Millionen-Betrug um TSV 1860 Rosenheim vor Gericht
Organisierter Mittäter oder nur kleiner Mitläufer? – Urteil im Betrugsprozess ist gefallen
- VonSascha Ludwigschließen
Am dritten Verhandlungstag gegen den 34-jährigen Angeklagten sollte am Montag (6. Februar) nun das Urteil fallen. Wegen dreisten Betrugs im Umkreis des Traditionsvereins TSV 1860 Rosenheim geht der Angeklagte hinter Gitter. Wie die Staatsanwaltschaft, die beiden Verteidiger und zuletzt die Kammer argumentierten:
Traunstein/Rosenheim – Nachdem bereits an den ersten beiden Verhandlungstagen zahlreiche Zeugen die Abläufe rund um den dreisten Betrug rekonstruiert hatten, stehen am dritten Prozesstag die Plädoyers und schließlich auch das Urteil gegen den 34-jährigen Angeklagten auf dem Programm. Die Tat, die dem Mann vorgeworfen wurde, klingt filmreif: Er soll daran beteiligt gewesen sein, ein ehrenamtliches Mitglied des TSV 1860 Rosenheim um 200.000 Euro zu betrügen.
Der Angeklagte und weitere Hintermänner hatten dem Mann aus dem Landkreis Rosenheim ein Sponsoring für den Verein angeboten, das dieser nicht ablehnen konnte. Ein vermeintlicher „indischer Investor“ habe vorgeschlagen, rund 10 Millionen Euro für die Nachwuchsarbeit locker zu machen – als „Kreditversicherung“ sollten 200.000 Euro in bar an den Sponsor in Mailand übergeben werden. Der spätere Geschädigte stieg darauf ein und händigte – allen Warnsignalen zum Trotz – das Geld schließlich aus, bezahlt aus der eigenen Tasche. Die versprochene Millionen-Summe für den Verein hat der Rosenheimer jedoch nie erhalten.
Verteidiger und Staatsanwaltschaft mit Schluss-Plädoyers
Bevor die Prozessbeteiligten in ihre Schlussanträge einsteigen, äußert sich der Angeklagte am Montag zum ersten Mal persönlich vor Gericht. Für seine Taten macht er eine starke Drogenabhängigkeit und auch Spiel-Schulden verantwortlich – obwohl er an den vergangenen Prozesstagen Betäubungsmittel-Konsum immer ausgeschlossen hatte.
Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling sieht diese Argumentation hingegen kritisch: „Wenn ich sehe, dass auch in der JVA keine Probleme wegen BTM bekannt sind, wie erklärt er sich das dann?“ Eine Frage, die Verteidigerin Ricarda Lang im Namen ihres Mandanten nicht kommentieren will. Das italienische Zentralregister weist für den Angeklagten indes einen Eintrag auf – den unerlaubten Besitz von Schusswaffen.
„Er hat das Opfer gesucht, er hat das Falschgeld zur Tat gebracht“
„Wir haben mehrere Geständnisse des Angeklagten. (...) Denen müssen wir nun auf den Grund gehen,“ steigt Dr. Freudling dann in sein Plädoyer ein. Zunächst – noch in Italien und kurz nach seiner Festnahme - habe der Angeklagte den Betrug weitestgehend eingeräumt und umfangreiche Angaben zu seiner Täterschaft gemacht. Diese Aussage wertet der Oberstaatsanwalt als am glaubhaftesten. Bei allen weiteren Einlassungen, ob beim Ermittlungsrichter oder auch vor Gericht, sei der Angeklagte wieder stark zurück gerudert und habe seine Beteiligung relativiert.
Für Dr. Freudling handle es sich beim Angeklagten definitiv um einen Haupttäter. „Er hat das Opfer gesucht, er hat das Falschgeld zur Tat hingebracht – das ist kein bloßer Abholder, der weiß ganz genau was da stattfindet“, so der Oberstaatsanwalt. Und fordert deshalb, den Angeklagten wegen Betruges zu einer Strafe von sieben Jahren zu verurteilen.
„Ich erwarte von einem Staatsanwalt, dass Anträge auch realistisch sind!“
„Sie haben hier keine Vermutungen auszuschmücken, sie müssen sich an der Beweisaufnahme orientieren“, steigt Verteidigerin Ricarda Lang ein und widerspricht den Ausführungen des Oberstaatsanwalts vehement. Und weiter: „Die Beweisaufnahme hat festgestellt, dass er nicht im Lokal war“, das Geständnis ihres Mandanten vor Gericht sei gültig – und sage nur über die Tatbeteiligung bei der ersten, gescheiterten Übergabe aus. Das umfassende Geständnis in Italien sei nur zustande gekommen, da dem Angeklagten umfangreiche Hafterleichterungen in Aussicht gestellt worden seien.
Und auch für den Geschädigten hat die Anwältin ein paar letzte Worte übrig: „Wenn ich nicht besonders gut nachdenke und Pseudo-Verträge mache, dann ist das was anderes, als wenn mir die Kreditkarte geklaut wird. (...) Die Geldgier des Geschädigten selbst muss ebenfalls in die Strafzumessung mit eingerechnet werden.“ Abschließend könne die Verteidigerin höchstens eine Beihilfe zum Betrug erkennen – mit einer Strafe von höchstens zwei Jahren und sechs Monaten. Und schließt ihren Vortrag mit lauter Stimme: „Alles andere passt in kein Strafgefüge! Ich erwarte von einem Staatsanwalt, dass Anträge auch realistisch sind!“
Dann kommt noch Verteidiger Andreas Müller zu Wort. „Gesichert können wir sagen, dass der sogenannte Geschädigte auf dem Parkplatz mit meinem Mandanten zusammengetroffen ist. (...) Mit der weiteren Tatausführung hatte er nichts zu tun“, so der Verteidiger; und weiter: „Was war er also, war er ein Mittäter?“ In seinen Augen treffe das nicht zu. „Wäre ich in der Situation gewesen, ich hätte genauso gehandelt“, führt der Anwalt in Hinblick auf das erste Geständnis in Italien aus. Er habe schlicht bei seiner Familie – im Idealfall sogar nur im Hausarrest – in Italien bleiben wollen. Nur deshalb habe er anfangs mehr eingeräumt, „die Braut hübsch gemacht“ wie es Andreas Müller blumig beschreibt. Auch er sehe im Fall seines Mandanten lediglich eine Beihilfe verwirklicht. Der Anwalt fordert deshalb wie seine Vorrednerin eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Die Kammer kommt zu einem Urteil
Bevor das Gericht entscheidet, hat der Angeklagte das letzte Wort: „Der Staatsanwalt hat schon recht und es ist noch zu wenig“ reagiert er trotzig und mit sarkastischem Ton. Und weiter: „Ich verfluche den Tag, an dem das passiert ist.“ Nach einer Beratungspause verkündet Richter Volker Ziegler dann das Urteil. „Ich verkünde im Namn des Volkes das Urteil. (...) Der Angeklagte wird wegen Beihilfe zum Betrug und wegen Beihilfe zur Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.“ Bei der Geldübergabe in Mailand sei der Angeklagte definitiv beteiligt gewesen – ob er aber auch bei der Planung des Betrugs im Spiel war, könne nicht mit Sicherheit gesagt werden.
„Man muss einen finden, der eine hohe Summer Bargeld einpackt und ins Ausland fährt. (...) Dass das alles Hanebüchen ist, ist soweit bekannt“, so der Richter weiter. Die Tätergruppe habe den Angeklagten lediglich gezielt beauftragt, die Übergabe zu vollziehen. Einen Kontakt nach Deutschland zu weitern Hintermännern könne man dem 34-Jährigen nicht nachweisen. „Das spricht dennoch für hohe kriminelle Energie, wenn man sich kurzfristig zu so einer Tat bereiterklärt. (...) Und er hat einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet.“ Dass das erste Geständnis des Mannes in Italien so viel umfangreicher ausgefallen war als jetzt in der Hauptverhandlung, kann der Richter indes nachvollziehen: Er ist sich sicher, dass sich der Mann „absichtlich mit Dreck beworfen“ hatte, um in Italien bei seiner Familie bleiben zu können.
sl