Fantasievolle Spinnereien

"Sensorium" heißt die aktuelle Ausstellung in der Galerie am Markt von Neubeuern. In ihr beweisen mit Elisabeth von Samsonow und Klaus Rünagel zwei aus Nebeuern stammende Künstler ihr Gespür, ihre Fähigkeit für feinfühlige und genaue Wahrnehmung.
Da ist zum einen der Neubeurer Klaus Rünagel, ein Computerfachmann, der seine Liebe zu Italien als "Spinnerei" bezeichnet. Doch diese drückt er in Fotografien aus, die seine Leidenschaft für dieses Land mehr als begründet. Er sieht Dinge, die ein Tourist nicht sieht und hat ein Gespür für dieses Land, das so ausgeprägt ist, dass es den Betrachter seiner Bilder gefühlsmäßig mit einbezieht. Da sind großformatige Bilder, die wie Malerei wirken, so die Wiedergabe des Ätna auf Sizilien (70 mal 100 Zentimeter). Die Farben erscheinen unwirklich und faszinierend schön, gleichwohl sie der Natur entsprechen. Auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen wie der Schnappschuss, "Straßenszene in Neapel (70 mal 100 Zentimeter) entspricht der Wirklichkeit und enthält so viele lebendige Einzelszenen, dass der Beschauer sie auf einen oder auch mehrere Blicke nicht erfassen kann. Aus 20 Einzelbildern zusammengesetzt ist wiederum die SchwarzWeiß-Panorama-Fotografie "Pinienallee in der toskanischen Maremma, die an einen alten Stich erinnert. Wie sehr sich Rünagel mit der italienischen Geschichte auseinandersetzt, zeigen die beiden farbigen Fotografien, "Sassi von Matera I und II (70 mal 100 Zentimeter). Rünagel hat die Städte, die zugunsten neuer Siedlungen entvölkert wurden, wiederentdeckt und künstlerisch dokumentiert. "Italien kommt zu mir", sagt Klaus Rünagel.
Ganz anders verhält es sich bei Elisabeth von Samsonow. Die gebürtige Neubeuerin hat Kunst und Philosophie in München studiert und ist heute Professorin an der Wiener Kunstakademie. Bei ihr kommt alles von innen heraus, ob es sich nun um ihre Skulpturen, Zeichnungen oder Videos handelt. Gerade diese zeigen ihre Vielseitigkeit und Offenheit von innen nach außen. Im Video "Stellt's meine Ross in Stall" wird ihre Affinität zu Österreich, speziell zu Wien, deutlich. Elisabeth von Samsonow hat mit Musikern von Falco und Hubert von Goisern gearbeitet, doch ihre Wahrnehmungen gehen über das Musikalische hinaus. Sie ist zugleich Sprachforscherin und Philosophin sowieso. Sie geht den Dingen auf den Grund. Hinzu kommt ihre unglaubliche Fantasie vor allem in ihren Skulpturen, gepaart mit handwerklichem Können.
Der Ausstellungsbesucher kommt aus dem Staunen nicht heraus. "Schwarzer Demeter" heißt eine 170 Zentimeter hohe Skulptur aus Lindenholz mit schwarzem Pferdekopf und rosarotem Menschenleib. Der Rücken ist mit zwei Saiten bespannt, die erstaunlich gut klingen. Am Unterleib sind Zitate aus dem 18. Jahrhundert über die Grundlagen der Akustik. Um den Pferdehals geschlungen ist einer Perlenkette und aus dem Mund kommt eine Seidenschleife. Diese Schleifen sind ein Attribut der meisten Skulpturen. Manchmal entspringen sie auch den Ohren als Symbole der Wahrnehmung.
Im zweiten Raum der Galerie zeigen zwei Exponate die Gemeinsamkeit von Klaus Rünagel und Elisabeth von Samsonow auf. Da hängt die Fotografie "Spiegelung in Verona" und davor steht auf dem Fußboden die farbige, besaitete Skulptur aus Lindenholz auf Rädern mit dem Namen "Neubeurer Lyra". Hier wird deutlich, wie die im Grunde recht verschiedenen Künstler doch harmonieren.
Die Ausstellung ist noch bis 24. Mai freitags von 18 bis 20 Uhr, samstags von 14 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr zu sehen. Am letzten Wochenende wird neben Klaus Rünagel auch Elisabeth von Samsonow anwesend sein und so manche Frage beantworten können.