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Beziehungsgeflechte und verrätselte Bilderwelten im Kunstforum Klosterkirche

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Von: Axel Effner

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Galerieleiterin Judith Bader beim Rundgang „Kunst am Morgen“ mit Besuchern in der aktuellen Ausstellung „Neulich“ der beiden Künstler und Lebenspartner Annette Bastian und Samuel Rachl. Sie ist noch bis 4. Juni in der Städtischen Galerie im Kunstforum Klosterkirche in Traunstein zu sehen.
Galerieleiterin Judith Bader beim Rundgang „Kunst am Morgen“ mit Besuchern in der aktuellen Ausstellung „Neulich“ der beiden Künstler und Lebenspartner Annette Bastian und Samuel Rachl. Sie ist noch bis 4. Juni in der Städtischen Galerie im Kunstforum Klosterkirche in Traunstein zu sehen. © Effner

Innere und äußere Realität: Antworten auf höchstpersönliche Fragen geben die beiden Münchner Künstler Annette Bastian und Samuel Rachl in ihrer Ausstellung in Traunstein.

Traunstein – In welcher Beziehung stehen wir Menschen zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen und zu den Gegenständen oder Mitlebewesen um uns herum? Interessante Studien und höchstpersönliche Antworten zu dieser Frage ermöglicht die Ausstellung „Neulich“ in der Städtischen Galerie im Kulturforum Traunstein. Sie zeigt noch bis 4. Juni Zeichnungen und Bilder der beiden Künstler und Lebenspartner Annette Bastian und Samuel Rachl aus München.

Die kunstvollen Farbstift-Zeichnungen von Annette Bastian erscheinen als verrätselte, surreal anmutende Traum- und Bilderwelten. Menschen, Gesichter, Köpfe, Haare, Tiere, Maschinen, Natur und Alltagsgegenstände tauchen auf. Sie scheinen zum Teil verbunden, dann wieder seltsam losgelöst im weißen, leeren Bildraum zu schweben. Wie plastisch nicht greifbare Piktogramme geben sie nichts preis über einen inhaltlichen, zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang. Isolation, Einsamkeit, Stille oder Verlorenheit sind beherrschende Bildeindrücke. Die „Welt der Gegenstände“ wird zum Baukasten ihrer Kunst, schrieb Markus Brach von Gumpenberg 1998 in einem Beitrag über Annette Bastian. Die hier gezeigten, 30 x 40 Zentimeter großen Zeichnungen der 2019 verstorbenen Künstlerin aus den Jahren 2013 bis 2017 waren bisher noch nicht zu sehen. Manche mögen als Vorstudien zu der von ihr bekannten Malerei auf MDF-Platten gedient haben, die vom Stil her an Comics oder die Kunst der Pop-Art erinnern. Andererseits lässt gerade die formale Reduktion die inhaltliche Sprengkraft und Aktualität der Arbeiten umso deutlicher hervortreten.

Innere und äußere Realität

Geht es um das Verschwimmen innerer und äußerer Realitäten? Technisch erzeugte Universen oder Mark Zuckerbergs Träume vom „Metaverse“ nehmen zunehmend Einfluss auf unser Fühlen, Denken und Handeln. Virtual und Augmented Reality in Beruf und Freizeit, Videospiele und aufwendig produzierte TV-Serien voller Special Effects sind uns längst ebenso wie Social Media und der Blick aufs Handy als Organisator des Lebens unentbehrlich geworden. Diese bei Zeitgenossen zu beobachtende seltsam befremdliche Isoliertheit oder das Gefangensein in fremden Welten ist auch den Werken von Bastian eigen. Wenngleich sie zuweilen mit ihrer an Art-Déco-Elemente erinnernden Ästhetik zu bezaubern wissen.

Eine ganz andere Wirkung entfalten die Werke des in Traunstein gebürtigen Zeichners, Malers, Objekt- und Performancekünstlers Samuel Rachl. Der heute 82-Jährige entwickelt seine Bildaussage im Spannungsfeld unterschiedlicher Beziehungsfelder, die sich aus expressiver Linienführung und deckend gemalten Farb- oder Schwarzflächen, klarer Grenzziehung und Überschneidungen oder Korrespondenzen entwickeln. Rachls Bildpersonal kennt ebenfalls Menschen und Tiere.

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Einzelne Köpfe oder hervorgehobene Körperteile lassen jedoch immer wieder eine von fragil bis massiv reichende Körperlichkeit hervortreten. Beine werde nur als Striche angedeutet oder lösen sich in massiger Farbigkeit auf. Alles ist in Bewegung und voller Dynamik. Die aus den Bildern sprechende Wildheit, Fokussiertheit und Lebenskraft mögen umso eindringlicher erscheinen, wenn man weiß, dass der Künstler damit seine Einschränkungen aufgrund einer Erkrankung an Kinderlähmung vergessen lässt.

Wie schreibt Galerieleiterin Judith Bader in einer Art „Gebrauchsanleitung“ für den Besuch der Ausstellung? „Die Vorstellungskraft des Betrachtenden wird durch visuelle Reize, narrative Anspielungen und Irritationen entzündet, gerade das Fragmentarische und die bewusst gesetzte Leerstelle sind das Brennmaterial für unsere eigene Phantasie.“

Öffnungszeiten der Ausstellung sind Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr. Am Mittwoch, 24. Mai um 14.30 Uhr gibt es einen Rundgang für Kinder mit der Schule der Phantasie. „Im Dialog“ heißt der Rundgang mit Judith Bader zum Ausstellungsende am 4. Juni um 15 Uhr.

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