Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.


Theater in Rosenheim

„Jagdszenen aus Niederbayern“ - Isoliert und ausgestellt im Glashaus

Beide sitzen im Glashaus: Der debile Rovo (Fabian Behr) und der schwule Abrams (Robert Reichert), bewacht von der Dorfbevölkerung.
+
Beide sitzen im Glashaus: Der debile Rovo (Fabian Behr) und der schwule Abrams (Robert Reichert), bewacht von der Dorfbevölkerung.

So hat Stefan Höhn Martin Sperrs „Jagdszenen aus Niederbayern“ aktualisiert und temporeich in der Rosenheimer Theaterinsel auf die Bühne gebracht.

Von: Rainer W. Janka

Rosenheim – Im niederbayerischen Bodenmais gab’s schon einen schwulen Bürgermeister, im niederbayerischen Zwiesel fast eine Drag Queen als Bürgermeisterin, in Deutschland schon zwei schwule verheiratete Minister: Schwulsein ist scheint’s kein Aufreger mehr. Einerseits. Andrerseits häufen sich Nachrichten, dass Schwule oder Transsexuelle totgeprügelt werden. Wenn die „ Theaterinsel “ also die „Jagdszenen aus Niederbayern“ von Martin Sperr von 1966 spielt, in denen ein Schwuler wie ein Wild gejagt wird. hat das traurige Aktualität: „ Niederbayern “ ist überall – außer anscheinend in Niederbayern.

Für treibendesTempo gesorgt

Stefan Höhn hat das Stück bearbeitet und um allzuviele Bezüge zur gespielten Zeit, der um 1948, und auch auf die lokale Bestimmung, den fiktiven Ort Reinöd irgendwo in Niederbayern, gekürzt. Und er hat dankenswerterweise die bleischwere Langsamkeit, die naheläge, vermieden, sondern für ein vorantreibendes Tempo gesorgt. So rollt das Geschehen zügig, aber unerbittlich in knapp zwei Stunden ab.

„Nur normal kann man glücklich sein“, konstatiert die Taglöhnerin Barbara, die endlich in dem Dorf heimisch werden will und deswegen ihren Sohn Abram verleugnet, der gerade wegen Homosexualität im Zuchthaus gesessen hat: „Erwürgen hätt‘ ich Dich sollen!“ schleudert sie ihm erregt entgegen. „Normal“ ist auch nicht Rovo, der Sohn der Bäuerin Maria, die ihren vermissten Mann für tot erklären will, damit sie endlich ihren Knecht heiraten kann, und die Rovo in eine Heilanstalt bringen will: Er ist der debile Dorfdepp. Nur Abram empfindet leise zärtliche Gefühle für Rovo. Um von seinem Schwulsein abzulenken, lässt Abram sich mit der Magd Tonka ein, die als die Dorfhure gilt und nun ein Kind von Abram erwartet. Fast alle Personen sind irgendwie geschädigt.

Unter beleuchteten Dreiecksgibeln

Geschädigt sind auch die normalen Dorfbewohner – sie wissen es nur nicht. Der Regisseur lässt sie immer hinten aufgereiht sitzen unter beleuchteten Dreiecksgiebeln wie auf den mit Namen beschrifteten Sitzen in der Kirche: Sie sind immer da, dabei und drumherum. Wenn sie „dran“ sind, besetzen sie eine lange weiße Bank, die wie eine Mischung aus Schul- und Kirchenbank wirkt. Und weiße Kleidung tragen fast alle: Für unschuldig hält sich wohl jeder. Am weißesten gekleidet ist Rovo: die Unschuld in Person. Die Bühnenmitte wird dominiert von einem großen weißgerahmten Glaskasten: Jeder Außenseiter wird darin isoliert, ausgestellt und der Jagd preisgegeben: zuerst Rovo, dann Abram, schließlich Tonka. Der Regisseur lässt den Rovo fast zu debil erscheinen: Fabian Behr muss sichzitternd am Boden krümmen, die Hände zusammenkrampfen und irre gen Himmel blicken, macht das aber bestürzend intensiv. Aber weniger wäre da mehr gewesen. Pia Niederecker ist die hübsche, süße und liebenswerte Tonka:

Herzig-liebessehnsüchtig

Dieser Tonka hätte man persönliches Glück nur zu gerne gewünscht, so herzig-liebessehnsüchtig spielt sie. Robert Reichert ist Abram: ein echter Kerl, bemitleidenswert in seiner Sehnsucht, einfach so zu leben und lieben, wie er möchte, furchtbar in seinem mörderischen Zorn, wenn er Tonka von sich stößt.

Soziale Kälte strahlen die beiden Mütter aus: Angelika Lendaro als Rovos Mutter und Susi Hirl als Abrams Mutter, die doch beide auch nur die Wärme einer sozialen Heimat suchen. Die übrigen Dorfbewohner suhlen sich fast in ihrer „Normalität“, die sie am Schluss zu Jäger eines Menschen macht.

Feiern mitBraten und Bier

Wenn zwei Menschen tot sind, Abrams im Zuchthaus sitzt und das Kopfgeld für ihn ausgezahlt ist, das für die Orgelrenovierung gedacht ist, feiern sie mit Schweinsbraten und Bier, und die Blasmusi spielt dazu den „Böhmischen Traum“ – eine fast zu schöne Musik für so viel Herzenskälte.

+++ Hier finden Sie weitere Nachrichten aus dem Kulturleben unserer Region. +++

Weitere Aufführungstermine sind an den Sonntagen, 12., 19. und 16. März, um 17 Uhr; an den Freitagen, 17. und 31. März, um 20 Uhr und an den Samstagen, 18. und 25. März, sowie am Samstag, 1. April, jeweils um 20 Uhr. Karten gibt es auf www.theaterinsel.de oder unter Telefon 0 80 31/9 00 82 03.

Mehr zum Thema

Kommentare