Angelika Nistler liest aus Aufzeichnungen der Schriftstellerin Franziska Hager
Von Windgeistern und Perchtkücheln
Seebruck - Ein lebendiges Bild der alten, teils heidnischen Bräuche zur Weihnachtszeit zeichnete die Traunsteiner Schriftstellerin Franziska Hager (1874 bis 1960) in ihren heimatkundlichen und kulturgeschichtlichen Werken. Dadurch bewahrte sie die in den 1920er- und 30er-Jahren im Chiemgau durch die moderne Zeit vom Aussterben bedrohten Traditionen vor dem Vergessen.
Einen kleinen Einblick in diese heute vergriffenen Aufzeichnungen gab Angelika Nistler aus Vachendorf bei einer Lesung in der "Naturwelt Chiemsee".
Das dem packenden Vortrag gebannt lauschende Publikum erfuhr zunächst, was es mit der "Wunschnacht" am Thomastag, dem 21. Dezember, auf sich hatte. Mit allerlei Ritualen versuchten die jungen Mädchen und Burschen herauszufinden, wer ihr Geliebter werden wird. So sollte aus der Richtung, aus der das Bellen eines Hundes antwortete, der Freier kommen.
In der Thomasnacht wurde mit dem Schneiden der Kletzen fürs Kletzenbrot begonnen. Die "Kletzenschneider" wurden mit Schnaps und einem "Nachtwecken" bei Laune gehalten. Ging das Brot in dieser Nacht beim Backen nicht auf, waren die Hausgeister der Bäuerin nicht gut gesonnen; man glaubte, dass diese bald sterben wird. Am Thomastag gefälltes oder verarbeitetes Holz stand unter dem besonderen Schutz des Heiligen und war als "Ewigkeitsholz" von langer Haltbarkeit.
Der Heilige Abend galt Franziska Hager zufolge als "Lostag", und es wurde den vier Elementen geopfert. So wurde in den Brunnen Dreikönigssalz und ein Krumen geweihtes Brot geworfen.
Die Bergbauern fütterten die Windgeister mit Versen wie "Wind, i gib da des Deine, gib du mir des Meine!". Der Glaube an die "Frau Percht" war bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Prien noch lebendig. Der Heilige Abend galt dort als "Perchttag". Es wurden die "Perchtkücheln" gebacken.
Der Heilige Abend war ein Fasten- und Abstinenztag, und es hatte alle Arbeit zu ruhen, außer Kulthandlungen. In dieser Nacht durfte der Hofhund frei laufen, um die Anwesen zu schützen, in denen während der Mette oft nur ein "Ahndl" (Großvater) das Haus hütete. In die nahrhafte "Mettensuppe", die es nach der Mette gab, kam das Fleisch der am Thomastag gestochenen Sau.
Neben dem Christkindlanblasen, das in Salzburg und Traunstein Tradition hatte, gab es laut Hager das "Stundengeläut". Eine Stunde lang läuteten von 23 bis 24 Uhr die Glocken, um den Bauern auf dem oft langen und beschwerlichen Weg zur Mette den Weg zu weisen. Das lange Läuten schützte die Kirchgänger vor dem Teufel, der "Drud" und anderen Geistern.
"Diese Angst ist heute anderen Ängsten gewichen. Der Mensch ist in diesem Jahrhundert freier und wissender, jedoch nicht froher geworden", zitierte Nistler Hagers zeitlose Worte.
Mit der anrührenden Sage "Die drei seltsamen Wünsche des Schmieds von Rumpelbach" aus dem Buch "Sagen und Legenden im Chiemgau und Rupertiwinkel" von Gisela Schinzel-Penth klang die Lesung dann stimmungsvoll aus. vm