Am Traunsteiner Bahnhof
Vom Schutt-Haufen zum Campus Chiemgau - nach 15 Jahren Diskussion
- VonKlaus Oberkandlerschließen
Die Güterhalle am Traunsteiner Bahnhof ist abgerissen. Der Landkreis Traunstein braucht das 2000 Quadratmeter große Gelände für sein Hochschulprojekt, den Campus Chiemgau.
Traunstein – Die Güterhalle am Traunsteiner Bahnhof ist Geschichte. In den letzten Wochen wurde das Gebäude abgebrochen, weil der Landkreis Traunstein das 2000 Quadratmeter große Gelände für sein Hochschulprojekt, den Campus Chiemgau, benötigt. Martin Aschauer und Tanja Steffel vom Landratsamt hatten die Kosten zu Beginn der Abrissarbeiten auf 379 000 Euro beziffert. Weil nur ein geringer Abstand zwischen der Halle und den Bahngleisen besteht, mussten kurzzeitig Gleise gesperrt werden. Die Oberleitungen musste man während der Arbeiten erden.
Suche nach einer neuen Nutzung
Die Halle wurde 1950 gebaut und von der sogenannten Rollfuhr genutzt, also der Auslieferung von Stückgut, das mit der Bahn angeliefert wurde. 2007 endete dieses Geschäft und es begann das Suchen nach einer neuen Nutzung. Geplant war, hier den Jugendtreff und die „Schule der Phantasie“ unterzubringen. Als weitere Nutzer waren zum Beispiel Organisationen wie der Kreisjugendring, das Mütterzentrum oder der Kinderschutzbund im Gespräch. Eine Nutzung durch einen Mieter, der in der Lage ist, ortsübliche Mieten zu bezahlen, wurde auch in Erwägung gezogen: Das Traunsteiner Veterinäramt suchte damals, im Jahr 2014, nach Räumen und hätte Interesse gezeigt. Letztlich sprach sich der Stadtrat aber dagegen aus
Nur einen Steinwurf von der Güterhalle entfernt versank der Traunsteiner Bahnhof beim Bombenangriff der Amerikaner am 18. April 1945 in Schutt und Asche. Dass von diesem Angriff Blindgänger, also Bomben, die nicht explodiert sind, im Boden schlummern, war nicht auszuschließen. Als die Stadt das Gebäude für 230 000 Euro von der Bahn kaufte und erste Planungen anstellte, war die Rede von 300 000 Euro Kosten, die man in das Haus stecken müsse, um einen Jugendtreff einzurichten. Abzüglich der Zuschüsse im Rahmen der Städtebauförderung, so argumentierte der damalige Oberbürgermeister Manfred Kösterke (UW), könnte die Stadt einen Jugendtreff bekommen, der sie nicht mehr als etwa 400 000 Euro kosten würde.
Im Oktober 2013 war dann plötzlich von 3,8 Millionen Euro die Rede – plus Grunderwerbskosten. Bei dieser Summe war für viele im Stadtrat die Schmerzgrenze überschritten. Der damalige CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Osenstätter hatte die Kostenexplosion lange zuvor geahnt. Er wetterte schon in seiner Haushaltsrede im Dezember 2012 gegen „das sündhaft teure Projekt“. Die Wiederherstellung des maroden Gebäudes werde ein Vielfaches kosten, prophezeite er und behielt recht – wie Jahre später auch beim Kulturzentrum Klosterkirche.
Mehrheit gegeneine Sanierung
Im April 2016 kam es dann zu einem Bürgerentscheid, in dem sich die Mehrheit der Traunsteiner gegen eine Sanierung der Güterhalle und für einen Neubau des Jugendzentrums aussprach. Noch einen Monat vor dem Bürgerentscheid hatte sich die Stadt bemüht, das Projekt Jugendzentrum in der Güterhalle schönzureden.
„Dieses historische Gebäude erzählt eine Geschichte. Wir sind von dem Gebäude und seinem Potenzial begeistert“, sagte der damalige Stadtbaumeister Klaus Hechfellner. Der seinerzeitige Oberbürgermeister Christian Kegel (SPD) betonte, dass der Neubau eines Jugendzentrums – wie von den Initiatoren des Bürgerbegehrens gefordert – definitiv nicht schneller gehe und auch nicht günstiger komme als die Sanierung der Güterhalle: Die Sanierung sei mit 3,8 Millionen Euro angesetzt worden. Außerdem rechne man mit einer Städtebauförderung von bis zu 60 Prozent, „bei der Stadt bleiben also rund zwei Millionen Euro“. Die Stadt würde bei einem Abriss Geld verlieren.
Nach dem Bürgerentscheid gab es noch verschiedene zaghafte Vorstöße für eine andere Nutzung des Gebäudes. Dann begannen die Überlegungen für eine Neuplanung auf dem Bahnhofsgelände und der Schaffung des Campus Chiemgau. Letztlich sehen es viele Traunsteiner als eine glückliche Fügung an, dass das heruntergekommene und unansehnliche Gebäude endlich dem Erdboden gleichgemacht wurde, damit hier etwas Neues entstehen kann.