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„Hier entsteht kein Ghetto“

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Halfing ist ein roter Fleck auf der Landkarte. Rot bedeutet in der grafischen Übersicht: Bisher wurden keine Asylbewerber in der Gemeinde aufgenommen.

Das soll sich jetzt ändern. Mit drei Gegenstimmen beschloss der Gemeinderat Halfing mehrheitlich in seiner jüngsten Sitzung, dem Bauantrag der heimischen Firma Aicher Holzhaus stattzugeben, die zwei Baukomplexe für Flüchtlinge erstellen möchte. Insgesamt sollen hier 80 Asylbewerber vorübergehend ein neues Zuhause finden.

Halfing – Das geplante Baugebiet grenzt an das Gewerbegebiet am Graben im Norden von Halfing und liegt im sogenannten Außenbereich. „Wir haben hier lediglich eine baurechtliche Prüfung vorzunehmen und keine Asyldebatte zu führen“, leitete Bürgermeister Peter Böck den Tagesordnungspunkt der öffentlichen Sitzung ein, die diesmal in den Pfarrsaal verlegt worden war. Denn erwartungsgemäß waren viele interessierte Halfinger Bürger gekommen, unter anderem die betroffenen Nachbarn des Gewerbegebietes. Natürlich mussten die beiden persönlich involvierten Antragsteller, Konrad und Peter Aicher, für diesen Tagesordnungspunkt ihre Plätze im Gemeinderat gegen Zuschauersitze tauschen.

„Es gibt keinen rechtlichen Ablehnungsgrund“, unterstrich Bürgermeister Böck und wies darauf hin, dass selbst bei einem negativen Bescheid des Gemeinderates das Landratsamt diesen Beschluss durch seine Genehmigung ersetzen könnte.

Der erste Antrag der Baufirma Aicher war vor ein paar Wochen abgelehnt worden – hier stand das Grundstück neben dem Integrativen Haus für Kinder zur Diskussion. Doch dieser Grund liegt in einer Flutmulde mit elementarer Bedeutung als Überschwemmungsschutz.

Neuer Standort ohne rechtliche Probleme

„Jetzt gibt es gegen diesen neuen Standort neben dem Gewerbegebiet keinerlei baurechtliche Einwände“, betonte Böck. Auch die Ängste der Gewerbetreibenden könne er ausräumen. Das neue Wohnheim falle nicht unter die üblichen Vorschriften für das Wohnen im Gewerbegebiet. Für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften wurden seitens der Regierung Sondermaßnahmen erlassen. Somit ergeben sich keinerlei Beeinträchtigungen für die Nachbarn – die angesetzten Schutzwerte für die Wohnbebauung seien sehr gering, das Gewerbe würde in keiner Weise eingeschränkt. „Lediglich den Immissionsschutz muss das Landratsamt noch überprüfen“, führte Böck aus.

„Kein Flüchtlingsghetto in Halfing“ – unter dieser Überschrift lag dem Gemeinderat ein offener Brief der Bürgerinitiative Halfing vor, die auch diesen neuen Standort für das geplante Asylheim ablehnt. Sprecher Dr. Hans Mayer sieht erneut die Gefahr der Entstehung einer zentralen Großeinrichtung. Die Bürgerinitiative kündigt an, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Realisierung eines „Großvorhabens“ zu verhindern. Falls unvermeidbar, werde auch ein Bürgerbegehren beantragt.

Auch Johann Landinger von der Halfinger Wählervereinigung wies im Gemeinderat darauf hin, dass er zwei verschiedene Standorte mit je 40 Wohneinheiten bevorzugen würde. Eine Meinung, der sich auch die Zweite Bürgermeisterin, Regina Braun (CSU), anschloss. „Doch für diese Variante liegt kein Bauantrag vor. Und ich teile diese Meinung nicht – hier entsteht mit 80 Personen kein Ghetto“, sagte Böck.

Zwei Holzhäuser in vier Monaten Bauzeit

Er verwies auf die Zahlen des Landratsamtes, die als Aufnahme-Soll für Halfing für das kommende Jahr bereits 90 Flüchtlinge vorsehen würden, für das Jahr 2017 seien sogar 126 prognostiziert worden. Und niemand wisse, wo die Zahlen in Wirklichkeit noch hinführen würden. Mit dem neu geschaffenen Wohnraum für 80 Asylbewerber sei ein wichtiger Grundstock gelegt.

Geplant sind zwei sich gegenüberliegende Baukörper aus Holz mit geschlossenen Wohneinheiten für je vier Personen, eine Betreuerwohnung sowie einem Schulungsraum. Dazu kommt ein Versammlungspavillon, mit dem der Bauherr als Jugend- und Lehrlingsprojekt kostenlos einen sozialen Beitrag zur Integration leisten möchte. Jede Wohneinheit hat ihren eigenen Zugang. Das Konzept ist so ausgerichtet, dass die Anlage nach dem Auszug der Asylbewerber variabel an anderer Stelle oder für andere Wohnraumsuchende genutzt werden kann.

Die Bauzeit soll nur rund vier Monate betragen. „Ich finde, was hier geplant ist, sieht wirklich gut aus“, betonte Bürgermeister Böck. „Und wir haben damit unsere Quote für die kommenden zwei Jahre erfüllt.“

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