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Talgeschichten vom Wendelstein

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Gut behütet auf den Gipfel: Ein Bild von der Eröffnung der Wendelsteinbahn 1912.
Gut behütet auf den Gipfel: Ein Bild von der Eröffnung der Wendelsteinbahn 1912. © re

Warum ist das Sudelfeld das älteste Skigebiet Bayerns? Warum war der Wendelstein lange der berühmteste Berg Bayerns? Was hat Rosenheim mit der Begradigung der Leitzachzu tun? Das sind nur einige Fragen, um die sich das neue Buch „Talgeschichte(n)“ von Andreas Estner dreht.

Brannenburg/Bayerischzell – nteressant ist die Geschichte des Wendelsteins. Etwa über „Erstbesteiger“, wie den Botaniker Franz von Paula Schrank, der erste Direktor des Botanischen Gartens in München, der 1788 den Wendelstein bestieg, oder Lorenz von Westenrieder, der 1780 von Brannenburg aus aufstieg und einen Bericht verfasste wie ein Everest-Besteiger. Er schrieb am Gipfel: „Ich bin noch am Leben, denn ich schreibe, wenngleich an einem Ort, wo noch keines Menschen Hand geschrieben, vielleicht keine mehr schreiben wird.“

Hätte er geahnt, dass gut 130 Jahre später die Zahnradbahn auf den Berg fahren würde, es hätte ihn vermutlich der Schlag getroffen. Das Buch Talgeschichte(n) erzählt die Geschichte der ersten Bergbahn Bayerns ausführlich.

Historische Verbindung mit Rosenheim

Eine intensive Verbindung zwischen dem Leitzachtal und Rosenheim entstand 1810, als die Saline in Rosenheim in Betrieb ging. Der Grund dafür, dass die Saline in Rosenheim gebaut wurde, waren nämlich die großen Klosterwälder von Fischbachau und Tegernsee, die mit der Säkularisation auf den Staat übergegangen waren.

Lesen Sie auch: „Wie Otto von Steinbeis die Wendelsteinbahn möglich machte“

Die Saline Traunstein brauchte dringend Energieholz zum Sieden der Sole aus dem Berchtesgadener Raum. Damit wurde die berühmte Soleleitung bis nach Rosenheim verlängert. In den entlegenen Bergwäldern des Leitzachtals wurde für die Bringung des Energieholzes eine gewaltige Infrastruktur aufgebaut mit Hütten, Ziehwegen und Brücken – und der Holztrift auf der Leitzach.

Die Leitzach, die in vielen Kurven mäandrierte, wurde vom Salinenforstamt Rosenheim um 1840 in Handarbeit begradigt und läuft seitdem fast schnurgerade durch das Tal. Rosenheim hat das Leitzachtal massiv geformt.

Holz bis nach Rosenheim geschwemmt

Millionen Holzscheite schwammen jedes Jahr im Frühjahr von Bayrischzell auf der Leitzach bis zur Mangfall und weiter bis zum Holzhof der Saline Rosenheim. Es dauert Wochen, bis alles angekommen war. Insgesamt waren es mehr als 46 000 Ster Holz.

In der Rückschau auf das Jahr 1817 werden etwa auch die Dörfer, Kirchwege und Lebensumstände beschrieben. Der gesamte Auerberg, mit seinen vielen Einödhöfen, gehörte über Jahrhunderte zur Pfarrei Au bei Bad Aibling. Die Kirchwege wurden 1817 mit „eineinhalb Stunden“ (einfach) angegeben. Unvorstellbar bei tiefem Schnee und Dunkelheit. Bei Beerdigungen mussten die pferdebespannten Leichenwagen über schlechte Wege bis nach Au rumpeln. Ein Kraftakt auch für die Pfarrer von Au, die bei Versehgängen zu den Einödhöfen im Oberland stundenlang unterwegs waren.

Auch die kirchlichen Themen kommen nicht zu kurz: Neben Porträts von Kirchen und Kapellen nimmt der Autor die Leser mit in den weitum bekannten Wallfahrtsort Birkenstein. Zum einen wird die Geschichte der Wallfahrt erzählt, zum anderen können die Leser einen Tag lang Schwester Eresta hinter den Kulissen der Wallfahrt begleiten.

Auch die Zeit des Nationalsozialismus wird in dem Buch beleuchtet. Etwa die Geschichte des SS-Berghauses am Sudelfeld, wo mehrere Jahre lang ein Außenkommando des KZ-Dachau war, und der Bau einer Versuchsanlage der Luftwaffe, von der heute noch Reste zu sehen sind.

„Talgeschichte(n)“ ist ein Lese- und Bilderbuch, das vertraute und neue Einblicke gibt in die Geschichte der gesamten Wendelsteinregion.

Das Buch

Andreas Estner: Talgeschichte(n) – Kultur, Historie und Lebensart im oberen Leitzachtal. 552 Seiten mit vielen historischen Fotos und Abbildungen. 54 Euro (ISBN 978-3-00-070742-1) Infos auch unter: www.talgeschichten.com.re

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