Verschlossene Türen im Gemeinderat
„So viel geheim in Übersee?“ So reagiert die Gemeinde auf die harsche Kritik von Luise Gradl
- VonThomas Stöpplerschließen
Eine Leserin erhebt schwere Vorwürfe gegen Übersee: Gemeinderat und die Gemeinde selbst seien intransparent. Wir sind der Sache auf den Grund gegangen.
Übersee - „Klar, wir haben große Projekte, die die Menschen bewegen, aber da können wir nicht allzu viel sagen im Moment“, sagt Gemeinderat Marco Ehrenleitner (CSU). Er hat Verständnis für Leserbriefschreiberin Luise Gradl. Die hatte sich in Form eines Leserbriefs an den OVB gewandt und gefragt, warum „so viel geheim ist in Übersee?“
„Oft und unnötig geschlossene Sitzungen“
Luise Gradl vermutet nun allerdings keine Aktivitäten von CIA und FSB, sondern konkretisiert diese Frage so: „Warum werden Entscheidungen, anders als in umliegenden Gemeinden, sehr oft und unnötig, in geschlossenen Sitzungen getroffen?“ Darauf lässt sich eine relativ einfache Antwort finden: Bestimmte Dinge werden in der Regel nicht in öffentlichen Sitzungen verhandelt. Und dazu gehören unter anderem im Moment die großen Projekte, die Gemeinderat Ehrenleitner anspricht. Etwa den Bau der Seniorenwohnanlage. „In geschlossenen Sitzungen werden nur Personal, Grundstücksvergaben und andere Vergaben beschlossen“, erklärt auch Gemeinderätin Erika Stefanutti (GfÜ).
Jetzt könnte man natürlich durchaus einwenden, dass es gerade hier öffentlich zugehen sollte, schließlich sind die Grundstücksvergaben oft besonders kritische Punkte. Nur wiegt das öffentliche Interesse nicht so schwer, wie der Schutz der Privatpersonen. Auch besteht das Risiko, dass durch das Öffentlichmachen der Verhandlungen diese erschwert werden. „Das ist manchmal ein bisschen ungeschickt“, gibt Ehrenleitner zu, „aber es geht halt nicht anders.“ Gemeinderatskollegin Sandra Huber (GfÜ) verweist auch auf den geschworenen Eid. Also selbst wenn ein Gemeinderatsmitglied es anders sieht, muss es sich an die Verschwiegenheit einer nichtöffentlichen Sitzung halten.
Mehr öffentlich, als hinter geschlossenen Türen
Auch in anderen Gemeinden stehen nichtöffentliche Sitzungen bei Fragen von Grundstücksvergaben an und auf der Tagesordnung - auch wenn das manchmal für Kritik sorgt. Aber in Übersee sei das nicht mehr als notwendig, sagt Stefanutti: „Das läuft sehr korrekt bei uns.“ Und, fügt sie hinzu, im öffentlichen Teil der Sitzungen würden weit mehr Tagesordnungspunkte verhandelt.
Doch Gradls Kritik geht noch weiter: Mitglieder von Arbeitskreisen verweigerten Auskünfte über Projekte. Das wäre in der Tat sehr ungewöhnlich, denn wie Stefanutti, die selbst in einigen Arbeitskreisen sitzt, erklärt, sind „die meisten Arbeitskreise, zum Beispiel Klima, öffentlich.“ „Frau Gradl habe ich noch in keinem gesehen“, sagt sie. Allerdings gibt es einen Arbeitskreis, der nicht-öffentlich ist: Die geplante Seniorenwohnanlage. Dort ist eben geschlossen, weil man sich wohl in Verhandlungen befindet.
Gradl spricht explizit das Thema Altenheim an: „Stimmt es, dass es für das Altenheim bereits einen Investor gibt? Wer ist das? Wann ist Baubeginn, was wird in dem Heim zukünftig angeboten?“ Das Thema bewegt in Übersee und es ist schwierig darüber etwas zu erfahren. Stefanutti verweist auf den Bürgermeister und Ehrenleitner sagt: „Da ist weder die Grundstücksangelegenheit noch die Betreiberwahl in trockenen Tüchern.“ Dementsprechend gibt es kaum Auskünfte.
Seit 15 Jahren wartet man in Übersee auf das Altersheim
„Ich bin jetzt zwei Jahre im Amt und musste einiges komplett neu angehen, weil eben zu früh an die Öffentlichkeit gegangen wurde“, erklärt Bürgermeister Herbert Strauch (FBL). „Bei manchem Grundstücken war nicht mal die Zufahrt geregelt und ich musste dann in Nachverhandlungen gehen“, sagt er. Natürlich könne er verstehen, dass die Bürger mehr wissen wollen, aber oft sei es eben notwendig, erst mehr geklärt zu haben.
Gerade beim Altenheim sei das wichtig. „Die Überseeer warten seit 15 Jahren auf das Altenheim“, sagt Strauch. Da sei es besser jetzt nicht vorzeitig irgendwelche Versprechungen zu machen, die man dann gar nicht einhalten könne. Gradl bemängelt aber nicht ohne Grund, dass der Arbeitskreis zumindest Auskünfte über die Vorstellungen der Gemeinde geben könnte. Dass man nicht das Risiko eingehen könne, dass man in schlechte Verhandlungspositionen gerät, verstehe sie natürlich.
Grundsätzlich sieht Stefanutti weder Gemeinderat noch die Gemeinde selbst in Sachen Transparenz schlecht aufgestellt. „Das ist jetzt meine dritte Wahlperiode und der Gemeinderat war noch nie so transparent wie jetzt“, erklärt Stefanutti. „Man kann sich informieren bis man keine Zeit mehr hat“, sagt sie lachend. Etwa durch die Gemeindezeitung und auch Gemeinderäte oder den Bürgermeister direkt zu befragen, wären Möglichkeiten. Ehrenleitner sieht das ähnlich: „Verbessern kann man immer etwas, aber ich bin der Meinung, dass wir da eigentlich ganz gut informieren.“ Besagtes Gemeindeblatt kennt Gradl natürlich, findet aber, dass dort oft Dinge zu verknappt und ohne Kontext dargestellt werden.
Bei einem Kritikpunkt Gradls sind sich aber alle einig: Die Bürgerversammlung im vergangen Jahr kam ohne Rede- und Fragezeit durch die Bürger aus. Fragen wurden zwar beantwortet, mussten aber im vorhinein gestellt werden. „Ich fand das auch nicht in Ordnung“, sagt Stefanutti, aber Bürgermeister Strauch hätte das erkannt. Stimmt, sagt Bürgermeister Strauch, die Bürgerversammlung so abzuhalten, sei ein Relikt aus Coronazeiten gewesen. In Zukunft wird das nicht mehr so sein.