Zwei Stolpersteine verlegt: Kolbermoor gedenkt Opfern des Nationalsozialismus
Der Künstler Gunter Demnig hat sogenannte Stolpersteine vor der Bücherei in Kolbermoor verleigt. Mehr als 100 Bürger waren beim Gedenken für zwei italienische Zwangsarbeiter dabei.
Kolbermoor – Für Fortunato Zanobini und seine Frau Fernanda gibt es in Kolbermoor seit Samstag einen Platz der Erinnerung, zwei Stolpersteine vor der Stadtbibliothek. Sie waren italienische Zwangsarbeiter, arbeiteten in Kolbermoor im „Werk II“ der Baumwollspinnerei, in Wahrheit eine Außenstelle von BMW für die Motorenfertigung.
Zeichen gegen Rechts
Angeregt hat das Gedenken die „Initiative Erinnerungskultur – Stolpersteine für Rosenheim“ und die Verlegung der Steine zeigte vor allem eines: Dass ein Bedürfnis unter den Kolbermoorern da ist, ein Zeichen zu setzen gegen rechten Ungeist und seine Folgen – denn es waren über 100 Bürger gekommen.
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Bürgermeister Peter Kloo sagte, dass die Stolpersteine ein Mittel seien, „um eine Entwicklung, in der rechtsextreme Parteien wieder in unsere Parlamente gefunden hätten, in der Hetze erneut zusehends als vermeintliches Mittel der freien Meinungsäußerung angesehen würde, „ins Stolpern zu bringen“.
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Für Dr. Thomas Nowotny von der „Initiative Erinnerungskultur“ kommt noch etwas hinzu: „Es sind nicht die großen Denkmäler, in denen die Opfer wieder ein Gesicht bekommen, es sind die kleinen wie die Stolpersteine.“ Dies nicht zuletzt, weil es zur Idee gehört, dass über die Betroffenen vorab viel recherchiert wird, man soll schließlich wissen, welchen Lebens- und Leidensweg sie hinter sich haben.
Im Falle des Ehepaars hat Andreas Salomon, auch er ein Mitglied der „Initiative Erinnerungskultur“, die Recherchearbeit übernommen. Mehr als zwei Jahre verwendete er auf eine Spurensuche, deren 16 Stationen er den Gästen vorstellte: Er erklärte unter anderem, dass in dieser Zeit der Mensch durch seine Häftlingsnummer von der Person zur Zahl wurde. Salomon gelang es durch seine Spurensuche, Fortunato Zanobini lebendig werden zu lassen.
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Lebendig wurde auch Fernanda Zanobini, auch wenn man über sie noch weniger weiß. Die Tatsache, dass ihr im Frühjahr 1945 allerschärfste Maßnahmen angedroht wurden, wenn sie sich noch einmal unerlaubt vom Arbeitsplatz entfernte, ist bekannt. Und man weiß, dass sie an diesen Tagen in München war, wohl auf der verzweifelten Suche nach dem Verbleib ihres Mannes.
Warum die Stolpersteine auf dem zentralen Platz, direkt vor dem Eingang zur Stadtbiliothek verlegt sind, ist für Bürgermeister Kloo einfach zu begründen. Der Ort, an dem Fortunato Zanobini zuletzt zwangsweise untergebracht war, existiert nicht mehr, hier verläuft heute die Inselbachstraße. Doch auch wenn es anders gewesen wäre: Kloo hätte ihm jenen Ort nicht noch einmal antun wollen: Er war dort mit vielen anderen eingepfercht gewesen.
Der weite, freie Platz vor dem Rathaus, am Eingang zur Bibliothek, einem Ort, an dem Grenzen und Schranken am leichtesten ihre Wirkung verlieren und gegenstandslos werden können, ist in der Tat eher für sein Gedenken gemacht.
Während Fortunato Zanobini nicht überlebt, hat Fernando Zanobini den Krieg überlegt, über ihren weiteren Lebensweg hat man nichts herausfinden können. Ursprünglich war nur für ihn ein Stolperstein angedacht, dessen Patenschaft von BMW übernommen wurde. Künstler Gunter Demnig, von dem die ganze Stolpersteinidee ausgeht und der auch die Steine in Kolbermoor verlegte, regte an, auch seiner Frau einen Stein zu widmen. Eine Idee, die die Initiative aufgriff und auch die Gäste bei der Verlegung hatten wohl das Gefühl, das die Erinnerung erst dadurch rund und würdig wird: Das Land, von dem sie auseinandergerissen wurden, lässt sie wenigstens im ehrenden Gedenken wieder ein Paar sein.