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Gymnasiasten kriegen den Vogel

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Man kann seine Schüler 100-mal schreiben lassen, dass der Spatz eigentlich Haussperling heißt. Interesse für heimische Vogelarten wird damit wohl nicht geweckt. Am Priener Gymnasium gehen die Lehrer andere Wege. Folge: Die Schüler haben Spaß am Lernen und heimsen Preise ein.

Prien – BISA steht als Abkürzung für Biodiversität (Artenvielfalt) im Schulalltag – und die Ähnlichkeit zum PISA-Test ist durchaus beabsichtigt. BISA begeisterte kürzlich Pädagogen und Juroren beim deutschen „Science on Stage“-Festival in Berlin. 100 ausgewählte Lehrer aus naturwissenschaftlichen Fächern präsentierten ihre erfrischenden, originellen Unterrichtsideen.

2017: „Science on Stage“-Festival in Ungarn

BISA erfunden haben Studiendirektor Thomas Gerl und Studienrat Johannes Almer vom Priener Ludwig-Thoma-Gymnasium (LTG). Sie wollen, dass ihre Schüler Spaß am Lernen haben, und zwar übergreifend in den sogenannten MINT- (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) Fächern. Genau darum geht es bei „Science on stage“. Das Lernprogramm vom Chiemsee ist so gut, dass Gerl und Almer es 2017 auf dem europäischen „Science on Stage“-Festival in Ungarn vorstellen sollen.

Dass die beiden Gymnasiallehrer kreative Köpfe sind, haben sie schon vor zwei Jahren bewiesen. Damals landeten sie mit ihrem „Mission 2 Mars“-Projekt einen Volltreffer und beim europäischen Kreativgipfel in London. Mithilfe ihrer findigen Lehrer waren Priener Gymnasiasten quasi zu Raumfahrern geworden, hatten zum Beispiel eine Brennstoffzelle entwickelt, die mit Hefe betrieben wird. Ihre Marsmission hatte Gerl und Almer auch den Deutschen Lehrerpreis in der Kategorie für innovativen Unterricht beschert. Das Projekt fand bundesweit Nachahmer. Etwa 50-mal durften es die Priener Pädagogen seitdem in Vorträgen präsentieren, damit auch andernorts der Unterricht spannender wird.

Diesmal blieb das LTG-Duo auf der Erde, sozusagen vor der Haustür. Der Chiemsee als Vogelschutzgebiet und Hot Spot der Artenvielfalt lieferte ihnen jede Menge Stoff für spannende Unterrichtsstunden. Gerl und Almer nutzten ihre Passion, beide sind Hobby-Ornithologen (Vogelkundler), insbesondere Almer ist oft draußen, um die Natur zu beobachten und in Bildern festzuhalten. 222 in Deutschland heimische Vogelarten hat er im Privatarchiv. Die Dienstreise zum Festival in Berlin zum Beispiel nutzte er gleich für einen Abstecher ins nahe Brandenburg, wo er die seltene Großtrappe vor die Linse des Teleobjektivs seiner Kamera bekam – Nummer 222 seiner Sammlung.

„Nur was man kennt, kann man schützen“: Mit dieser Maxime sind die naturverbundenen Pädagogen Gerl und Almer daran gegangen, für ihre Schüler Unterrichtsprogramme zu entwickeln, die Spaß machen und lehrreich sind. Denn sie hatten beobachtet, dass die Kinder und Jugendlichen quer durch die Jahrgangsstufen schon interessiert sind, aber wenige Arten wirklich kennen.

Sie kennenzulernen und sich zu merken war das Ziel. So entstand BISA, das auf drei Säulen basiert. Online können die Schüler üben, heimische Vogelarten zu bestimmen, egal, ob am PC, am Tablet oder Smartphone. Die Lehrer entwickelten ein Vogel-Memory, Erkennungsspiele mit Vogelstimmen und mit Besonderheiten einzelner Arten, dem langen Schnabel etwa oder den Farben der Flügelfedern. Erfolge beim Üben motivieren.

„Ziel ist es, die Kinder zum regelmäßigen Beobachten zu animieren.“ Thomas Gerl

Zweite Säule sind Beobachtungen in freier Natur, nicht nur am Chiemseeufer. Auf einem vierseitigen Beobachterpass können die Schüler ihren Namen, Klasse und Schule eintragen und anhand von Bildern 24 Arten abhaken, wenn sie sie entdeckt haben. Je nachdem, wie häufig oder selten die eine oder andere Art ist, müssen die Schüler sie auf dem Faltblatt abhaken: Für weitverbreitete Arten wie Stockente oder Blässhuhn braucht es fünf Häkchen unter dem entsprechenden Bild, für häufigere Vögel wie Lachmöwe oder Haubentaucher drei und für seltene Vertreter wie Brandgans oder Gänsesäger reicht ein Häkchen.

„Ziel ist es, die Kinder zum regelmäßigen Beobachten zu animieren“, erklärt Gerl den pädagogischen Hintergedanken. Dank der Zusammenarbeit mit der Internetplattform naturgucker.de können BISA-Teilnehmer ihre Beobachtungen auch für andere sichtbar ins Netz stellen und sie dort sogar auswerten und analysieren. So entsteht mit der Zeit eine beachtliche Dokumentation.

Dritter Pfeiler des BISA-Projekts ist die „Personalisierung“: Ein Vogel, der im Nistkasten auf dem Schulgelände wohnt, bekommt einen Namen. Und er wird „High Tech“- überwacht: Mit einem simplen 30-Euro-Rechner, Webcam mit Infrarot-Sensor und Bewegungsmelder, integrierter Temperaturmessung in Echtzeit können die Schüler im Frühjahr „ihre“ Vögel beim Brüten beobachten, mitzählen, wie oft der Nachwuchs gefüttert wird, welchem Einfluss das Wetter auf das Wachstum hat und vieles mehr. Diese Daten können sie natürlich auch am Handy abrufen.

BISA ist noch nicht vollendet. Die Priener Lehrer denken sich weitere Bestandteile aus. Sie wollen, dass sich ihre Schüler das ganze Jahr mit Vogelarten und Artenschutz beschäftigen. Die Faszination des Fliegens beispielsweise bringen sie den Gymnasiasten unter anderem mit einem Papierfliegerwettbewerb näher. „Unsere Inspiration ist es, das, was der Lehrplan vorgibt, so aufzubereiten, dass es Spaß macht und die Kinder es dann können“, sagt Gerl. Und sie wollen ihre Begeisterung für die Natur weitergeben, denn „frische Luft hat man immer“; auch wenn mal kein seltener Vogel daherkommt, weiß Almer von seinen Fotoexpeditionen.

Und hier noch die Auflösung für das Vogelquiz oben auf der Seite: Die Arten von links nach rechts, alle vom LTG-Lehrer Johannes Almer im Chiemseegebiet fotografiert: Blaumeise, Rotkehlchen, Zaunkönig, Eisvogel, Feldsperling (oder Feldspatz) und Kohlmeise.

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