Die Ortsumgehung bleibt Thema
Bürgerwillen ignoriert oder manipuliert? Vorwürfe spalten Halfing - Was jetzt passieren soll
- VonSylvia Hampelschließen
Seit Jahren sorgt die Entscheidung von 2013, die Halfinger Ortsumgehung nicht weiter zu verfolgen, für Spannungen im Dorf. Weshalb das Thema nun fast zehn Jahre später wieder hochkocht - und aktuell wie lange nicht ist.
Halfing - In der Gemeinde kreuzen sich zwei Staatsstraßen. Zumindest eine, die von Wasserburg nach Prien, hätte aus dem Dorf herausgelegt werden können. Die Gemeinde wollte vor neun Jahren von ihren Bürgern wissen, ob diese die Ortsumgehung wollen. Eine deutliche Mehrheit der Antwortenden sagte „nein“. Die Gemeinderäte stimmten daraufhin gegen die Weiterverfolgung der Umgehung.
Die Folgen sind immer noch zu spüren. „Die Feindseligkeiten zwischen den Bewohnern der Ortsmitte und denen der Außenbereiche halten bis heute an. Es ist frustrierend“, sagt Hildegard Rieder-Aigner von der Bürgerinitiative „pro Halfing“. Auslöser aus ihrer Sicht: ein Flyer, unterzeichnet von „Haslacher und Irlacher Familien“, aus dem Jahr 2013.
„Manipulative Bilder“ in einem Flugblatt
Dieser Flyer wurde laut Rieder-Aigner einen Tag vor der Befragung aller Halfinger - kein Bürgerentscheid - im Ort verteilt. Er habe einige falsche Informationen enthalten, so Rieder-Aigner, vor allem aber eine Fotomontage einer großen Brücke über die Gleise der Chiemgauer Lokalbahn. Manipulative Bilder, die die Menschen verunsichert hätten, sagt Rita Gievers, ebenfalls bei „pro Halfing“ aktiv. Die BI „pro Halfing“ hätte damals sofort eine einstweilige Verfügung gegen das Flugblatt und die Befragung anstreben müssen, „wir waren aber noch nicht entsprechend aufgestellt“, bedauert Rieder-Aigner.
Keine Brücke über die LEO-Gleise nötig
Allerdings hatte „pro Halfing“ in einem Schreiben den damaligen Bürgermeister Peter Böck und die Gemeinderäte aufgefordert, im Nachhinein für die Richtigstellung der Tatsachen um den nicht vorgesehenen Brückenbau in der Öffentlichkeit Sorge zu tragen. Denn sie wüssten, dass keine Brücke über die LEO-Gleise nötig sei. Das habe ihnen damals das Staatliche Bauamt in einem Schreiben bestätigt, das der Redaktion vorliegt: Ein Brückenbauwerk sei nicht erforderlich. Es habe schon 2009 eine Vorabstimmung mit den Verantwortlichen der Bahn und dem Bürgermeister gegeben.
Halfings Altbürgermeister Peter Böck sagt zu den Vorwürfen der Manipulation durch den Flyer gegenüber dem OVB: „Wir haben weder diesen noch die Fotomontage zu verantworten.“ Im Übrigen, so Böck, seien Flugblätter einer Partei, ob Befürworter oder Gegner, „immer einseitig.“
Umgehung soll Anwohner im Außenbereich nicht beeinträchtigen
Hildegard Rieder-Aigner sagt, es gehe ihr ums Dorf. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf den Staatsstraßen sei dort keine Entwicklung möglich. „Und die Familien von Haslach und Irlach haben völlig vernachlässigt, dass im Ortszentrum viele Anwohner vom Lärm geplagt sind. Wer nicht wegzieht, errichtet Zaun oder Mauer, wenn Platz und Geld vorhanden sind.“ Die Umgehung solle ja nicht durch die Vorgärten der Haslacher und Irlacher gehen, „das will keiner“. Das Gelände ermögliche eine Trasse, die so an die Hanglage gebettet werde, dass sogar eine ökologische Aufwertung möglich sei.
Ampel für sichereren Schulweg
In der Ortsmitte hingegen kämen Fußgänger kaum über die Staatsstraßen, die Kinder aus dem östlichen Teil der Gemeinde kaum zur Schule, sie müssten mit dem Auto gebracht werden, so Rieder-Aigner. Da scheint das Ende zumindest absehbar. Vom bayerischen Verkehrsministerium heißt es: „Das Staatliche Bauamt ist mit der Errichtung einer Fußgängerampel an der Rosenheimer Straße im Bereich der Grundschule einverstanden und hat den Antrag an die untere Verkehrsbehörde am Landratsamt Rosenheim weitergeleitet.“
Die verkehrsrechtliche Anordnung des Landratsamts stehe derzeit noch aus, so die Information aus der Pressestelle. Eine temporäre Fußgängerampel „in der Chiemseestraße im Bereich der Fahrschule scheiterte“, so die Pressemitteilung des Ministeriums, da die für die Ampel erforderlichen Aufstellflächen nicht zur Verfügung gestellt werden konnten.
Unterschriftenlisten und Chronologie liegen bei der Bürgermeisterin
Weit zurück in die Vergangenheit reicht ein weiterer Vorwurf der BI „pro Halfing“: Altbürgermeister Böck soll 2008 über 600 Unterschriften von Halfingern, die sich für eine Umgehung aussprachen, entsorgt haben. Hildegard Rieder-Aigner sagt dazu, er „hat sie zur Seite gelegt“. Das erbost den Altbürgermeister. Die Unterschriftenlisten seien bis heute im Rathaus gelagert. Das bestätigt auf OVB-Nachfrage Böcks Nachfolgerin Regina Braun. Sie hat den Ordner zur Einsichtnahme in ihrem Amtszimmer liegen. Und zum anderen, ergänzt Böck, seien eben diese Unterschriften damals der Auslöser unter anderem für die Befragung der Halfinger gewesen.
Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2009
Im August 2008 habe er die Unterschriftenlisten im Gemeinderat präsentiert, so Böck. Der Rat habe sich damals darauf verständigt, dass der Bürgermeister die Sache mit der BI „pro Halfing“ besprechen werde. Im folgenden Winter habe es dann eine Gemeinderatsklausur zu dem Thema gegeben, so Böck. Daraufhin habe die Gemeinde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Die wurde im Laufe des Jahres 2009 fertig, hat Böck in den Akten festgehalten, und mit der sei man in die alle zehn Jahre anstehende Dringlichkeitsfortschreibung des Freistaats gegangen. Deren Ergebnis stand dann 2013 fest.
Halfing war weit oben auf der Liste gelandet. Es folgte die Befragung der Halfinger. Ergebnis: Etwa zwei Drittel der abgegebenen Rückmeldungen waren gegen eine Ortsumgehung. Also beschloss der Gemeinderat, diese nicht weiter zu verfolgen. Dabei blieb es bis heute. Die Dringlichkeitsfortschreibung gibt es so nicht mehr. Einen langfristigen Ausbauplan der Staatlichen Straßenbauämter in Bayern schon.
Gemeinderat muss entscheiden
Ob die Ortsumgehung der Staatsstraße Wasserburg-Prien rund um Halfing darin wieder aufgenommen wird, ist eine Entscheidung des Gemeinderates. „Erst wenn der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss für die Realisierung der Ortsumfahrung fasst und die Gemeinde sich damit klar für die Ortsumfahrung positioniert, kann das Staatliche Bauamt Rosenheim in die Projektplanung einsteigen“, heißt es aus dem Staatsministerium für Bauen, Wohnen und Verkehr.
Vertreter des Staatlichen Bauamtes Rosenheim hätten Bürgermeisterin Regina Braun angeboten, für Informationsveranstaltungen, beispielsweise im Rahmen einer Klausurtagung des Gemeinderats oder öffentlicher Bürgerinformationen, zur Verfügung zu stehen. „Bislang hat die Gemeinde davon aber keinen Gebrauch gemacht“, so eine Sprecherin des Ministeriums.
Bürgermeisterin Regina Braun macht die Umgehung nun im Februar 2023 erneut zum Thema im Gemeinderat. „Der entscheidet dann, ob wir die Umgehung wieder verfolgen. Oder ob wir das weiterhin nicht tun.“