Der „Schubser aus der Komfortzone“
Traunsteiner Bürgerinitiative strebt alternativen Klima-Bürgerentscheid an
- VonAxel Effnerschließen
Das Klimaschutzkonzept der Stadt Traunstein ruft Kritiker auf den Plan, denen es nicht weit genug geht. Deshalb streben sie ein eigenes Bürgerbegehren an. 1200 Unterschrift sind schon beisammen, war bei einer Informationsveranstaltung im Sailer-Keller zu erfahren.
Traunstein – Ende September hat der Stadtrat in Traunstein mit einstimmiger Mehrheit ein neues integriertes Klimaschutzkonzept für die Stadt verabschiedet. Daraus geht hervor, dass Traunstein bis spätestens 2040 klimaneutral sein soll. Um für die dafür anstehenden Investitionen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu bekommen, will die Große Kreisstadt am 20. Februar 2022 in einem Bürgerentscheid darüber abstimmen lassen.
Ruf nach engagierteren Maßnahmen
Doch einigen Bürgern gehen die im Konzept der Stadt vorgestellten Maßnahmen und Einsparungen nicht weit genug. Um die im Paris-Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Grenze der Erderwärmung einhalten zu kön-nen, so ihr Argument, bräuchte es wesentlich schneller engagiertere Maßnahmen. Bereits im Oktober hat sich deshalb die Bürgerinitiative „Klimaaufbruch Traunstein jetzt“ um den Musiker, gelernten Verlags-kaufmann und ehemaligen Stadtrat der Grünen, Stephan Hadulla formiert. Mit einem ergänzenden Bürgerentscheid „KlimaSchutzEntscheid Traunstein“ will die elfköpfige Vereinigung erreichen, das Klimaschutz-konzept der Stadt „nachzubessern“. Bei einer Informationsveranstaltung im Sailer Keller in Traunstein erklärte Mit-Initiatorin Christiane Meier jetzt, dass man bereits 1200 von den notwendigen 2.000 Unterschriften für die Beantragung des ergänzenden Bürgerentscheids beisammen habe.
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Meier erläuterte die Kritikpunkte der Initiative am Klimaschutzkonzept der Stadt Traunstein. Aktuell liege der jährliche Ausstoß im Stadtgebiet bei rund 170.000 Tonnen Kohendioxid (CO)2. Mit den im Konzept der Stadt aufgeführten 18 Maßnahmen soll anfangs 10.000, dann linear pro Jahr etwa 5000 Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden. Nach Meinung der Initiative werden damit bis 2040 aber nur maximal 100.000 Tonnen CO2 reduziert.
Die Uhr ticke, um die massiven Umweltfolgen bei Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze der Erderwärmung noch beeinflussen zu können. Wissenschaftlichen Beistand und mehr Personal zur Klimaschutz-Koordinierung in Traunstein erhofft sich die Initiative beispielsweise von der Bewerbung der Stadt für das EU-Förderprogramm „100 Städte klimaneutral bis 2030“. Durch die Vernetzung soll auch der Ideenaustausch über praxisnahe Lösungen beflügelt werden.
Meier verwies auf Studien renommierter Forschungsinstitute, die die Machbarkeit deutlicher CO2-Reduktionen bei vollständiger Umstellung auf erneuerbare Energien zwischen 2030 und 2040 belegen. Mit dem ergänzenden Bürgerentscheid, so Meier, wolle man dem Bürger die Wahl geben, wie engagiert der Klimaschutz in Traunstein umgesetzt wird.
Dekarbonisierung der Stadtwerke
In der Diskussion fragte Thomas Lang-Nachtnebel, wie die von der Initiative angestrebte CO2-Reduktion in Traunstein um 60 Prozent bis 2026 und weiterer 25 Prozent bis 2029 zu realisieren sei.
„Ein Herzstück wird die angepeilte Dekarboniserung der Stadtwerke sein“, antwortete Stephan Hadulla. Rainer Schenk ergänzte, dass aus seiner Sicht ein ganzes Bündel von Maßnah-men erforderlich sei. Dazu zählte er den Ausbau der Geothermie, die solare Baupflicht, Photovoltaik auf Freiflächen, Maßnahmen zum Walderhalt und -ausbau oder Bürgerbeteiligung beim Bau neuer Windräder.
Was folgt aus dem Bürgerentscheid der Initiative?, lautete eine weitere Frage. Meier erklärte dazu, dass die Stadt ihr Konzept dann nochmals überarbeiten müsse. Im Unterschied zum beauftragten Fachbüro sustainable könne dann auch mehr wissenschaftliche Expertise für innovative Lösungen miteinfließen.
Mut von der Politik gefordert
Claudia Lahr berichtete aus der Arbeit in den beteiligten Bürgerprojektgruppen, dass die Einarbeitung in die Thematik „äußerst anspruchsvoll“ gewesen sei. Hier hätte die Begleitung durch Experten gutgetan. „Die Politik sollte auch den Mut haben, aufzuzeigen, dass es in Sachen Klimaschutz zeitlich absolut brennt.“
Ob man künftig überhaupt noch heizen dürfe und welche Handwerker das ambitionierte Einsparpensum überhaupt umsetzen sollen, interessiert Thomas Lang-Nachtnebel. Dr. Schenk verwies auf die zahlreichen Förderungen für Wärmeoptimierungen. „Das wird alles sehr unbequem und schubst uns definitiv aus der Komfortzone“, kommentiert Rüdiger Funk.