Passionsmusik
Die Tränen des weinenden Felsens
Fastenzeit ist und damit Zeit für Passionsmusik. Eine der ergreifendsten, aber auch am hermetischsten, also verschlossensten, sind die „Lagrime di San Pietro“, also die Tränen des Heiligen Petrus, des Münchner Hofkomponisten Orlando di Lasso. Sie waren in der Rosenheimer Kirche S. Michael zu hören.
Rosenheim – Dieser Zyklus von 20 Madrigalen samt einer Abschlussmotette auf Gedichte von Luigi Tansillo stellt die Phasen der Trauer dar, die der Heilige Petrus nach seiner Verleugnung Christi erlebte.
Sie sind stark von Zahlensymbolik geprägt: Die insgesamt sieben mal sieben Teile sind siebenstimmig, wobei die Zahl Sieben die sieben Schmerzen Marias symbolisieren. Zusätzlich sind sie in sieben verschiedenen Kirchentonarten komponiert.
Dies alles hört man nicht. Aber diese Komposition ist Lassos „Schwanengesang“, sein letztes Werk und eines der besten Werke der altklassischen Vokalpolyphonie, im Rang vergleichbar mit Bachs „Kunst der Fuge“ – deren kunstfertige Geheimnisse auch nicht hör-, nur verstehbar sind.
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In der Michaelskirche hat Simon Steinkühler, der Fachmann für Barockmusik, nun die ersten sieben „Lagrime“ in einer musikalischen Andacht aufgeführt. Allerdings nicht als siebenstimmigen Chor, sondern neunstimmig, nämlich mit nur einer Singstimme und acht Instrumenten. Das führte dazu, dass die Singstimme, der gerade und instrumental geführte Alt von Anna Steinkühler, im mächtigen Klangstrom der Instrumente etwas unterging – und mit ihr auch der Text. Da wäre, wenn es schon nur eine Singstimme sein soll, ein heller Sopran wirkungsvoller gewesen. Gut war, dass man den italienischen Text samt Übersetzung mitlesen konnte. Aber die Stimmung von Zerknirschung und Reue, von geistiger Durchdringung religiöser Gefühle teilte sich unmittelbar mit – und regt an, die „Lagrime“ daheim genauer zu studieren. Umrahmt waren diese gesungenen Bußtränen von Sonaten zweier Barockkomponisten, nämlich Johann Heinrich Schmelzer und Antonio Bertali, von den acht Instrumentalisten lebendig und kontrapunktisch transparent gespielt.