Kunst aus dem Chiemgau im Überblick

In künstlerischer Vielfalt und nicht nur dem Traditionellen verpflichtet, präsentieren sich auch heuer wieder zahlreiche Kunstschaffende mit ihren Arbeiten in der Galerie im Alten Rathaus in Prien. Insgesamt 133 Werke von 68 Künstlerinnen und Künstlern werden auf insgesamt drei Stockwerken unter dem Titel "Kunst im Chiemgau 2012" ausgestellt.
Der Hauptraum im zweiten Obergeschoss beherbergt die diesjährige Studioausstellung mit dem Werk Hans Herbert Hartwiegs der letzten zehn Jahre. Dem Künstler der Konkreten Kunst, dem man hier, pünktlich zu seinem 90. Geburtstag diese Sonderausstellung widmet, landete kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges als Jagdflieger mit dem Richthofengeschwader in Prien.
Großformatig, farbintensiv und geometrischen Grundsätzen verpflichtet, präsentieren sich Hartwiegs Arbeiten als konstruiertes Ereignis seiner gegenstandslosen Kunst. Weniger abstrakt, als dass sie nichts Gegebenes abstrahiert, als vielmehr eine Umsetzung eigener "Einfalls- und Experimentierfreude", wie es der 1922 in Hamburg geborene Maler selbst formuliert. Bei den gezeigten Lichtobjekten, wie "Insignien einer Zunft II", "Bilderrätsel" oder "die Spur der Machete" verlässt Hartwieg die zweidimensionale Darstellungsweise, setzt mehrere Ebenen übereinander und kombiniert Bild und Lichtobjekt zu einem variablen Werk, das sich dem Betrachter aktiv entgegenstellt.
Optische Phänomene in farbintensiven Kreisen oder anderen geometrischen Grundformen wahrzunehmen ist das Eine, jedoch die philosophischen Ansätze in der Kunst Hans Herbert Hartwiegs zu ergründen, all dies macht das Werk zu dem, was es ist. Das Ergebnis intensiver künstlerischer Prozesse, die in der Idee zum Werk beginnen und über die Ausführung hinweg am fertigen Objekt nicht enden. Indirekt greift der Betrachter mit ein, versucht zu analysieren, das Feld des Ästhetischen zu erschließen.
Auch im weiteren Verlauf der diesjährigen Zusammenstellung lokaler Künstlerschaft gibt es in den Bereichen der Malerei, Grafik und plastischen Kunst einiges zu entdecken. Die große Zahl der Exponate in den zahlreichen Räumen der Priener Galerie fordert Zeit für den interessierten Betrachter. In vielen Varianten dokumentieren sie aktuelles Kunstschaffen in der Region. Überwiegend ist Malerei in ihren unterschiedlichsten Stilen und Techniken zu sehen. Einige fotographische und druckgrafische Arbeiten bringen Abwechslung in den farbintensiven Gesamteindruck der Ausstellung.
Gleich zu Beginn, im Eingangsbereich des Alten Rathauses, präsentieren sich einige plastische Arbeiten, wie die von Wilhelm Zimmer, dessen Rad "die Zeit im Laufe der Zeit" symbolisiert und eine lebensgroße Frauenfigur von Greta Fischer. Statisch, frontal in der Ansicht, begrüßt die farbig gefasste Bronze den Galeriebesucher. Zwei weitere großformatige Bronzen, "Königlich III" von Carsten Lewerentz und "Baum der Erkenntnis" von Konrad Kurz geben Einblick in die zeitgenössische Plastik regional tätiger Künstler. In Kombination mit einer umsichtig gehängten Malerei und Grafik, unter anderem von Lenz Hamberger, Georg Bickel, Heinz Kaufmann und Gudrun Reubel und einem dem Realismus verpflichteten Hendrik Müller, ebnet man den Weg in das erste Obergeschoss.
Hier angekommen, sind einige abstrakte Arbeiten, wie die von Hermann Wagner "o.T. rot" und zwei Gouachen von Lisbeth Wohrizek zu erwähnen. Ina Rall-Sichelschmidt kombiniert verschiedene Techniken zu einer expressiven Komposition. Arbeitsprozesse und Spuren der Entstehung bleiben sichtbar.
Auch das Portrait wird zum Thema. Bei Willee Regensburger in Aquarell, Gesichter, die einer organischen Struktur entspringen. Drei Linolschnitte Daniela Wagners hingegen reduzieren das Portrait in eine Positiv-Negativ-Form in variablen Ansichten. "Amsel" und "Ameise" sind die Titel der beiden realistischen Beiträge von Hans Sagmeister, der in einer klaren fragmentarischen Malerei, die mit massiv kompositorischen Mitteln arbeitet, den stark erzählerischen Charakter seiner Bilder manifestiert. An die Neue Sachlichkeit eines Wieland Schmied scheinen sich die Arbeiten von Ruth Heyn-Hechfellner anzulehnen. Zwei Szenerien, die sich im Bild zu einem erzählerischen Ganzen verbinden.
Plastische Arbeiten sind vertreten durch mehrere, in einer Vitrine ausgestellten, kleinfigurige Beiträge von Marianne Lüdicke. Auch Ernst Günzkofer präsentiert eine kleinere Arbeit in Bronze, das "Bodenturnier". Groß und raumgreifend hingegen, die abstrakten und ausdrucksstarken Werke aus weißem Marmor von Michael Hofmann, der im vergangenen Jahr verstarb.
Im zweiten Obergeschoss begegnet man im Gang einer "Großen Sitzenden" von Rolf Märkl. Würdevoll und erhaben leitet sie über in den Raum der Sonderausstellung mit den Werken von Hans Herbert Hartwieg. Einige malerische Beiträge in den weiteren Räumen seien hier noch erwähnt: Farblich zurückgenommen, jedoch expressiv in Form und Struktur behandelt Stefanie Friedrich das kleinformatige, quadratisch ausgerichtete Bild. Willy Reichert überrascht in einer Assemblage mit dem Titel "Die rote Maschine" mit einer Komposition aus fein ausgearbeiteten, zeichnerischen Elementen, gepaart mit der Fläche, die einen Dialog jenseits der Gegenständlichkeit anstrebt. Abstrakt expressiv zwei Arbeiten von Edith Maier-Manhart und in stark gestischer Manier ein Beitrag von Silvia Roubaud mit dem Titel "Mystery".
Den Ausstellern gelingt es, über regionale Künstler und ihre Kunst zu reflektieren. Auch wenn es dem Besucher angesichts der riesigen Menge nicht leicht fällt das facettenreiche Angebot zu erfassen, die schöpferische Leistung wird jedoch überzeugen.