Nach Vorfall mit 99 Schülern in Österreich
Wanderwege: Unterschätzen Internet-Tipps die Gefahr? - Das sagt ein Bergwachtler aus dem Achental
- VonHeidi Geyerschließen
99 Schüler mussten gerettet werden, weil ihr Lehrer die Tour aus dem Internet falsch eingeschätzt hatte. Wir haben im Achental nachgefragt, ob es dort ähnliche Probleme gibt. Warum bloßes Lesen manchmal schon helfen würde.
Marquartstein – Für Aufsehen hatte kürzlich ein Vorfall gesorgt, bei dem knapp 100 Schüler in Österreich in Bergnot kamen und gerettet werden mussten. Die ortsfremden Lehrer sollen die Tour vorher im Internet gefunden haben. Offenkundig war sie dort als leicht beschrieben, was sich aber als Irrtum herausgestellt hatte.
Mit Skepsis betrachtet man auch manche Informationen auf Internetseiten im Achental.
Abstürze am Hochlerch
Der Hochlerch, ein Gipfel im Hochgernmassiv, ist solch ein Beispiel. Im ersten Google-Eintrag heißt es dazu: „Trittsichere Geher, die vor schmalen, unbezeichneten Steigen nicht zurückschrecken, finden dort die Möglichkeit, ein wenig Wildnis und Einsamkeit abseits der Mainstream-Wanderwege zu erleben.“ Das kann man schon mal als Warnung verstehen. Dass schon mehrfach Menschen dort abgestürzt sind, davon ist dort aber nicht die Rede.
Immerhin wird die Tour im weiteren Text so beschrieben, dass sie Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert. „Bei Nässe ist der steile Aufstieg zum Hochlerch unangenehm. Ein paar MiniKletterstellen gibt es obendrein“, heißt es weiter. Zudem sei die Wegfindung schwierig.
Portale geben nicht alles an
Ganz anders klingt das bei der weitverbreiteten Outdoor-App Outdooractive. Dort wird sie als mittelschwierig beschrieben, auch das Gefahrenpotenzial wird nur mit drei von sechs Punkten angegeben. Zwar gibt es dort Sicherheitshinweise, aber aus Sicht von Christian Auer, Ausbildungsleiter der Bergwacht in der Region Chiemgau und aktiv bei der Bergwacht Marquartstein, fehlt hier ein Kriterium: „Dass man schwindelfrei sein muss, ist aus meiner Sicht ganz wichtig.“ Bislang sei das Thema Internettouren aber noch kein großes Problem im Achental. „Wir hatten zwar mal einzelne Fälle, aber bei uns gibt es keine so großen Felswände“, sagt Auer. Am Hochlerch seien sowohl Einheimische als auch Touristen abgestürzt. Ob da wirklich eine Angabe aus dem Internet dahinter steckt, bezweifelt er.
Ein Nutzer auf Outdooractive hat die Tour deshalb mit einem Stern bewertet und einen Kommentar mit Verweis auf die Abstürze hinterlassen. Beim Eintrag auf dem Outdoorportal Komoot, liest man in erster Linie, wie schön und einsam der Gipfel ist. Vermutlich der gleiche Nutzer wie bei Outdoor Active hinterlässt auch hier eine Warnung. Auf zahlreichen privaten Internetseiten ist der Weg zum Hochlerch sogar ohne Warnung beschrieben.
Auer räumt ein, dass Wanderer auf jeden Fall sicherer wären, wenn sie sich auf die offiziellen Wege beschränken würden. Steige seien aber auch auf klassischen Karten auf Papier eingezeichnet. Diese Informationen liefern wiederum auch viele Karten im Internet. „Das sind dann keine offiziellen Wege, aber wer Karten lesen kann, kann ihnen folgen“, sagt der Bergwachtler. Auch GPS-Tracks seien mit Vorsicht zu genießen: „Die laufen auch mal 50 bis 60 Meter vom Berg weg, weil sie nicht so genau sind.“
Dass sich Menschen überschätzen, komme in den Bergen ab und an vor. Meist wegen mangelnder Kondition. Aber auch hier gilt: „Bei uns im Achental ist es ja nicht so abgelegen, dass man fünf Stunden am Stück an keiner Hütte vorbei kommt“, sagt Auer.
Tatsächlich habe sich die Situation im Winter aber etwas verschärft, vermutlich auch bedingt durch Corona: „Es kommen immer mehr Urlauber oder Tagestouristen, die nicht Ski fahren.“ Die Tour aus dem Internet zeige aber nicht die tatsächlichen Bedingungen. „Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich in zwei Meter tiefem Schnee findet, auch wenn am Ausgangspunkt nichts davon zu sehen war“, schildert Auer. Viele Menschen seien nicht in der Lage, so etwas einzuschätzen.
In Ruhe lesen
Aber so weit will der Bergwachtler gar nicht gehen. In erster Linie ist ihm ein Anliegen, dass die Leute überhaupt genau lesen, wie die Tour beschrieben ist: „So war das ja auch bei dem Fall in Österreich mit den Schülern.“ Im Internet war die Wanderroute als „klassische Feierabendrunde“ beschrieben. Tatsächlich führte die Tour über den schmalen Heuberggrat, der laut Polizei mit seinen Kletterpassagen Schwindelfreiheit, Trittsicherheit sowie Erfahrung im alpinen Gelände erfordere. Genau darauf hatte aber auch der Verfasser des Eintrags auf der Internetseite aufmerksam gemacht, auf welcher der Lehrer die Tour gefunden hatte.