Ist das noch wirtschaftlich?
Marquartsteiner Fernwärmeprojekt: Große Diskrepanz bei Kostenberechnungen
- VonManfred Peterschließen
Mit doppelt so hohen Kosten rechnet ein zweites Gutachten zum Fernwärmeprojekt in Marquartstein. Was die Tiroler Ache damit zu tun hat und was der Gemeinderat dazu sagt.
Marquartstein – Für den Gemeinderat war es ein Novum, wie es Bürgermeister Andreas Scheck (BfM) ausdrückte, denn zwei Referenten der eta Energieberatung GmbH waren zum Thema Fernwärmeversorgung in Marquartstein per Videokonferenz zuzuschalten.
Die erste Machbarkeitsstudie wurde vor rund einem Jahr von der österreichischen Firma aqotec erarbeitet und kam zu einem positiven Ergebnis. „Durch die zweite Meinung soll auf Basis weiterer Fachkenntnis und Erfahrungen sichergestellt werden, dass das Vorhaben wirtschaftlich auch funktioniert“, sagte Scheck. Im September hatte der Gemeinderat die Firma eta aus Pfaffenhof dazu beauftragt.
Nach 21 Jahren noch nicht amortisiert
Matthias Schäfer und Josef Lechner von eta stellten die Ergebnisse vor. Vor allem praktische Umstände sind aufgefallen, die das Ergebnis der Wirtschaftlichkeit beträchtlich veränderten. Jedoch stellte Schäfer klar, auch wenn sich das Projekt nach ihren Berechnungen nicht wie von aqotec angenommen nach 21 Jahren amortisiert hat, handelt es sich in um ein Projekt mit sehr viel Potenzial, auch in Bezug auf den Restwert. „Ein Fernwärmenetz wird ja nicht nur für 20 Jahre, sondern mindestens für 40 Jahre ausgelegt“, sagte Schäfer. Ein bis zwei Prozent Rendite können durchaus erzielt werden.
Als erheblicher Kostenfaktor kam die Querung der Tiroler Ache hinzu. Für das Heizwerk ist momentan ein Standort im Entwicklungsgebiet „Am Sportplatz“ angenommen. Bei der neuen Berechnung wird eine Unterquerung angedacht und nicht wie bei der ersten Berechnung, dass die Leitung an der bestehenden Fußgängerbrücke angehängt wird. Das ist laut Schäfer der Statik und der Durchflusshöhe der Brücke geschuldet und schlägt mit mehr als 500 000 Euro zu Buche. Bei der Trassenführung schlagen die Schäfer und Lechner vor, die Hauptleitung aus privaten Grundstücken weitestgehend in Gemeindeflächen zu verlegen.
Länger, größer, teurer
Weiter gehen die Fachleute von eta von einer erweiterten Trassenlänge aus, da sie eine Erschließung „Am Sportplatz“ miteinbezogen haben. Zusätzlich erwarten sie eine größere Wärmeabnahme und setzen somit größere Rohre an. Beides bringt höhere Kosten. In ihrer Berechnung ergibt sich somit ein höherer maximaler Leistungsbedarf, der durch einen zweiten Spitzenlastkessel abgedeckt werden soll.
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Letztlich haben sich die angenommenen Kosten ungefähr verdoppelt und liegen bei sechs Millionen Euro. Schäfer sieht noch Verbesserungspotenziale, unter anderem könnten bei der Realisierung Fördermöglichkeiten für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) miteinbezogen werden.
Auch KWK für Holzvergaser
Dazu meinte Gemeinderat Klaus Hell (BfM), dass er dies eher schwierig einschätzt, da es im Gemeindegebiet nur drei Landwirte mit den entsprechenden Voraussetzungen gibt und so die Möglichkeiten einer Anbindung des Heizwerks an eine Biogasanlage sehr gering sind. Laut Schäfer sind die KWK-Möglichkeiten seien erweitert worden und es wäre auch die Einbindung eines Holzvergasers möglich, so Schäfer.
Abschließend meinte Scheck, dass die Wahrheit wohl zwischen den beiden Berechnungen liegen werde und die Gemeinde das Projekt weiterverfolgen würde, da die Erreichbarkeit der Wirtschaftlichkeit auch durch die zweite Berechnung aufgezeigt worden sei.
Kommunales Unternehmen
Nachdem der Gemeinderat im Juli beschlossen habe, die Realisierung der Fernwärmeversorgung in Marquartstein grundsätzlich umzusetzen, sei die Verwaltung beauftrag worden, die erforderlichen weiteren Schritte einzuleiten, erläuterte Scheck. Der Gemeinderat entschied sich, für den weiteren Fortgang dazu ein Kommunalunternehmen mit dem Namen „Wärmeversorgung Marquartstein KU“ zu gründen.
Voraussetzung ist der Erlass einer entsprechenden Unternehmungssatzung. Bevor der Bürgermeister zur Diskussion und Abstimmung der Satzung schritt, führte er aus, dass das Unternehmen wieder aufgelöst werde, wenn aus welchen Gründen auch immer die Fernwärmeversorgung nicht zustande kommen sollte. Der Gemeinderat Klaus Hell brachte ein, dass er zu wenig Transparenz zwischen Gemeinderat und eingesetzten Verwaltungsrat sehe. Die vorgelegte Satzung wurde mit der Gegenstimme von Hell beschlossen.