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Intrigen auf Teufel komm raus

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Die Sänger um Dirigent Georg Hermansdorfer: (von links) Kayo Hashimoto (Casilda), George Vincent Humphrey sitzend (Rafael), Sieglinde Zehetbauer (Carlo Broschi) und Veronika Burger (Königin).
Die Sänger um Dirigent Georg Hermansdorfer: (von links) Kayo Hashimoto (Casilda), George Vincent Humphrey sitzend (Rafael), Sieglinde Zehetbauer (Carlo Broschi) und Veronika Burger (Königin). © Prokop

Dieses vergessene Musiktheater von Daniel-Francois-Esprit Auber brachte die „Erlesene Oper“ in Rosenheim auf die Bühne.

Rosenheim – Der Teufel steckt bekanntlich im Detail - das kann aber durchaus Folgen in großem Ausmaß nach sich ziehen. Der „Diabolus“ in Oper und Theater hat gute Tradition: Wieviel politische Entscheidungen werden nicht aus Eigennutz oder verletzter Eitelkeit getroffen, zum Schaden des Allgemeinwohls?

In Daniel-Francois-Esprit Aubers Oper „Dem Schelm die Hälfte“ agiert aber ein braver „Teufel“, nämlich der Sänger Carlo Broschi, der so die bösen höfischen Intrigen zu Fall und alles zu einem guten Ende bringt.

Libretto von Eugène Scribe

Auber schrieb etwa 40 Opern; seine Musik ist nicht ohne Inspiration und Esprit (der steckt ja bereits in seinen Vornamen!), und im Frankreich der Restauration und des Dritten Kaiserreichs wurde er hoch dekoriert. Das Libretto stammt immerhin von Eugène Scribe, dessen perfekt-raffinierte Textbücher den Erfolg schon fast garantierten. Aber nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ bestimmen die Glaubwürdigkeit eines Kunstwerks und damit die Begeisterung des Publikums. An dieser war nicht zu zweifeln, das gut gefüllte Kuko ließ die „ Erlesene Oper “ lautstark hochleben.

„Regionale Erzeugnisse“ haben sich längst in den Supermärkten einen gewichtigen Marktanteil erobert. Doch auch die lokale Kulturszene glänzt mehr und mehr durch Professionalität. Das Orchester, angefeuert und präzise von Georg Hermansdorfer auch über knifflige Klippen geführt, erfreute durch lockere Geschmeidigkeit des Spiels und brachte so viel vom Esprit des Komponisten über die Rampe. Der Chor, welcher die spanische Hofgesellschaft repräsentierte, musste vom Hintergrund der Bühne leider ungesehen, doch nicht ungehört die Klangpalette vervollkommnen. Der Inhalt? Der steht verständlich und gut lesbar im opulent gestalteten Programmheft.

Launige Moderation

Die konzertant gebotene Aufführung würzte Hermansdorfer mit launiger Moderation, den inhaltlichen Zusammenhang verdeutlichend. Nur soviel: Rafael, einem adligen Theologiestudenten, scheinen alle Felle davon zu schwimmen, sogar seine Geliebte Casilda ist verschwunden (sie wurde entführt, weil der König auch auf sie „scharf“ war - los geht’s also mit den Intrigen).

Da beschwört Rafael verzweifelt den Teufel Asmodeus - denn diesen kann man zu nächtlicher Stunde bei der großen Eiche konsultieren, um seine „Dienste zu buchen“. Zufällig aber sitzt der Sänger Carlo Broschi ungesehen in einer Laube und bekommt alles mit. Weiterer Zufall: Broschi ist der Bruder jener Casilda, er springt für den ausbleibenden Asmodeus ein (der echte Teufel erscheint ja nicht) und möchte dem armen Rafael voll Mitleid unter die Arme greifen. Bedingung: Für jede Leistung gilt halbpart - „dem Schelm die Hälfte“. Da Broschi ein begnadeter Sänger ist, weiß er beim König Fuß zu fassen, diesen singend von seinen Depressionen zu befreien und auch Rafael Zugang zum Hof zu verschaffen. Damit kann nun der ausgeklügelte Plot seinen Fortgang nehmen.

Nicht alle Akteure können Hauptdarsteller sein: Der Großinquisitor (Simon Hermansdorfer, Bariton) versucht in wenigen harsch-autoritären Einwürfen seinen politischen Einfluss geltend zu machen. Mit ihm unter einer Decke steckt der opportunistische Haushofmeister Gil Vargas (Andreas Agler, Bariton).

Schachfigur im politischen Ringen

Die Sopranistin Veronika Burger hatte als Gemahlin des Königs nicht viel zu sagen (und zu singen). Sie ist ja nur eine Schachfigur im politischen Ringen um Macht. Michael Doumas, der sich langsam aber sicher den Schlingen seines Großinquisitors entzieht, kann sich mit volltönendem, tragendem Bass mehr und mehr Gehör verschaffen.

Casilda, der ohne wenn und aber Liebenden, verlieh Kayo Hashimoto mit weichem, seelenvollem Sopran ein sehr überzeugendes Profil. Von zartester Tongebung konnte sie sich zu einem abgerundeten Fortissimo steigern und im tumultuösen Finale stimmlich noch dominieren.

Für den erkrankten Tenor Berhard Teufl sprang kürzestfristig George Vincent Humphrey ein. Als hätte er seinen anspruchsvollen Part des Rafael längst verinnerlicht, sang er souverän und bei aller Stimmgewalt doch textverständlich (diese Tugend teilte er mit allen anderen Mitwirkenden). Die eigentliche Hauptrolle fiel Carlo Broschi zu, dem wirklichen Drahtzieher der intriganten Turbulenzen, und so wurde die Sopranistin Sieglinde Zehetbauer zum Star des Abends.

Hosenrolle statt Kastrat

Broschi, eine historische Figur, war unter dem Künstlernamen Farinelli seinerzeit ein gefeierter Kastrat. Heutzutage funktioniert das ohne „Messerchen“, man nennt das schlicht Hosenrolle. In dieser brillierte Sieglinde Zehetbauer mit unglaublicher Virtuosität, ihre Koloraturen mühelos in höchsten Höhen meisternd. Zugleich beherrschte sie mit komödiantischem Charme und unbändiger Spielfreude die Szene. Wow!

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Eine Augenweide war es zusätzlich, dass alle Solisten in prachtvoll-höfischer Garderobe auftraten. Der Verpackungsmeister Christo sagte einmal, die Finanzierung eines Kunstwerks sei selbst ein Teil dieses Kunstwerks. Wir bewundern zwar die Arbeit der „Erlesenen Oper“ hinter den Kulissen, aber wir genießen, was uns unter größtem Aufwand auf der Bühne geboten wurde.

Walther Prokop

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