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„Fass ohne Boden“? Aschaus historischer Bahnhof bröckelt - doch die Sanierung ist vertrackt

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Von: Heinrich Rehberg

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Der Bahnhof von Aschau im Chiemgau mit repräsentativem Vorplatz
Auf den ersten Blick ganz schmuck, aber der Bahnhof von Aschau im Chiemgau aus dem 19.Jahrhundert ist angeschlagen und nicht mehr voll zu nutzen. © Heinrich Rehberg

Der denkmalgeschützte alte Bahnhof von Aschau im Chiemgau bröckelt. Und der Brandschutz macht eine Sanierung extrem aufwendig. Die Gemeinderäte sind hin- und hergerissen zwischen „lohnt den Aufwand nicht“ und „können wir nicht verfallen lassen“.

Aschau - „Das Haus aus dem Jahr 1884 kann wegen der bestehenden Brandschutzvorgaben nicht im vollen Umfang genutzt werden, erste Verfallserscheinungen an dem stattlichen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sind bereits auszumachen“, stellte Bürgermeister Simon Frank dem Gemeinderat ein neues, aber schon altes Problem in der Aschauer Ortsmitte vor. „Eine Sanierung des Gesamtbauwerks oder auch nur die brandschutztechnische Ertüchtigung auf den modernen Stand der Technik würde Kosten auslösen, die zum jetzigen Stand nicht abzuschätzen sind. Allerdings wird sich die Gemeinde bald etwas einfallen lassen müssen, bevor die Schäden irreparabel werden“.

Brandschutz macht eine Sanierung aufwendig

Das Bahnhofsgebäude wird derzeit im Erdgeschoss vom Ökumenischen Sozialdienst Priental, der Deutschen Bahn, der Kleiderkammer und zu öffentlichen Zwecken (WC) genutzt. lm ersten Obergeschoss befinden sich Räume für den Eisenbahnverein und den Heimat- und Geschichtsverein. Die Wohnungen im zweiten Obergeschoss stehen schon lange leer, da es keine Nutzungsgenehmigung für diese Räume gibt. Die Zimmer wurden länger als sieben Jahre nicht bewohnt, damit greift auch kein Bestandsschutz.

Die Gemeinde möchte bei der aktuellen Wohnraumsituation auch den zweiten Stock wieder nutzen, sieht sich aber durch die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung stark eingeschränkt. Als erste Maßnahme führte die Bauabteilung eine Begehung mit einem Brandschutzfachplaner durch. Das Ergebnis war ernüchternd: das Fußbodenniveau im zweiten Stock liegt über sieben Meter hoch, dadurch wird das Gebäude nach Bauordnung der Gebäudeklasse vier zugeordnet. Die rechtlichen Anforderungen an die baulichen Rettungswege steigen durch diese Zuordnung.

Zwar wäre eine Personenrettung über die Drehleiter aus den Fenstern als zweiter Rettungsweg herstellbar, doch das denkmalgeschützte Treppenhaus im jetzigen Zustand kann nicht als erster Rettungsweg genutzt werden. Es fehlt also „vom Boa weg“. Neben einer umfassenden Sanierung der Stufen und des Geländers muss der Treppenraum rauchdicht von den Nutzungseinheiten abgetrennt werden. Die vorhandene Treppe kann diese Anforderungen nicht erfüllen und es bedürfte einer Abweichung, wie beispielsweise eine Kompensation der fehlenden Voraussetzungen durch eine Brandmeldeanlage im Gebäude.

Brandschutz auch im repräsentativen Foyer

Die im Treppenhaus verlaufenden Elektroleitungen aus dem frühen 20. Jahrhundert sind nicht mehr zulässig und müssten neu verlegt werden. Der erste Rettungsweg – das Treppenhaus - müsste direkt ins Freie führen. Da dies nicht der Fall ist, muss das repräsentative Foyer im Erdgeschoss ebenfalls brandschutztechnisch ertüchtigt werden.

Eine genaue Beurteilung der vorhandenen Decken im Gebäude wäre erst nach Probeöffnungen an mehreren Stellen möglich. Es ist davon auszugehen, dass die zwei Decken zwischen Erdgeschoss, ersten Obergeschoss und zweiten Obergeschoss ertüchtigt werden müssen, da sie die Anforderung „hochfeuerhemmend“ nicht erfüllen. Dies gilt auch für Teile der Trennwände zwischen den Nutzungseinheiten.

„Welche Maßnahmen im Einzelnen ergriffen werden müssen, um das Gebäude wieder als Ganzes und in allen Stockwerken nutzbar zu machen oder ob einzelne Abweichungen von der Bauordnung zulässig sind, kann erst im Zuge umfassender Planungen mit Beteiligung eines Brandschutzplaners, eines Statikers, der unteren Denkmalschutzbehörde und eines Haustechnikplaners beurteilt werden“, so der Bürgermeister. „Ein Bauantrag zur Nutzungsänderung wäre anschließend einzureichen“.

Schimmelbildung nach dem Abtrennen des Kellers

Bei der Begehung wurden zusätzlich Schäden an den Trittstufen der Treppe vom Erdgeschoss bis zum ersten Obergeschoss festgestellt. Die Standsicherheit der Treppe ist jedoch augenscheinlich nicht gefährdet. Die Trittstufen wurden vom gemeindlichen Bauhof provisorisch verstärkt. Durch das Abtrennen des Kellers hat sich unter den Eichenstufen vermutlich ein Mikroklima gebildet, das die Bildung von Schimmel und einen - bereits behandelten - Befall durch Holzwürmer gefördert hat. Ein Teil der Stufen kann nicht eingesehen werden. Bei einer Öffnung der Verschalung sollte nochmals ein Statiker hinzugezogen werden. Bei einem Tausch der Auftrittsstufen muss der Denkmalschutz beteiligt werden.

Der Gemeinderat nahm den Sachstand zur Kenntnis. Wolf Neelsen (Grüne) regte an, eine künftige Nutzung zu finden. Man könne das alte Gebäude doch nicht einfach verfallen lassen. Peter Thaurer und Georg Westenthanner (beide CSU) warnten vor einem „Fass ohne Boden“. Der Gemeinderat solle sich einen möglichen Ausbau und eine Renovierung gut überlegen, denn erfahrungsgemäß verschlingen die notwendigen Arbeiten Unsummen an Geld, ohne dass man viel dafür bekommt. Die Forderungen des Brandschutzes seien in diesem bestehenden Gebäude wohl kaum zu erfüllen.

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