansdorfer sprüht geradezu vor Entdeckerlust.
Musiklehrer Georg Hermansdorfer sprüht geradezu vor Entdeckerlust. © Rainer W. Janka

Musikalisch toll, die Handlung: naja! Der Rosenheimer Musiklehrer Georg Hermansdorfer hat in den Tiefen der sächsischen Staatsbibliothek die Oper „Der Untersberg“ von Johann Nepomuk Freiherr von Poißl, entdeckt. Kommt das saftig-gruselromantische Werk aus dem Jahr 1829 tatsächlich zur Aufführung?

Rosenheim – Georg Hermansdorfer, Musiklehrer an der Rosenheimer Mädchenrealschule und Leiter des Vereins „erlesene oper“, hat schon viele verschollene Opern gefunden, aufführungsreif gemacht und mit seinem Opern-Verein inszeniert. Er sprüht geradezu vor Entdeckerlust. Seine jüngste Entdeckung ist eine Oper, die in München 1829 uraufgeführt wurde und seinerzeit als „deutsche Nationaloper“ gelten sollte.

Deutsch, ja bayrisch, ist zumindest der Schauplatz: der Untersberg bei Berchtesgaden. Geschrieben hat die Oper „Der Untersberg“ Johann Nepomuk Freiherr von Poißl, der 1783 auf Schloss Haunkenzell im Landkreis Straubing geboren wurde, ab 1803 an der Philosophischen Fakultät der Ludwigs-Maximilians-Universität Landshut studierte und ab 1805 musikalisch ausgebildet wurde als Sänger bei Joseph Vogler und als Komponist bei Franz Danzi. Er komponierte 13 Opern, von denen einige recht erfolgreich waren. Von 1824 bis 1833 war er Hoftheater-Intendant des Bayerischen Königlichen Hof- und Nationaltheaters. Gestorben ist er 1865, sein Grab befindet sich in München auf dem Alten Südlichen Friedhof.

Wühlen in der Staatsbibliothek

Wie ist Hermansdorfer auf Poißls Oper gekommen? „Ich forsche ja immer wieder alte Operngeschichten durch“, erzählt Hermansdorfer begeistert, „so jetzt grad die Geschichte des Bayerischen Nationaltheaters von 1923, da stehen die Werke drin, die damals gespielt worden sind, mit Kritiken und Anmerkungen. Früher bin ich immer in die Staatsbibliothek rein, hab mir fünf oder zehn Opern vorlegen lassen und die dann durchgewühlt. Das geht heute alles online. Und dann hab ich die Oper wiedergefunden in der sächsischen Staatsbibliothek. Poißl hat diese Oper nämlich dem sächsischen König gewidmet. Die Oper ‚Untersberg‘ hat einen regionalen Bezug: ein bayerischer Berg und ein bayerischer Komponist.“

Handgeschriebene Partitur

Handgeschrieben – die  Partiturseite aus „Der Untersberg“.
Handgeschrieben – die Partiturseite aus „Der Untersberg“. © Bayerische Staatsbiliothek

Wie schwierig ist es, aus handschriftlichen Partituren eine gedruckte anzufertigen?

„Die handschriftliche Partitur in München ist sehr schön locker geschrieben, die in Dresden ist viel enger. Diese Partitur ist nie gedruckt worden. Früher war es so, dass alles handgeschrieben wurde, und wenn es einigermaßen erfolgreich war, ist ein gedruckter Klavierauszug gemacht worden. Und wenn es dann sehr, sehr erfolgreich war, ist auch die Partitur gedruckt worden. Das Libretto ist auch handgeschrieben.“

Worum geht es in der Oper?

Wie geht die Handlung? „Typisch für die deutsche Oper: Musikalisch toll, die Handlung: Naja! Es ist trantütig romantisch: Der Geisterkönig Oderich und seine Tochter Astralis herrschen im Untersberg, Herzog Guido, der Tenor, verliebt sich in Astralis, die ihm oben auf dem Berg erscheint, und dann ist’s fast so wie beim Wolfgang Ambros in seinem ‚Watzmann‘: ‚Aufi muaß i am Berg‘! Beide verlieben sich, es gibt ein Liebesduett. Dann erfährt der Geisterkönig, dass Guido der Sohn seines größten Widersachers ist, der ihm damals sein Reich entrissen hat. Er wütet und bestraft die beiden Liebenden. Dann stirbt Astralis und Oderich will testen, ob Guido sie wirklich liebt. Als er sieht, dass Guido wirklich sehr verzweifelt ist, erweckt er Astralis wieder zum Leben und es gibt ein Happy End. Alles ist sehr statisch, es gibt kaum Aktion.“ Wie inszeniert man das dann? „Man kann das mit Ballett schön gestalten oder einen Feuerzauber machen oder Projektionen.“

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Ein Werk für ein Riesen-Orchester

Komponiert ist es für ein Riesenorchester mit Kontrafagott und einem Serpent und zwölf Hörnern hinter der Bühne. Als „saftig-gruselromantische ‚Freischütz‘-Epigone“ mit dramatischen Bass-Tremoli, verminderten Akkorden in den Piccolo-Flöten und Paukenwirbeln charakterisiert Hermansdorfer die Musik, schließlich waren Carl Maria von Weber und Poißl gut befreundet und wollten beide eine deutsche Nationaloper begründen.

Was für Pläne hat also Hermansdorfer mit dieser Berg-Oper? „Zwei: Entweder eine konzertante Aufführung, weil das Werk musikalisch so interessant ist, ob mit den Dialogen oder nur mit verbindenden Worten, ist noch unklar. Es sind zwar nur zwölf Musiknummern, aber die Musik alleine dauert schon hundert Minuten. In Reichenhall wäre eine Aufführung möglich oder in Niederbayern, wo der Poißl herkommt.“

Ein Hit-Schreiber damaliger Zeit

Und Plan zwei? „Eine Aufführung zusammen mit der Oper „Der Kyffhäuserberg“ von Heinrich Marschner mit einem Text von August von Kotzebue, der damals um 1800 der Hit-Schreiber war. Unser Bühnenbildner ist ja Otto von Kotzebue, ein Nachkomme. Und ich wollte unbedingt mal was von diesem Kotzebue machen. Diese Oper ist ein echter Einakter in Richtung Singspiel, aber mit einer interessanten und auch lustigen Handlung. Also zwei Einakter mit dem Thema Berg mit einem regionalen und einem persönlichen Bezug.“ Ob Plan eins oder Plan zwei umgesetzt werden wird: Es wird eine abenteuerliche Reise in die Operngeschichte werden mit einer (aus)erlesenen Oper. Hermansdorfers Entdeckerlust ist auch in Corona-Zeiten höchst lebendig.

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