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Treffen der pflegenden Angehörigen am 22. März

Wenn Demenz ins Leben tritt: Wie die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor Betroffenen hilft

Demenzberaterin Gabriele Endter lädt nach langer Corona-Pause am Mittwoch, 22. März, wieder zur Angehörigen-Demenz-Gruppe in die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor ein.
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Demenzberaterin Gabriele Endter lädt nach langer Corona-Pause am Mittwoch, 22. März, wieder zur Angehörigen-Demenz-Gruppe in die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor ein.
  • Kathrin Gerlach
    VonKathrin Gerlach
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Das Gedächtnis geht verloren, die Seele aber wird nicht dement. Doch wie können Betroffene mit Demenz umgehen? In Kolbermoor gibt es Ideen, Rat und Lebenshilfe.

Kolbermoor – Etwa 102.000 Menschen mit Demenz werden in Bayern zu Hause betreut. Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen erklärt Gabriele Endter (77), Vorstandsmitglied der Nachbarschaftshilfe Kolbermoor, wie pflegende Angehörige mit Beratungen, runden Tischen für Familien, stundenweiser Entlastung und Treffen vor der gesellschaftlichen Isolation bewahrt werden.

Demenz bleibt in betroffenen Familien oder Seniorenheimen meist hinter verschlossenen Türen. Wie erreichen Sie die pflegenden Angehörigen?

Gabriele Endter: Ich biete jeden Mittwoch eine Demenzberatung an. Pflegende Angehörige können sich bei mir melden, damit wir gemeinsam ihre Sorgen besprechen oder die häusliche Situation anschauen können. Nach der langen Corona-Pause beginnen am Mittwoch, 22. März, nun auch wieder die Treffen unserer Angehörigen-Demenz-Gruppe. Weitere finden am 19. April, 17. Mai und 14. Juni, jeweils ab 15 Uhr statt. In unserem neuen Domizil in der St. Anna Apotheke am Bahnhofsvorplatz stehen uns dafür jetzt auch ideale Räume zur Verfügung.

Wie können Sie pflegenden Angehörigen helfen?

Gabriele Endter: Wir können sie befähigen, mit dem an Demenz erkrankten Menschen und der gesamten Situation besser umzugehen. Wir geben einen fachmännischen Rat, klären auf, vernetzen, helfen beim Gespräch in der Familie, können stundenweise zu Hause entlasten und bieten unser Treffen für pflegende Angehörige an. Im Juni haben wir wieder einen Fachvortrag im Programm, der über die Krankheit informiert und Anregungen gibt, wie man den schwierigen Tagesablauf mit einem demenzerkrankten Menschen harmonisch gestalten kann.

Woran erkenne ich, ob ein Familienmitglied dement ist?

Gabriele Endter: Demenz entwickelt sich oft unbemerkt über viele Jahre und Stadien. Ein Anzeichen ist beispielsweise der Verlust intellektueller Fähigkeiten. Wortfindungsstörungen und eine verminderte Ausdrucksfähigkeit führen dazu, dass Betroffene dem Gesprächsverlauf nicht mehr richtig folgen. Später kommen Gedächtnis- und Orientierungsprobleme hinzu, Vergesslichkeit für alltägliche Begebenheiten, Schwierigkeiten bei gewohnten Aufgaben, Verwirrtheit und Hilflosigkeit. Auch auffällige Veränderungen der Stimmungslage, des Verhaltens oder der Persönlichkeit sind mit einer Demenz verbunden. Oft erkennen Betroffene zudem ihre Angehörigen nicht mehr, was für viele besonders schmerzlich ist. Was all das für die Familien bedeutet, kann niemand wirklich erahnen.

Ist ein Pflegeheim dann nicht die beste Lösung?

Gabriele Endter: Die meisten Menschen möchten in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld alt werden. Aber natürlich ist das Zusammenleben mit einem an Demenz erkrankten Menschen nicht einfach. Die ganze Familie ist betroffen. Jeder muss mit der neuen Situation umgehen und sein Leben völlig umstellen. Die Betreuung des Demenzkranken belastet Körper und Seele. Deshalb bieten wir beispielsweise den „Runden Tisch“ für Familien an. So können wir alle Familienmitglieder über die momentane Situation des Betroffenen aufklären und gemeinsam nach der für alle besten Lösung suchen. Das kann eine Pflegeeinrichtung sein, muss es aber nicht. Oft möchten die Ehepartner oder Kinder den betroffenen Menschen zu Hause pflegen. Gemeinsam mit ihnen können wir ein Netzwerk an Hilfen knüpfen und praktische Problemlösungen für zuhause erarbeiten.

Es ist nicht einfach, einen geliebten Menschen auf dem Weg des Vergessens zu begleiten. Was raten Sie den pflegenden Angehörigen?

Gabriele Endter: Einen Perspektivwechsel. Wer die Welt mit den Augen eines Demenzkranken sieht, versteht ihn besser. Deshalb ist es wichtig, die Krankheit zu begreifen, auf ihren Verlauf vorbereitet zu sein und nie zu vergessen, dass die geistigen Fähigkeiten zwar allmählich verloren gehen, die Seele aber nicht dement wird. Das ist die Voraussetzung für einen respekt- und liebevollen Umgang mit dem Betroffenen, mit dem seine Würde gewahrt, sein Selbstwertgefühl erhalten und ihm ein Gefühl von Geborgenheit und Freude vermittelt wird. Das braucht viel Kraft, aber auch Hilfe von außen.

Nach einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenversicherung möchten 53 Prozent der Bundesbürger lieber früher sterben als mit Demenz zu leben. Wie erklären Sie sich das?

Gabriele Endter: Ich vermute, dass das in der Angst vor einem extremen Verlust an Lebensqualität begründet ist. Deshalb sind Aufklärung und Hilfen unendlich wichtig. Die Krankheit ist Bestandteil unserer alternden Gesellschaft, die Zahl der Menschen mit Demenz nimmt zu. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft geht von 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland aus, in Bayern sind es circa 250.400. Deshalb sieht es die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor auch als ihre Aufgabe an, Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen Hilfen zu geben, die es ihnen ermöglichen, ihre Lebensqualität trotz der vorliegenden Erkrankung aufrechtzuerhalten.

Können die Angehörigen in der Gruppe Kraft schöpfen?

Gabriele Endter: Auf jeden Fall. Die tägliche Auseinandersetzung mit der allmählichen Veränderung des geliebten Menschen verlangt oft übermenschliche Kräfte. Da ist es ganz wichtig, mit den Problemen, Ängsten und Sorgen nicht allein zu sein. Mit anderen Betroffenen zu reden, die in der gleichen Situation sind, gibt Kraft und auch wieder Mut. Hinzu kommt die entspannte Atmosphäre, das Gespräch bei einer Tasse Tee oder Kaffee. Damit unsere Treffen wirklich eine Auszeit für die pflegenden Angehörigen sind, kann in dieser Zeit auch eine unserer ausgebildeten Demenzhelferinnen die Betreuung des Erkrankten übernehmen.

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