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„Mia songma Kaps“: Die Bedeutung eines Ortsnamen mal anders erklärt
Unsere heimischen Namen - einst und jetzt.
Von: Armin Höfer
Rosenheim - Angenommen, die Bayerische Regiobahn (BRB) würde dereinst den Zuschlag für die Bahnstrecke von Rosenheim nach Wasserburg bekommen – gegenwärtig ist ja DB Regio zuständig – und neben dem bestehenden Haltepunkt „Schechen“ einen weiteren Haltepunkt für das in der Gemeinde Schechen liegende Dorf Kaps einrichten, dann gäbe es ein gewaltiges sprachliches Problem.
Die von einer Computerstimme gesprochenen Ansagen auf der Strecke von München über Rosenheim nach Salzburg und Raubling lassen vollkommen die grundlegende Erkenntnis vermissen, wonach es in unserem regionalen Hochdeutsch zwei unterschiedliche Varianten des Vokals A gibt: Ein helles A wie in „Aßling“ und „Grafing“ einerseits, ein dunkleres, normales A wie in „Bahnhof“ und „Halt“ andererseits. Da die BRB-Ansagerin aber zur Belustigung der meisten Fahrgäste und auch einiger Zugbegleiter jedes A sogar noch heller ausspricht, als es im allgemeinen Hochdeutsch vorgesehen ist, würde in der BRB Kaps mit einem extrem hellen A-Laut artikuliert werden.
Da bekäme es die BRB aber mit Anneliese Ullmann zu tun, und zwar alles andere als zustimmend! Die Einwohnerin von Kaps in der Gemeinde Schechen versichert: „Es hoaßd ned Kaaps (helles, künstlich gelängtes a). Mia songma Kaps (normales eher dunkles a) fia insa Dorf“. Wichtig: Anneliese Ullmann sagt nicht „Kopfs“, wie es im Bairischen beim A-Laut ja passieren kann (Hubert Aiwanger: „Opfesoft“ für Apfelsaft), sondern sie sagt „Kapfs“.
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Und da sind wir schon bei der Frage, was der Name Kaps bedeutet. Für eine sichere Namenserklärung benötigen wir nämlich immer mindestens zwei Faktoren: Zum einen den Wortlaut und die wissenschaftliche Erläuterung der ersten erhaltenen Namensnennung, zum andern die Realprobe an Ort und Stelle, ob die vorgeschlagene Deutung auch passen kann.
Der Ortsname Kaps kommt in unserer Region gleich mehrfach vor: Als Dorfname in der Gemeinde Schechen, als Name eines Weilers in der Gemeinde Aying – vor 1972 in der Gemeinde Helfendorf – und in der Nähe der Stadt Trostberg sowie als Name von Einöden in der Nähe von Ebersberg und in der Gemeinde Rimsting. Der älteste Kaps-Name ist wohl das Kaps, das in der heutigen Gemeinde Aying liegt: 1034 ist es als Chapfis, 1048 als Chapphas in den Übergabebüchern („Traditionen“) des Klosters Tegernsee belegt. Vielfach wurde der Name vom lateinischen Wort „caput“ = Kopf, Haupt her erklärt, das im Althochdeutschen als „der kapf“ vorkommt, eine Bezeichnung für eine rundliche Kuppe, einen Bergvorsprung, eine Höhe. Wie der Sprachforscher Joseph Schnetz in der Zeitschrift für Ortsnamenforschung, Band 5 (1929), aber festgestellt hat, würde die Lage an einer Berghöhe nur für Kaps bei Spielberg in der früheren Gemeinde Helfendorf, für Kaps bei Greimharting in der Gemeinde Rimsting und für Kaps bei Ebersberg zutreffen. Schnetz suchte – neben Kaps bei Trostberg und bei Ampfing – aber auch unser Kaps bei Marienberg und Schechen auf und stellte fest: Dieses liegt „ auf einer ebenen Terrasse“, ebenso wie die beiden anderen Kaps-Orte. Daher schlug Schnetz vor, vom Verbum (Zeitwort, Tunwort) „kapfen“ auszugehen, das mit „gaffen“ verwandt ist. „Chapphas“, „Kapfas“ deutet Schnetz daher als „Ort des Schauens, Ort, von dem man einen Ausblick hat“ – egal, wie hoch dieser auch liegt. Bassad dees, Frau Ullmann?